Analyse
11:25 Uhr, 06.04.2016

Was Ihnen in Büchern meist verschwiegen wird!

Kennen Sie das Gefühl: Sie lesen ein Buch und sind hellauf begeistert. Alles klingt logisch und auch die Tradingbeispiele sind genial. Aber kaum handeln Sie die vorgestellten Taktiken nach, scheint diese gar nicht mehr zu funktionieren.

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 9.556,92 Pkt (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • DAX - WKN: 846900 - ISIN: DE0008469008 - Kurs: 9.556,92 Pkt (XETRA)

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als ich alles zum Thema Strategien verschlang. Getrieben vom Gedanken, das Geheimnis der Börse zu entschlüsseln, stürzte ich mich auf alles, was ich in die Finger bekam. Wann steigen Profis ein? Wo setzen Sie ihre Stopps? Wann werden Positionen geschlossen und so weiter und so fort. An Literatur mangelte es nicht und ich weiß noch genau, wie ich es meist gar nicht abwarten konnte, das Gelesene endlich in der Praxis umzusetzen. Schließlich klang das meiste logisch und die gezeigten Beispiele überzeugten.

Früher oder später war es dann soweit und ich schaute mir die vorgestellten Strategien in der Praxis, respektive in einem (Back)Test an. Was für ein Glück, denn wenn ich ehrlich bin, konnte mich bis heute nicht eine einzige der Strategien wirklich überzeugen. Die meisten Ansätze schafften es nicht, nach Transaktionskosten einen passablen Gewinn zu erzeugen und bei den wenigen, die dies erreichten, passten mir andere Dinge nicht. So waren bspw. die Trefferquoten zu klein oder die zwischenzeitlichen Drawdownphasen zu lang bzw. groß.

Nach den ersten Fehlversuchen denkt man sich: "Gut, kann passieren", aber wenn man dutzende Tests mit gleichem Ergebnis abschließt, kommt man ins Grübeln. Am Ende der Überlegungen bleiben eigentlich nur zwei Antworten übrig (eine dritte, die Psychologie, kann ausgeklammert werden, da es sich ja nur um rein systematische (Back)Tests handelte):

  1. Ich verstehe die Taktiken und deren Regeln nicht und wende sie deshalb falsch an oder
  2. Die Autoren lügen

Gerade vorschnelle Antworten sind natürlich schnell gefunden. Letztlich ist es natürlich auch bequem, den anderen die Schuld zu geben. Mit diesem Gedanken schüttelt man zwar den Kopf, macht im Gros aber weiter wie bisher. Wenn ich nur weiter viel recherchiere, werde ich doch früher oder später auf zumindest einen ehrlichen Trader treffen, der mir das Geheimnis der Börse offenbart.

Je mehr man aber testet und je mehr sich das bisherige Bild bestätigt, selbst bei Lektüren von nachweislich erfolgreichen Tradern, setzt sich die Erkenntnis durch, den „Fehler“ bei sich zu suchen. Vor diesem Hintergrund liest man sich die vorgestellten Strategien noch einmal durch und siehe da, es erscheint Licht am anderen Ende des Tunnels.

Was in Büchern & Co....

...nämlich nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist die Tatsache, dass die meisten aller vorgestellten Strategien nur Basisregeln darstellen. Regeln, die zwar grundlegend angewendet werden, wobei der Autor sich aber gleichzeitig vorbehält, diese in kleinen Nuancen zu verändern und zu brechen. Dies macht den Unterschied zwischen einem grandiosen Erfolg und einem eher bescheidenen Ergebnis aus, womit sich direkt die Frage stellt, warum dies nicht postuliert wird. Mir hätte dieser Hinweis am Anfang, in der Mitte und am Ende eines jeden Buches sehr viel Zeit gespart.

Wieder einmal könnte man eine Gemeinheit des Autors / Traders unterstellen, aber letztlich ist die Wahrheit meist ein ganzes Stück davon entfernt. Sicher, schwarze Schafe gibt es auch hier genug, aber Hand aufs Herz: wer möchte in einem Buch denn ständig den Konjunktiv lesen: es könnte… , ab und an mache ich… , in einigen Fällen….

All dies sind nicht gern gesehene Formulierungen, mit denen sofort eine Anschlussfrage verknüpft wird: unter welchen Bedingungen denn genau? Was sind die „einigen Fälle“ etc.. Und genau hier kommt der Autor in der Regel in Schwierigkeiten, denn es ist nicht selten so, dass der Trader es gar nicht beschreiben kann, warum er bei diesem Trade eine kleine Abwandlung in welcher Form auch immer, vorgenommen hat. Hier spielt seine Erfahrung eine Rolle, seine Intuition. Diese Dinge sind genau dadurch gekennzeichnet, dass man Sie nicht in genaue Regeln pressen kann.

Falls Ihnen dies befremdlich vorkommt, übertragen Sie diesen Gedanken einmal auf das normale Leben und Sie werden an jeder Ecke analoge Beispiele finden. Ein Starfußballer kann Ihnen ohne Zweifel die Grundregeln des Fußballs und einige darüber hinaus gehende Details nennen, die für einen erfolgreichen Fußballer wichtig sind, aber was Ihn genau zum Superspieler macht, kann er meist nicht erklären. Er hat es im Gespür, wie er zu spielen hat und sich innerhalb der Basisregeln bewegen muss, aber es gibt keinen Masterplan.

Wenn Sie also das nächste Mal ein Buch zum Trading zur Hand nehmen, ein Seminar besuchen oder aber an einem Webinar teilnehmen, in denen es sich um Tradingstrategien im weitesten Sinne handelt, dann denken Sie an die Problematik. Nutzen Sie die dort vorgestellten Ideen als Basiswerkzeug und sammeln Sie mit diesem Ihre Erfahrungen. Entwickeln Sie Ihr Gespür und Ihre Intuition, anstatt zu versuchen, eine Kopie vom Original zu erstellen. Genau deshalb dauert der Lernprozess im Trading auch so lange. Ein Buch ist schließlich in kürzester Zeit gelesen. Wenn ich mich recht entsinne, wurden die Turtle Trader in nur 2 wochen mit dem für ihren Tradingansatz notwendigen Wissen ausgestattet. Der Rest konzentrierte sich auf die Entwicklung der eigenen Expertise als auch emotionale Aspekte.

Viel Erfolg

Rene Berteit

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3 Kommentare

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  • scirocco
    scirocco

    Ich halte Ihren Artikel für ziemlich irreführend. Was in den Büchern (oft) nicht erwähnt wird, sind die Bedeutung der statistischen Wahrscheinlichkeiten / Ergebnisse für eine Strategie. Erfolgreich kann man meiner Meinung (und Erfahrung) nach nur sein, wenn man sich stur an Regeln hält. Ansonsten wird doch alles zur Farce und man weiss nicht einmal warum es schief ging.

    20:59 Uhr, 06.04.2016
  • Heiko Behrendt
    Heiko Behrendt Trader

    Ein sehr guter Artikel.

    Ich vergleiche das gerne mit einem Kochbuch. Man sollte sich schon an die Mengenangaben halten die im Kochbuch stehen, damit das Werk gelingt. Hat man das Rezept einige Male gekocht, dann wandelt man es nach seinen eigenen Vorlieben ab.

    Genau das sollte auch ein Leser mit einem Börsenbuch machen.
    Ein weiterer Hinweis wäre noch, dass ein jedes Setup immer eine gewisse Marktphase braucht damit es funktioniert. Sprich ein Trendsetup wird nie wirklich erfolgreich werden, wenn der Markt volatil seitwärts eiert.

    12:57 Uhr, 06.04.2016
  • max01
    max01

    Gute Beitrag nach zwei Jahren habe ich das auch Festgestellt. Viel Theorie- wissen Konto wird immer kleiner.

    12:48 Uhr, 06.04.2016