Verfassungsgericht hebt neues Wahlrecht zum Teil auf
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Das Bundesverfassungsgericht hat das vom Bundestag beschlossene neue Wahlrecht in Teilen aufgehoben, die zentrale Regelung eines künftigen Wegfalls von Überhang- und Ausgleichsmandaten aber bestätigt. Das Gericht erklärte in seinem Urteil eine Fünf-Prozent-Hürde ohne Grundmandatsklausel für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Die Klausel, nach der eine Partei mit einem bundesweiten Zweitstimmenergebnis von unter 5 Prozent trotzdem an der prozentualen Sitzverteilung teilnimmt, wenn sie wenigstens drei Direktmandate errungen hat, soll nach dem Urteil weiter gelten und nicht abgeschafft werden. Dies soll auch bei der nächsten Wahl gelten.
"Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat heute entschieden, dass das Zweitstimmendeckungsverfahren im neuen Bundeswahlgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Hingegen verstößt die Fünf-Prozent-Sperrklausel derzeit gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit und den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien", erklärte das Gericht. "Bis zu einer Neuregelung gilt die Sperrklausel mit der Maßgabe fort, dass bei der Sitzverteilung Parteien mit weniger als 5 Prozent der Zweitstimmen nur dann nicht berücksichtigt werden, wenn ihre Bewerber in weniger als drei Wahlkreisen die meisten Erststimmen erhalten haben. Das heißt, diese Maßgabe orientiert sich an der Grundmandatsklausel des bisherigen Wahlrechts."
Überhang- und Ausgleichsmandate wird es demnach aber künftig nicht mehr geben. Das Gericht urteilte, dass die mit der Reform eingeführte Zweitstimmendeckung erhalten bleibt, nach der eine Partei künftig nur so viele Mandate erhält, wie ihr nach dem Zweitstimmenanteil zustehen. Falls sie mehr Direktmandate gewinnt, sollen nur die Kandidaten mit den besten Ergebnissen in ihren Wahlkreisen in den Bundestag einziehen. "Das Zweitstimmendeckungsverfahren ist mit dem Grundgesetz vereinbar", betonte das Gericht. "Der Entschluss des Gesetzgebers, das Wahlrecht zu reformieren, ist nicht an besondere Voraussetzungen gebunden." Die Fünf-Prozent-Sperrklausel sei unter den geltenden rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen nicht in vollem Umfang erforderlich, um die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages zu sichern.
Unter anderem Union und Linke hatten gegen die mit der Ampel-Mehrheit beschlossene Wahlrechtsreform geklagt. Hintergrund war vor allem eine befürchtete Benachteiligung der CSU. Mit der Reform soll die Größe des Bundestags auf 630 Abgeordnete begrenzt werden. Ihr waren jahrelange Diskussionen und Reformversuche vorangegangen.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/apo
Copyright (c) 2024 Dow Jones & Company, Inc.