Kommentar
13:16 Uhr, 24.01.2014

Weltkonjunktur 2014: Dieser Weg wird kein leichter sein…

Der IWF hat seine Prognose für das Weltwirtschaftswachstum auf 3,7 Prozent für 2014 angehoben. Auch China zeigt mit einem Wachstum von 7,7 Prozent im Schlussquartal 2013 und für das gesamte letzte Jahr Steherqualitäten. Jedoch fiel der von der HSBC Bank veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe im Januar mit einem Wert von 49,6 knapp unter die Expansion anzeigende Schwelle von 50. Bei der von China betriebenen Transformation von einer export- und immobiliengestützten zu einer stärker binnenwirtschaftlich geprägten Volkswirtschaft sind Reibungsverluste zwischenzeitlich möglich. Entscheidend ist, dass der Übergang zu einem nachhaltigeren Wachstum gelingt, wovon auszugehen ist.

Die Kreditblase und das steigende Misstrauen der Banken untereinander sorgten zwischenzeitlich für einen sprunghaften Anstieg der chinesischen Ausfallprämien und für Verwerfungen am chinesischen Interbankenmarkt. Im Dezember stiegen dort die Zinsen auf knapp neun Prozent. Nachdem sie sich zwischenzeitlich bis auf vier Prozent beruhigt hatten, stiegen sie diese Woche erneut sprunghaft auf 6,3 Prozent an. Im Ernstfall könnte Chinas Bankensektor eine Kreditklemme drohen, die Chinas Wirtschaftskraft auch zum Schaden der Weltkonjunktur schwächen würde. Dies ist auch ein Grund für die kürzliche Nervosität an den konjunktursensitiven deutschen Aktienmärkten.

Jedoch hat die People’s Bank of China in dieser Woche mit zwei deutlichen Liquiditätszuführungen reagiert, worauf der Interbankenmarktzins wieder auf 4,3 Prozent sank. Die chinesische Notenbank hat damit zur Beruhigung der Finanzmärkte sehr deutlich signalisiert, dass sie -ähnlich wie bereits die westlichen Notenbanken - eine bewusste Politik der Konjunkturstützung betreiben wird. Nichts fürchtet China mehr als ein Platzen der Kreditblase mit unkontrollierbaren konjunkturellen und insbesondere sozialen Verwerfungen.

Deutsche Wirtschaft im Steigflug

In Euroland zeigt sich der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe mit 53,9 expansiv. Maßgeblich ist dies der sich aufhellenden Wirtschaftsstimmung in Deutschland - der deutsche Einkaufsmanagerindex liegt mit 54,6 an der euroländischen Spitze - zuzuschreiben. Dagegen liegt der französische Index trotz Anstieg mit 48,8 immer noch unter der Expansion anzeigenden Schwelle von 50.

Für Deutschland schätzen die vom ZEW befragten Analysten - die im Vergleich zu den vom ifo Institut befragten Unternehmen typischerweise kritischer sind - die Konjunkturerwartungen nahezu unverändert auf dem höchsten Niveau seit April 2006 ein. Außerdem schlägt sich der von den Finanzanalysten seit Monaten erwartete Aufschwung allmählich in einer klar verbesserten Lageeinschätzung nieder.

Euroländische Wirtschaft immer noch mit viel Schatten

Zwar lässt die Euro-Wirtschaft ihr konjunkturelles Stimmungstief aus dem Sommer 2012 hinter sich. Die anhaltenden Strukturprobleme in der Euro-Südzone verhindern jedoch eine breitere Konjunkturdynamisierung. Die reale, um Inflation bereinigte Wirtschaftsleistung der Euro-Staaten befindet sich grundsätzlich noch weit von ihren Vorkrisenniveaus entfernt. Konjunkturschlusslicht ist Italien, das aufgrund einer politischen Lähmung und ausbleibender Wirtschaftsreformen nicht an seine Wirtschaftsleistung von 2007 anknüpfen kann. Ähnliches gilt zwar auch für Spanien und Portugal, die jedoch mit sinkenden Lohnstückkosten und Unternehmenssteuern den Weg für gestärkte Standortqualitäten und ein anschließend beschleunigtes Wachstum geebnet haben. Reform-Musterschüler Irland befindet sich sogar im fortgeschrittenen Stadium der wirtschaftlichen Genesung. Verbesserungen in Frankreich sind zwar auch zu erkennen, die aber gegenüber Deutschland deutlich weniger dynamisch ausfallen. Die von Präsident Hollande angekündigten Reformen zur Stärkung der französischen Wettbewerbsfähigkeit dürfen keine Lippenbekenntnisse bleiben, sondern müssen zügig umgesetzt werden.

Der noch nicht selbsttragende Aufschwung in Gesamt-Euroland bekommt weiter fiskal- und geldpolitische Rückendeckung: So werden neue konjunkturstützende Schulden über günstige Anleihebedingungen finanziert. Dafür trägt die EZB Sorge.

Den „moralischen“ Spielraum für weitere geldpolitische Lockerungen erhält die EZB von den Deflationsrisiken in der Euro-Südzone. Die offiziellen Inflationsraten sind seit Mitte 2011 rückläufig und haben in Spanien, Portugal und Irland nahezu null Prozent erreicht. Griechenland befindet sich bereits seit Anfang 2013 in der Deflation. Eine Deflationierung der Eurozone als Grundübel einer jeden Volkswirtschaft - Käufe von Produkten und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen werden immer weiter verschoben, weil sie immer günstiger werden - wird die EZB um jeden Preis verhindern, um eine euroländische Konjunkturkrise zu verhindern. Entsprechende Verlautbarungen sind bereits von EZB-Chef Draghi zu hören.

Grafik der Woche: Inflationsentwicklung in Euroland, Prozent zum Vorjahr

US-Berichtsaison bislang weder Fisch noch Fleisch

IBM konnte aufgrund einer geringeren Steuerquote ein überraschendes Gewinnplus von 6,4 Prozent erzielen. Der Ausblick ist zwar verhalten, doch sollen Investitionen in Zukunftsbranchen wie das Cloud Computing und der Verkauf der Server-Sparte zukünftig wieder für Erfolg sorgen. Nach einer nahezu unveränderten Gewinnentwicklung im Schlussquartal 2013 wirkt McDonald’s stagnierenden Umsätzen mit neuen Aktionen im Niedrigpreissegment entgegen. Microsoft befindet sich im Wandel. Der frühere reine Anbieter von Software profitiert mittlerweile vom Verkaufserfolg seiner neuen Spielkonsole. Für den Ausblick bleibt vorerst jedoch eine Entspannung am PC-Markt entscheidend, die dem immer noch wichtigen Softwaregeschäft Auftrieb verleihen würde.

Aktuelle Marktlage und Charttechnik

Zwei Argumente bestimmen grundsätzlich das Schicksal der Aktienmärkte: Geldpolitik und Konjunktur. Sorgen über die Geldpolitik sind unangebracht. Selbst die Fortsetzung des Tapering führte dennoch zunächst zu einer weiteren Nettozuführung von Liquidität. Entscheidend ist ohnehin, dass die US-Notenbankzinsen auf dem derzeit niedrigen Niveau bleiben werden.

Bedeutsamer ist die konjunkturelle Entwicklung, der fundamentale Hintergrund für die Aktienmärkte. Auch wenn der weltwirtschaftliche Erholungsprozess nicht ohne Gegenwind verlaufen wird und zwischenzeitliche Enttäuschungen z.B. in den Schwellenländern nicht auszuschließen sind, werden die tatsächlichen, harten Fundamentaldaten dennoch zunehmend den positiven Frühindikatoren folgen. Und mittlerweile haben auch die Schwellenländer den realwirtschaftlichen Wert von geldpolitischen Stimulierungsmaßnahmen erkannt.

Insofern sind 2014 höhere Kursschwankungen als 2013 zu erwarten. Mit im Jahresverlauf besseren Konjunkturdaten bei geldpolitischem Flankenschutz steht einem insgesamt positiven Aktienjahr aber nichts entgegen.

Charttechnisch verläuft die erste Unterstützung des DAX bei 9.580 Punkten. Weitere Haltelinien verlaufen bei 9.540 unter darunter am Jahrestief bei 9.368 Punkten.

Auf Widerstand stößt der DAX im Bereich des bisherigen Verlaufshoch der Hausse bei 9.672 und darüber bei 9.794 Punkten.

Und das passiert in der nächsten Woche

Auf Unternehmensebene geht die US-Berichtsaison für das IV. Quartal bzw. das Gesamtjahr 2013 weiter. Der Baumaschinenhersteller Caterpillar dürfte die schwache Auftragslage aus dem Bergbau zu spüren bekommen. Ford hat unter einer vorübergehenden Nachfrageschwäche in Folge des Kälteeinbruchs in den USA zu leiden. Der Technologiekonzern Apple profitierte unterdessen von einem soliden Weihnachtsgeschäft. Im Ergebnis von Google spiegeln sich die gesteigerten Werbeeinnahmen wider. Yahoo hat in diesem Geschäftsbereich weiter zu kämpfen. In Deutschland berichten Siemens und Infineon. Entscheidend werden die Ausblicke der Unternehmen sein.

Das Hauptaugenmerk der Anleger gilt der Sitzung der US-Notenbank. Vor dem Hintergrund zuletzt schwacher Arbeitsmarktdaten einerseits und besserer harter Fundamentaldaten - wie der Einkaufsmanagerindex für das industriereiche Ballungsgebiet um Chicago - wird mit Spannung erwartet, ob die Fed ihr Anleihenaufkaufprogramm erneut - wenn auch nur um weitere 10 Mrd. US-Dollar - drosselt. Die guten BIP-Zahlen für das abgelaufene IV. Quartal und erneut angestiegene Auftragseingänge für langlebige Güter dürften die Befürworter des Taperings stärken.

In Euroland gilt der Fokus den Inflationsdaten. Im Fall eines erneuten Rückgangs werden sich die Erwartungen für weitere unkonventionelle Maßnahmen der EZB verstärken.

In Deutschland wird der ifo Geschäftsklimaindex die konjunkturelle Dynamisierung bestätigen. Der GfK Konsumklimaindex signalisiert eine ungebrochen gute Konsumentenstimmung.

Halvers Woche:

Anlagestrategie 2014: Wie investieren in terra incognita?

Wir befinden uns wie Kolumbus bei der Entdeckung Amerikas auf anlagetechnisch unbekanntem Terrain. Die Aktienmärkte haben sich wie sein Schiff Santa Maria zu neuen Welten und die Zinsmärkte zu neuen Ufern aufgemacht. Überhaupt, was für eine neue, schöne Finanzwelt: Angesichts völlig überschuldeter Staaten und Stabilitätskulturen, die ausgelutscht wie Leckmuscheln sind, kurz bevor die Zunge auf Plastik trifft, müssten die Anleger eigentlich Valium schlucken wie Tic Tac. Aber schaut man auf die Renditen spanischer, italienischer oder portugiesischer Staatsanleihen, die wie Schnee im Frühjahr schmelzen, muss man den Eindruck gewinnen, dass die Euro-Krise z.B. nur ein böser Alptraum gewesen ist.

In der Traumfabrik unserer Finanzwelt - der Geldpolitik - werden heutzutage offenbar nur noch die süßesten Träume verkauft. Eigentlich ist jeden Tag so etwas wie Weihnachten, oder?

Was ist heute noch normal?

Für so manchen Finanzmarkt-Propheten ist das zu viel Lametta. Als apokalyptische Reiter warnen sie vor einem großen Aktiencrash in diesem Jahr. Die Liquiditätshausse sei außer Rand und Band, heiß gelaufen, ja sogar krank und Aktien mittlerweile jenseits von Gut und Böse bewertet.

Ja, unter normalen Bedingungen hätten sie sogar recht. Denn würde heutzutage noch Geldpolitik im Geist der stabilitätsorientierten Bundesbank betrieben, hätten wir es längst mit Liquiditätsdrogenentzug und dem Zurückdrehen der Zinsschraube zu tun. Die Liquiditätshausse mit ihrer sportlichen Bewertung würde die geldpolitische Knute nicht lange überleben.

Allerdings wäre die Gefahr dann unkalkulierbar groß, dass Kind mit dem Liquiditäts-Bade auszuschütten. Stellen Sie sich vor, dass über eine geldpolitische Konterrevolution die aktuell gute Stimmung kippt. Diesen Fehler hat die Fed zu Zeiten der Immobilienblase schon einmal gemacht. Sie hatte 1994 begonnen, ihre für damalige Verhältnisse dramatisch niedrigen Notenbankzinsen von einem bis Frühjahr 2006 auf 5,25 Prozent zu erhöhen. Das überlebt keine Blase. Und anschließend hat die geplatzte Immobilienblase ganze Arbeit geleistet und auch noch die Weltwirtschaft ruiniert. Zur Krisenbewältigung mussten danach die Fed-Zinsen auf ein noch tieferes Niveau als bis 1994 gesenkt werden. Und obwohl seit Ende 2008 der US-Notenbankzins bei historisch niedrigen 0,25 Prozent liegt, läuft es bis heute weltkonjunkturell nicht wieder rund.

Heute scheut ein gebranntes Notenbank-Kind das Feuer. Noch einmal wird die Fed die Liquiditätshausse nicht dem geldpolitischen Rasenmäher aussetzen, um als Zugabe womöglich eine neue Deflation der Weltwirtschaft wie 2009 heraufzubeschwören.

Mario Draghi ist von Kopf bis Fuß auf Aufschwung eingestellt

Und die EZB? Zwar hat sich die Stimmung in der euroländischen Industrie tatsächlich deutlich aufgehellt. Jedoch hat sie sich bis dato noch nicht in wirklich verbesserten harten Fundamentaldaten niedergeschlagen. Daher will man sich seitens der EZB so lange in geldpolitischer Üppigkeit üben, bis Finanzmärkte, Bank- und natürlich Realwirtschaft glasklare Erholungszeichen zeigen. Aber selbst wenn wir dort angekommen sind, wird Mario Draghi der Euro-Finanzwelt immer noch Nachschläge aus der Gulaschkanone der Liquidität verpassen, um die Nachhaltigkeit der Krisenbewältigung zu garantieren. Geldpolitische Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste geworden. Ein neues Annus Horribilis wie 2009? Nicht mit der EZB!

Überhaupt, auch China hat mittlerweile die Freuden einer lockeren Geldpolitik für die Konjunktur entdeckt. Die People’s Bank of China wird wohl bald Ehrenmitglied in der internationalen Bruderschaft des billigen und reichhaltigen Geldes werden.

Insgesamt ist die Liquiditätshausse lebendig wie ein junges Reh. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie auch noch heute, morgen und übermorgen. Vergessen wir aber auch nicht, dass den Aktienmärkten die immer größere konjunkturelle Phantasie zugute kommt. Damit bekommt die Liquiditätshausse zunehmend Fleisch am Knochen.

So ist es mit Aktien wie mit Hessen, wenn man von Hamburg nach München reist: Man kommt nicht daran vorbei. An dieser Einschätzung ändern auch zwischenzeitliche Konsolidierungen nichts.

Selbst wenn sich die Aktienmärkte in unbekanntem Terrain befinden, sollten die apokalyptischen Reiter ihre Aktiencrash-Prognosen noch einmal überdenken. Ansonsten drohen sie vom Pferd zu fallen.

Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick

Kapitalmarkt auf einen Blick

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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