US-Notenbank richtet sich zu sehr nach Arbeitsmarktdaten
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Gastbeitrag des Guidants-Experten Dr. Bost
Dies ist primär darauf zurückzuführen, dass die US-Notenbank ihre Zinspolitik zumindest offiziell sehr stark an diesen Daten ausrichten will.
Bedenkt man jedoch, wie stark die Arbeitsmarktdaten schwanken, wie sehr sie im Nachhinein korrigiert werden und wie schwach die Aussagekraft der Statistik bereits in ihrer Erstellung ist, so stellt sich natürlich die Frage, ob sie überhaupt einen Einfluss auf die Entwicklung am Aktienmarkt haben können. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass Arbeitsmarktdaten grundsätzlich Spätindikatoren sind und stets am Ende eines Zyklus ihr Hoch oder Tief erreichen, während der Aktienmarkt selbst ein Frühindikator ist. Haben die Arbeitsmarktdaten im Mai noch enttäuscht, haben sie im Juni positiv überrascht und die beiden Vormonate wurden um 47000 Stellen nach oben revidiert.
Bereits zu den Erhebungsmethoden in den USA könnte man mehrere Seiten lang kritisch Stellung nehmen. Verzichten wir aber darauf, konzentrieren wir uns auf die Frage der Auswirkungen der vorhandenen Statistiken auf den Aktienmarkt.
Es ist bereits bemerkenswert, dass US Statistiker unterscheiden zwischen der offiziellen Arbeitslosenquote und der so genannten U6 Arbeitslosenquote, welche derzeit noch bei 8,6 Prozent liegt.
In den letzten Monaten wurde daher verstärkt der Partizipationsrate Beachtung geschenkt, lässt diese doch erkennen, dass sich immer mehr potentielle Arbeitnehmer aus dem Markt verabschieden. Dies kann demographisch bedingt sein, die Arbeiter können entmutigt sein, sie können andere Einkommensquellen erschlossen haben oder aber vielleicht sind sie auch ganz einfach mit ihrem Status quo zufrieden, wie auch immer dieser aussehen mag.
Derzeit liegt die Partizipationsrate auf dem tiefsten Stand seit 40 Jahren, bei 62,8 %.. Dies erschwert natürlich die Entscheidung der US-Notenbank, wann sie von einer Vollbeschäftigung bzw. inflationären Impulsen durch eine knappe Ressource zur Arbeit ausgehen muss.
In der Vergangenheit war die Marke von 4,3 % Arbeitslosigkeit mit einer gewissen Signalwirkung ausgestattet. Einerseits muss ab diesem Zeitpunkt mit wieder anziehenden Arbeitskosten gerechnet werden, kann doch von einer gewissen Knappheit am Arbeitsmarkt ausgegangen werden. Dies wiederum würde auf die Gewinnmargen der Unternehmen Druck ausüben.
Darüber hinaus lässt sich statistisch belegen, dass die Aktienmärkte beim unterschreiten dieser Quote nur noch eine durchschnittliche Jahresperformance von einem Prozent erreichen, während zum Beispiel bei Arbeitslosenquoten von über 6 Prozent noch sehr 13 Prozent durchschnittliche Kursgewinne erzielt werden.
Die Aktienkurse steigen also deutlich schneller, wenn die Arbeitslosenquote höher ist als wenn sie auf dem aktuellen Niveau liegt, kann im ersteren Fall doch mit der Unterstützung der Notenbank gerechnet werden, während wie auch jetzt erkennbar ist, eine Quote von 4,3 % und niedriger die Notenbank zu einer restriktiveren Geldpolitik herausfordert. Das Kongressbüro errechnet in diesem Zusammenhang die Größe NAIRU.
Überschreitet die Arbeitslosenquote dieser Größe ergeben sich daraus tendenziell disinflationäre Entwicklungen, unterschreitet die Quote dieser Größe so ist bei einem unterschreiten von 0,8 % mit einer deutlichen Beschleunigung der Inflation zu rechnen. Aktuell liegt die Größe bei -0,3 %. Größere Korrekturen am Aktienmarkt finden in der Regel auch nur statt wenn diese Größe bei mindestens -0,65 % liegt.
Die aktuelle Lage ist also bereits grenzwertig, ein stärkeres Verkaufssignal wurde aber noch nicht gegeben.
Vielleicht bekommen wir ja Inflation über die Löhne, wenn der Fachkräftemangel größer wird.
Richtig! Die FED orientiert sich vorrangig an U3, vielleicht an U6 und viel zu wenig an der Partizipationsrate und der Einkommensentwicklung.
In Deutschland verdienen 2/3 aller Erwerstätigen von ca. 45 Millionen weniger als 30.000 Euro Brutto im Jahr. Das sind 27 Mio Menschen.
In Amerika ist das Verhältnis ähnlich.
Und jetzt die alles entscheidende Frage:
Wo soll Inflation herkommen, wenn mindestens 60 Prozent der Bevölkerung stagnierende und eher sinkende Einkommen haben? Wo sollen Konsum- und dann auch Investitionssteigerungen herkommen, wenn mindestens 60 Prozent der Bevölkerung sich bereits in einer Rezession befinden?
Die FED kann noch sehr lange auf Inflation und Wirtschaftswachstum warten