Kommentar
16:12 Uhr, 11.11.2016

Wie viel Schaf Donald steckt im Wolf Trump?

Obwohl Trump für viele überraschend die US-Präsidentenwahl gewonnen hat, blieb der befürchtete Schock an den Finanzmärkten aus. Offensichtlich scheinen die Anleger die Hoffnung zu hegen, dass Wahlkampfthesen nicht unbedingt Regierungsthesen sein müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die politischen Absichten der Trump-Administration zwar noch sehr unklar. Dennoch soll eine erste Einschätzung der Auswirkungen der neuen Präsidentschaft auf die Finanzmärkte vorgenommen werden.

Noch nie war die Polit-Agenda eines zukünftigen Präsidenten so verschwommen, unklar und widersprüchlich

Abgesehen von vielen Gerüchten weiß niemand, wie die tatsächliche Amtsführung unter Donald Trump aussehen wird. Bei aller Unsicherheit kann man sich jedoch an ein altes politisches Gesetz halten: Wahlkampf und tatsächliche Politik sind zwei verschiedene Paar Schuhe. (Eine auch außen- und handelspolitische Analyse zum Ergebnis der US-Wahl finden Sie in diesem Produkt unter „Halvers Kolumne“.)

Diese Einschätzung vermitteln auch die internationalen Finanzmärkte mit einem erstaunlich robusten Bild. Die erwarteten Kurseinbrüche wegen eines erneut überraschenden „Brexit“-Moments blieben an den Aktien-, Renten- und Rohstoffmärkten aus. Betrachtet man den Volatilitätsindex VDAX-New für die nächsten 30 Handelstage sowie das US-Pendant S&P 500 Volatility Index als Risikomaß, reagieren die Aktienmärkte - sie sind deutlich von früheren Unsicherheitsniveaus entfernt - äußerst entspannt. Der DAX hatte zwischenzeitlich sogar ein neues Jahreshoch erreicht. Und dabei gilt er als exportsensitiver Index bei drohenden handelsprotektionistischen Maßnahmen der USA als besonders gefährdet.

Die Fed hält wohl an ihrer Zinserhöhung fest

Sicherlich wird die US-Notenbank die Risiken an den Finanzmärkten, die sich auch realwirtschaftlich negativ bemerkbar machen können, bis zu ihrer nächsten Sitzung am 14. Dezember genau beobachten. Gemäß Fed Fund Futures preisen die Finanzmärkte trotz der Unsicherheit über das Regierungsprogramm Trumps eine Leitzinserhöhung sogar mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als vor der Präsidentenwahl ein. Sollten weiterhin spürbare Verwerfungen an den Finanzmärkten ausbleiben, wird die Fed an der ohnehin eingepreisten Zinserhöhung festhalten.

Nicht zuletzt dürfte es der Fed darum gehen, ihre Handlungsfähigkeit auch angesichts der Kritik von Trump an einer angeblich besonderen Beziehung zwischen dem demokratisch regierten Weißen Haus und der US-Notenbank zu beweisen. Direkte Rücksichtnahme auf die neue politische US-Führung wird sie nicht nehmen, es sei denn, sie wäre mit finanz- oder realwirtschaftlichen Fehlentwicklungen verbunden.

Auch die Trump-Administration wird in den Genuss einer vermutlich freizügig bleibenden Geldpolitik kommen. Seine infrastrukturelle Offensive und Steuersenkungen sind ohne die Hilfe der kritisierten Fed nicht möglich. Trump dürfte noch sehr dankbar für eine dem Konjunkturaufschwung zugeneigte Fed-Präsidentin Yellen sein.

Wie viel Konjunkturaufschwung in den USA ist mit Trump verbunden?

Unter normalen Umständen hätte nach dem Wahlsieg Trumps und der mit ihm verbundenen (wirtschafts-)politischen Unsicherheit die als sicher geltende Anlageklasse „US-Staatspapiere“ profitieren müssen. Diese Entwicklung ist jedoch ausgeblieben, die Anleiherenditen sind sogar gestiegen. Dahinter verbirgt sich die Einschätzung, dass die von Trump propagierte Renaissance der amerikanischen Basisindustrie, Steuersenkungen und erhöhte Rüstungsausgaben das US-Wirtschaftswachstum beflügeln und für Inflation sorgen werden.

GRAFIK DER WOCHE

10J Rendite US-Staatsanleihen und US-Wirtschaftswachstum

In diese Konjunktureinschätzung passt auch der nach Wahlsieg Trumps plötzliche Preisanstieg der Industriemetalle, Kupfer und Eisenerz. Vor dem Hintergrund, dass Trump mindestens eine Billion US-Dollar in Straßen, Brücken und (Flug-)Häfen investieren will, ist tatsächlich eine höhere Rohstoffnachfrage zu erwarten. Dieses Bild unterstützt auch der sichere Hafen Gold, dessen Preis nach einer anfänglichen Bewegung nach oben wieder nachgegeben hat.

US-Konjunktur stark, Dollar stark - Unter sonst gleichen Bedingungen nicht schlecht für DAX und MDAX

Auch der US-Dollar spielt nicht die Rolle, die ihm das Lehrbuch bei politischer Unsicherheit zuschreibt. Er ist nur kurz gefallen, um anschließend gegenüber fast allen Währungen zu steigen. Insbesondere der mexikanische Peso hat wegen der geplanten Restriktionen gegen Mexiko verloren. Aber auch der Euro und japanische Yen - an sich die Alternativkrisenwährungen, wenn selbst Amerika mit Risiken behaftet ist - geben nach.

Zumindest im Augenblick kommt ebenso in der Währungsentwicklung die Einschätzung zum Ausdruck, dass die amerikanische Konjunktur zulasten der „Rest-Welt“ profitieren könnte.

Ein schwächerer Euro ist sicherlich ein unterstützender Faktor für deutsche Exportaktien.

Trump Jump - Make America great and Europe weak again?

Mit dem Sieg Trumps sind immerhin Fakten geschaffen worden: Je mehr Zeit vergeht, desto mehr werden die Schwarz-Weiß-Betrachtungen weichen und die Grautöne überwiegen. Statt Emotion zwischen Euphorie und Untergangsstimmung wird immer mehr die Ratio die Oberhand gewinnen. Wahlkampf war gestern, Realpolitik ist morgen. Das Oberste Gericht der USA sollte als schweres Handicap für eine allzu flott durchregieren wollende Regierung nicht unterschätzt werden. Auch Ronald Reagan und Bush jr. haben sich schon an ihm die Zähne ausgebissen.

Die „legendären“ Polit-Scharmützel zwischen Demokraten und Republikanern wird es aufgrund der stabilen Mehrheiten der Republikaner in weniger dramatischer Form geben. Eine absurde fiscal cliff-Krise wie 2012, die die USA unnötig an den Rand eines zumindest technischen Zahlungsausfalls geführt hatte - im März 2017 steht die nächste Erhöhung der US-Schuldenobergrenze an - wird es als Stör-Faktoren für US-Aktien nicht geben.

Eine Ankurbelung der US-Wirtschaft ist sicher ein fundamentales Argument für US-Aktien. Der Dow hat zwischenzeitlich bereits ein neues Allzeithoch erreicht. Hauptprofiteure sind bereits jetzt die Industrie, Pharma- und Bankenwerte, was in ihrer Outperformance zum Ausdruck kommt.

Das eigentliche politische Problem ist ein uneiniges Europa

Ohne Zweifel, für Deutschland als Exportnation und seine Aktienmärkte kann man aus dem Wahlsieg von Trump grundsätzlich viel Dramatik ableiten. Es ist zu hoffen, dass handelsrestriktive Wahlkampfthesen nicht zu tatsächlichen Regierungsthesen werden.

Grundsätzlich sollten die Trumpesken Risiken nicht unterschätzt werden. Denn die Zeiten werden für Deutschland insbesondere aus politischer Sichtweise größer. Die Wahl Trumps ist Kunstdünger für die Anti-Establishment- und Anti-Globalisierungsbewegungen in vielen EU-Ländern. So ist denkbar, dass viele Italiener das bevorstehende Referendum über die Verwaltungsreform als Herzstück der italienischen Reformbemühungen am 4. Dezember als willkommene Gelegenheit benutzten, um ihrer Euro-Verdrossenheit mit einem „Nein“ Ausdruck zu verleihen. Damit steigt die Gefahr einer Regierungskrise um Ministerpräsident Renzi und von Neuwahlen im nächsten Jahr. Im Extremfall stünden 2017 vier Wahlen in den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und eben Italien an, die zu Euro-feindlichen Wählerprotesten und insofern zu verstärkter politischer Eurosklerose mit enormem Schadenspotenzial auch für die Euro-Finanzmärkte führen könnten. Und der Hard Brexit kommt als Belastungsfaktor auch noch hinzu. Die EU hat jetzt die Gelegenheit, mit Strukturreformen der EU und der Eurozone zu zeigen, was sie kann. Und nur mit Einigkeit kann Europa gegen zu viel Trump anstinken.

Insgesamt ist zukünftig mehr Volatilität bei deutschen Aktien zu erwarten.

Charttechnik DAX und S&P 500 

Charttechnisch liegen beim DAX die ersten Widerstände bei 10.802, 11.055 und schließlich bei 11.187 Punkten, gefolgt von einer starken Barriere bei 11.431. Im Falle einer Gegenreaktion im DAX liegt eine erste Unterstützung bei 10.535 Punkten. Wird diese durchbrochen, treten weitere Haltelinien bei 10.492, 10.383 sowie darunter bei 10.250 in den Vordergrund.

Im S&P 500 wartet auf dem Weg nach oben der erste Widerstand bei 2.185 Punkten. Wird diese Hürde überwunden, wartet knapp darüber eine weitere Barrieren bei 2.194. Auf der Unterseite liegen die ersten Unterstützungen bei 2.135 und 2.083 Punkten sowie knapp darunter bei 2.079. Werden diese unterschritten, liegt die nächste Haltelinie bei 1.972 Punkten.

Der Wochenausblick für die KW 46 - In den USA mehr politische Butter bei die Fische

Das Trump-Lager wird konkreter bei der Auswahl des demnächst regierenden politischen Personals werden. Dies lässt Rückschlüsse auf die zukünftige Ausrichtung der US-Politik zu.

In China signalisieren Daten zu Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätzen eine Konjunkturstabilisierung auf niedrigem Niveau. In Japan taugt das stabile, jedoch schwache Wirtschaftswachstum im III. Quartal nicht wirklich zur Reflationierung einer deflationären Volkswirtschaft.

In den USA zeigt sich die Inflationsrate trotz erneutem Anstieg weiterhin zinserhöhungsunkritisch. Das gilt auch für den Immobilienmarkt, der gemäß Baubeginnen und -genehmigungen lediglich seine Seitwärtsbewegung fortsetzt. Auch die blutleere Industrieproduktion und ein wieder schwächerer Index der Frühindikatoren des Conference Board liefern keine Gründe für eine nachhaltige US-Leitzinswende.

Auch in der Eurozone bewegt sich der Inflationsdruck nach wie vor in engen Grenzen. In Deutschland zeigt sich die Wirtschaftsstimmung laut ZEW Konjunkturerwartungen immerhin stabil.

HALVERS WOCHE

Wie viel politischer Schrecken ist mit Trump verbunden?

Die kleine Lisa Simpson aus der US-Kult-Zeichentrick-Serie "Die Simpsons" hat schon früh geahnt, dass es einmal einen Präsidenten Trump geben wird. In einer Folge vom März 2000 sieht sie ihre berufliche Zukunft als US-Präsidentin, die auf Donald Trump folgt. Dieser hatte die USA zuvor in den wirtschaftlichen Ruin und eine handfeste US-Finanzkrise geritten.

Tatsächlich, der Kelch Donald Trump ist nicht an uns vorübergegangen. Er wird der 45. Präsident der USA. Im angeschlagenen „Rostgürtel“ - der ältesten und größten Industrieregion der USA - hat er sich sehr erfolgreich als Robin Hood verkauft, der gegen den bösen Sheriff von Nottingham alias Washington ankämpft, der nur an sich selbst denkt.

Aber wird Trump auch Amerika und die (Finanz-)Welt wie im Comic in den Ruin treiben? Die Befürchtungen in Europa sind jedenfalls groß. Ich kann mich nicht erinnern, dass Brüssel und Berlin jemals so zurückhaltend auf die Wahl eines US-Präsidenten reagiert haben. Ihre politische Reaktion passt eher auf den Anflug einer Grippe. Das liegt daran, dass Trump außer für einen „bemerkenswerten“ Wahlkampf für nichts Konkretes steht. Er hat nie ein politisches Amt bekleidet, das ihm einen unverkennbaren Stallgeruch verliehen hätte. Er ist wie eine Wundertüte. Niemand weiß, was drin ist, zumindest nicht bis zur Amtseinführung am 20. Januar 2017.

Was bleibt vom Trump’schen Wahlkampf in der Realität seiner Amtszeit übrig?

Es ist zu bezweifeln, dass das, was von ihm im Wahlkampf so heiß gekocht wurde, in seiner Amtszeit tatsächlich auch so heiß gegessen wird. Trump ging es sehr darum, mit „knackigen“ Themen und unglaublichen Verbalentgleisungen Aufmerksamkeit und damit die Wahl zu gewinnen. In seiner Amtszeit wird er abkühlen müssen. Das gilt absurderweise auch vor dem Hintergrund, dass die Republikaner jetzt überall - Präsident, Senat, Repräsentantenhaus - die Nase vorn haben. Denn diese Mehrheit schmälert den Corpsgeist, d.h. die Zwietracht in der Partei nimmt zu, zumal Trump nicht der Liebling aller Republikaner ist. Einen ungebremsten Aufstieg des Drachen wird es für Trump also nicht geben. Die Partei hält die Leine fest in den Händen. Er wird immer wieder eingefangen. Anders formuliert: So manches politisch querstehende Horn wird abgeschliffen. Ein lockeres Durchregieren wird es für Trump also nicht geben.

Ich unterstelle außerdem, dass er kein großer Aktenleser ist. Das spricht dafür, dass die zweite und dritte Ebene die politische „Drecksarbeit“ machen wird. Und genau die kennen sich mit den Niederungen des Geschäfts, seinen Schlaglöchern, Fettnäpfchen, begrenzten Möglichkeiten und auch der unglaublichen Bürokratie Washingtons aus. Sie wissen, was geht und was nicht.

Trump wird eher die Gallionsfigur sein, die nach außen Parolen verteilt, durchaus auch als populistischer Seelenverkäufer.

Eine neue Ära des Isolationismus?

Überhaupt, geopolitische Abschottung passt nicht zu Amerika. Glaubt denn irgendjemand, dass Amerika die Führung der Welt den Russen oder Chinesen überlässt? Die USA wissen sehr genau, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht zuletzt mit geostrategischer Durchsetzungskraft erkauft wird. An einem Zerfall des aktuellen „Römischen Reiches“ hat niemand Interesse. Isolationismus passt auch nicht zu den Republikanern, die sich doch immer gerne in der Rolle der Freunde und Beschützer sehen.

Vor diesem Hintergrund wird die Trump-Administration auch an der Nato unter Führung Amerikas festhalten. Sie sichert die militärische Omnipräsenz der USA und legitimiert Eingriffe selbstverständlich auch zum eigenen Vorteil. Allerdings wird Trump die Nato-Partner und insbesondere die Bundesregierung verpflichten, deutlich mehr Geld in den Klingelbeutel der Nato zu werfen. Trump wird hier der Meinung in Amerika folgen, wonach sich der europäische Kontinent - also ohne den wertgeschätzten Waffenbruder Großbritannien - gerne hinter dem Schutzschild der USA versteckt, aber sich bei eigenen Engagements eher zurückhält.

In puncto Russland ist Trump mangels politischer Historie nicht befangen wie es eine Hillary Clinton mit ihrer harten Haltung seit Jahren ist. Das eröffnet theoretisch pragmatisches Verhandlungspotenzial, mit Putin Wirtschaftskonflikte und auch die Krisen in Syrien und in der gesamten arabischen Region einzugrenzen. Das ist sicherlich nicht einfach. Aber die Chancen, dass sich zwei grobe Klötze am Ende - nachdem der Wodka oder Whiskey in Strömen gelaufen ist - einigen, sind gegeben. Das würde im Übrigen auch Europa, das sich in Eurosklerose befindet, einige Probleme z.B. bei der Flüchtlingskrise abnehmen.

Und zur Erinnerung: Die Sanktionen gegen Russland, die mit russischen Gegensanktionen verbunden sind, tun wirtschaftlich niemandem so weh wie Deutschland. Ein entspannteres Verhältnis zwischen den USA und Russland würde der deutschen Exportindustrie durchaus helfen.

Grundsätzlich können wir uns keine lupenreinen Demokraten backen. Im Gespräch sollte man aber mit dem Staatspräsident aus dem Osten bleiben. Wir haben ja auch kein Kommunikationsproblem mit dem aus Südosteuropa.

Was bedeutet die Wahl Trumps für die Exportnation Deutschland

Die größte wirtschaftliche Gefahr insbesondere für die Außenhandelsnation Deutschland und ihre börsennotierten Exportunternehmen ginge von amerikanischem Handelsprotektionismus aus. Sollte Amerika den Freihandel einschränken, Importzölle verhängen oder gar Handelsabkommen kündigen, ist dies für die USA aber selbst gefährlich. Eine Volkswirtschaft ohne Außenhandel gibt es höchstens noch in Nordkorea und gut geht es dem Land deshalb sicher nicht. Amerika hat die Annehmlichkeiten als Exportnation längst erkannt, die das Land aus der Einseitigkeit kreditfinanzierten Konsums herausholt. Und wenn Amerika Europa wehtut, warum sollten wir dann Amerika schonen? Die EU könnte ja auch engere Handelsbeziehungen mit den Schwellenländern oder mit Kanada anstreben, um den USA die kalte Exportschulter zu zeigen. Natürlich ist das nicht einfach. Aber als die willfährigen Handelstrottel werden wir uns auch nicht präsentieren. In diesem Zusammenhang ist für mich übrigens das aktuelle Handelsabkommen TTIP mausetot.

Grundsätzlich werden die großen multinationalen Konzerne der USA - vor allem Markennamen wie Coca-Cola, Apple, Procter & Gamble, Nike - der neuen US-Administration mit gewaltiger Lobby-Arbeit schon die handelspolitischen Flötentöne beibringen. Da wird nicht gekleckert, da wird geklotzt. Diese Unternehmen wollen weltweit weiter ungeniert verkaufen.

Dennoch, die USA werden die außenwirtschaftlichen Daumenschrauben anziehen. In Amerika wird ja immer behauptet, dass die deutsche Industrie zwar gerne von einer guten US- und Weltkonjunktur profitiert, Deutschland selbst aber viel zu wenig für die Stabilisierung der globalen Wirtschaft tut. Die schwarze Null oder gar Überschüsse im deutschen Staatshaushalt sind den USA ein riesiger Dorn im Auge. Stabilitätspolitik der germanischen Art ist für Amerikaner so wenig genießbar wie Bratwurst für Veganer. Herr Trump wird hier deutlich mehr Druck ausüben als sein Vorgänger: Entweder Deutschland fördert zumindest die lahmende europäische Wirtschaft mit staatlichen Konjunkturpaketen oder Amerika könnte sich einiger Instrumente aus dem protektionistischen Werkzeugkasten bedienen. Dabei können schon Nadelstiche unsere deutschen Exportbranchen empfindlich treffen. Einen Vorgeschmack auf handelspolitische Ohrfeigen aus Amerika haben bereits die deutschen Auto- und Bankmanager erhalten. Ihre leuchtend roten Wangen könnten mühelos als Signallampen im Eisenbahnverkehr zwischen Washington und New York eingesetzt werden. Demnächst auch noch blaue Augen? Darauf hat in deutschen Vorstandsetagen niemand Lust.

In der Tat, gegen eine nachhaltig konjunkturfördernde Infrastrukturoffensive in Deutschland, die den Namen verdient, ist - unabhängig von Trump - nichts, gar nichts einzuwenden.

Legt Trump die US-Notenbank an die Kette?

Trump hat im Wahlkampf massive Kritik an der Fed geäußert und ihr vorgeworfen, verlängerter politischer Arm des Weißen Hauses zu sein. Wird also die geldpolitische Allmacht der Fed kastriert und fällt damit einer der bedeutendsten Glücksmomente der Finanzwelt zukünftig aus? Nun, wenn der gute Donald im Weißen Haus sitzt, dann ist er selbst Begünstigter einer freizügigen US-Zins- und Geldpolitik. Wie sonst sollen denn die in der Industriewüste Amerikas finanziert werden? Ohne die Hilfe seiner neuen „Freundin“ Janet Yellen wird ihm das nicht gelingen!

Risiken eines US-Präsidenten Trump sollten nicht geleugnet werden

Natürlich, da Trump politisch betrachtet „unbenutzt“ und damit als US-Präsident schwer einschätzbar ist, können auch unschöne politische wie handelspolitische Entwicklungen nicht ausgeschlossen werden. Es bleibt natürlich abzuwarten, wie viel Kreide er nach einem zerstörerischen Wahlkampf wirklich gefressen hat.

Fatal wäre es insbesondere, wenn Populisten weltweit Trump als ihren Guru, als nachzuahmendes Beispiel betrachten. Gerade in Europa haben die Falschen Trump als erste gratuliert. Wenn EU und Eurozone aber schon Angst vor dem Fuchs Trump und seinen politischen Kollateralschäden haben, sollte dann nicht das Polit-Establishment in Europa den Hühnerstall zügig absichern? Jetzt ist es höchste Zeit, Europa nicht mehr nur zu verwalten, sondern (wirtschafts-)politisch rundzuerneuern.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die bereits schwellenden politischen Risiken in Europa auch für die Finanzmärkte deutlich größer sind als die potenziellen in den USA. Es sollte nicht vergessen werden, dass es 2017 in mindestens drei bedeutenden EU- und Euro-Ländern Nationalwahlen gibt. Und in allen drei Ländern rumort es.

Keine Frage, ein Zusammentreffen von Kanzlerin Merkel und Präsident Trump wird kein Kaffeekränzchen mit Berlinern und Donuts. Da hat Trump schon im Vorfeld viel Geschirr zerschlagen. Aber es nutzt ja nichts. Die good times unter Barack Obama sind vorbei. Wir müssen das Beste daraus machen.

Immerhin, die Aktienmärkte als typische Frühwarnsysteme signalisieren bislang, dass es mit Trump so schlimm wie viele denken nicht kommen wird. Glück auf!

Schlimm steht es allerdings um die US-Umfrageinstitute. So voll danebenzuliegen, ist ein Desaster.

VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK

KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

3 Kommentare

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  • Allesklar
    Allesklar

    Danke, dass Sie nicht zu den Pessimisten gehören, die jetzt schon ganz genau zu wissen glauben, wie schrecklich die Präsidentschaft von Trump sein wird. Diese Leute haben sich ja auch in der Einschätzung des Wahlausgangs völlig geirrt.

    21:06 Uhr, 14.11. 2016
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