Kommentar
10:10 Uhr, 26.07.2024

US-Notenbank: Hat sie den optimalen Zeitpunkt für Zinssenkungen schon verpasst?

Wie schnell sich das Blatt doch wenden kann. Noch vor wenigen Wochen wollte die Fed Zinserhöhungen nicht mehr ausschließen, jetzt kann es einigen wenigen Notenbankern mit Zinssenkungen nicht mehr schnell genug gehen. Wieso?

Betrachtet man nur die Zinsentscheide der Fed, erwecken diese den Eindruck, dass die Harmonie unter den Notenbankern nicht größer sein könnte. Die Entschlüsse fallen seit langer Zeit einstimmig. Hört man hingegen dem zu, was Notenbanker zwischen den Entscheiden sagen, ist von Harmonie wenig zu spüren.

Einige Notenbanker verweisen vermehrt auf den realen Leitzins. Dieser steht bei 2,35 %. Dieser stand zuletzt kurz vor Beginn der Finanzkrise höher. Die Monate in diesem Jahrtausend, in dem der reale Leitzins höher stand, lassen sich fast an zwei Händen abzählen. Im Vergleich zur jüngeren Geschichte ist der Leitzins hoch. Ist der reale Leitzins hoch, fällt die Inflation und umgekehrt (Grafik 1).

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Die Inflation wird auch in den kommenden Monaten weiter zurückgehen. Bleibt der Leitzins, wo er ist, steigt der Realzins fast automatisch auf 3 %. Das ist selbst in der gesamten Historie seit 1957 ein hoher Wert. Einige Notenbanker vermuten daher, dass das restriktive Niveau des Leitzinses unterschätzt wird. Andere, darunter Jerome Powell, machen sich wiederum um den Arbeitsmarkt Sorgen.


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Woher die Sorgen genau kommen, hat Powell bisher nicht verraten. Man kann es aber vermuten. Die Arbeitslosenrate nähert sich der natürlichen Arbeitslosenrate, die als nicht inflationär gilt. Die Arbeitslosenrate ist von diesem neutralen Niveau nicht mehr weit entfernt (Grafik 2). Auch wenn es Unsicherheit darüber gibt, wo das neutrale Niveau genau liegt, ist es eine Art magische Grenze für die Gesamtwirtschaft. Das Niveau entspricht einer Art Kipppunkt.

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Stieg die Arbeitslosenrate in der Vergangenheit über das neutrale Niveau, waren Rezessionen nicht mehr fern. Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich zunächst und dreht dann in den negativen Bereich (Grafik 3). Es gibt Gründe dafür, weshalb die US-Wirtschaft derzeit langsamer wächst als 2023. Mit der Erstveröffentlichung des Wachstums im zweiten Quartal zeigt die US-Wirtschaft aber gegenüber dem ersten Quartal einen Rebound. Nach 1,4 % Wachstum im ersten Quartal, sind es im zweiten 2,8 %.

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Dennoch: Dreht der Arbeitsmarkt erst, ist es der Fed bisher nur sehr selten gelungen, den Trend zu stoppen. Man muss dafür schon in die 50er-Jahre zurückgehen. Der optimale Zeitpunkt für eine Zinssenkung könnte schon verpasst worden sein. Zinsveränderungen wirken mit mehreren Quartalen Verzögerung.

Das klingt zugegebenermaßen wie eine schlechte Neuigkeit. Nur, weil der optimale Zeitpunkt verpasst wurde, ist der Zeitpunkt nicht automatisch schlecht. Grundsätzlich sind US-Konsumenten in guter Verfassung. Eine Rezession ist nicht gleich zu befürchten. Ebenso hat die Fed die Option, die Zinsen in großen Schritten zu senken, wenn es sein muss. Dass der optimale Zeitpunkt verpasst wurde, spricht nach aktuellen Stand für eine Wachstumsdelle in den kommenden Quartalen, nicht für eine Rezession.

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2 Kommentare

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  • Dirk69
    Dirk69

    Es wäre von der FED unklug noch vor den US-Wahlen die Zinsen zu senken. Denn sollte Trump die Wahlen gewinnen, wonach es auch aktuell noch aussieht, dann wird die Inflation wieder zügig ansteigen - denn Trump wird auf Importe die Zölle stark anziehen, wodurch sich vieles verteuert und die Inflation angeheizt wird.

    14:07 Uhr, 26.07.
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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