Kommentar
08:56 Uhr, 17.08.2022

US-Aktienmarkt: Was Anleger noch begreifen müssen

Wir haben zuletzt an der Börse, besonders in den USA, eine ähnliche Situation gehabt wie Ende 2018 und besonders wie zurzeit des "Corona Crash" im März 2020.

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  • Nasdaq-100
    ISIN: US6311011026Kopiert
    Kursstand: 13.635,21 Pkt (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Nasdaq-100 - WKN: A0AE1X - ISIN: US6311011026 - Kurs: 13.635,21 Pkt (Nasdaq)

Beide Male ging es scharf runter, 2018 um ziemlich genau -20 % und 2020 sogar um etwa -35 %. Und beide Male kam es danach zur V-Erholung. Dies hatte auch seine (guten) Gründe.

2018 war die US-Notenbank geldpolitisch zu restriktiv und "crashte" den Markt. Als sie das bemerkte, kam quasi an Heiligabend der U-Turn, die 180°-Wende in der Geldpolitik. Daher fing sich der Markt und stieg anschließend deutlich.

Ähnlich, nur noch extremer, war es 2020. Die Covid-19-Pandemie kam für alle ziemlich überraschend. Da die Staaten ihre Wirtschaft zum Schutz ihrer Bürger lahmlegten, kam es zum "Crash". Die Geldpolitik reagierte darauf mit einer so noch nie da gewesenen geldpolitischen Lockerung. So hätte man seinerzeit im Jahr 1929 auch reagieren müssen und es hätte die damalige Weltwirtschaftskrise wohl nicht gegeben.

Anschließend blieb die Geldpolitik der Fed zu lange locker, aber hinterher lässt sich natürlich immer schlau daher reden. Immerhin hat die Fed ihren Fehler - wenn auch spät - erkannt und dann konsequent gehandelt. Anders als beispielsweise die EZB, aber auch das ist ein anderes Thema. Worum es mir eigentlich geht, ist Folgendes:

2018, 2020, 2022 - die Unterschiede in der Geldpolitik

2018 hat die Fed einen Fehler gemacht, in dem sie die Geldpolitik zu sehr gestrafft hat. Sie hat den Fehler erkannt und wurde wieder locker. Darum kam es zur V-Erholung.

2020 war 2018 hoch zehn. Zwar war die Fed nicht zu straff in ihrer Geldpolitik. Aber die Covid-19-Pandemie kam über die Welt. Darauf reagierten fast alle Staaten der Welt, natürlich auch die USA. Die Fed erkannte die Probleme und wurde in ihrer Geldpolitik ultralocker. So kam es zu einem ganz großen V.

Genau darin liegt aber jetzt der Unterschied. Die Fed betreibt eine Straffung ihrer Geldpolitik. Dadurch ging es auch im ersten Halbjahr 2022 stark down. Nun aber wetten die Anleger darauf, dass die Fed mit ihrer Straffung nahezu fertig ist und bald wieder locker wird. Sie sehen die Situation also ähnlich wie 2018 und 2020.

Wirtschaft kann nicht ausreichend abkühlen, um das Inflationsziel zu erreichen

Das kann, wenn alles perfekt läuft, natürlich so kommen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist aber leider gering. Durch die irren Wetten der Bullen wird sie zudem noch geringer.

Denn wie bitte soll die Wirtschaft abkühlen, wenn a) der Arbeitsmarkt nach wie vor "very hot" ist und die Anleger mit der durch sie initiierten Kursrally die Financial Conditions zuletzt wieder deutlich gelockert haben. Das ist schlicht und einfach nicht möglich, es widerspricht dem gesunden Menschenverstand.

Das zeigten auch die Daten zuletzt. Ja, die Verbraucherpreise sind gesunken, sie steigen jetzt aufs Jahr hochgerechnet "nur" noch mit +8,5 %. Ja, die Daten von Juni auf Juli waren richtig gut, denn da gab es gar keine Inflation mehr (+0,0 %).

Nur: Die Lebensmittelpreise stiegen beispielsweise immer noch mit aufs Jahr hochgerechnet über +14 %. In letzter Konsequenz hat quasi nur der fallende Ölpreis, der Energie (und das Tanken) günstiger gemacht hat, für diese "guten" Daten gesorgt. Ohne den fallenden Ölpreis hätte es ganz anders ausgesehen.

Jetzt kann der Ölpreis natürlich weiter fallen. Er war ja zuvor auch stark gestiegen. Grundsätzlich zeigt ein fallender Ölpreis jedoch meistens auch wirtschaftliche Probleme an. Aber schieben wir das mal beiseite. Halbiert sich der Ölpreis nochmal, könnte auch die Inflation in den USA noch deutlich weiter sinken.

Trotz allem wird aber ein fallender Ölpreis allein nicht ausreichen, die US-Inflation wieder auf das Ziel der Fed von etwa zwei Prozent zurückzubringen. Bisher ging ich davon aus, dass die Anleger an der Zinsfront schon zu viel eingepreist hätten, aber QT unterschätzen würden. QT wird von der Fed jedoch leider gar nicht voll umgesetzt, was ein Vabanquespiel ist. Denn es mag kurzfristig die Märkte stützen, aber zerstört längerfristig das Vertrauen in die Fed.

Aktienmarkt preist unrealistisch niedriges Zinsniveau ein

Inzwischen muss ich jedoch davon ausgehen, dass an der Zinsfront eher zu wenig eingepreist wurde. Selbst wenn sich der Ölpreis nochmal deutlich nach unten bewegen würde, dürfte die Inflationsrate in den USA bestenfalls auf vier bis fünf Prozent sinken. Demnach bräuchte es auch einen Leitzins, eine Fed Funds Rate, von vier bis fünf Prozent. Sobald die Anleger das merken, wird es kritisch.

Alternativ könnte die bisherige geldpolitische Straffung natürlich auch noch stärker wirken als ich denke. Wäre das jedoch der Fall, würde es gefährlich. Denn hält die Fed dann zu lange an ihrem geldpolitisch hawkischen Kurs fest, würde sie die US-Wirtschaft in eine härtere Rezession schicken, verbunden mit Deflation. Mit Geld drucken würde man auch aus dieser deflationären Krise kommen, keine Frage. Aber sowas dauert in der Regel seine Zeit. Obwohl nach dem "Corona Crash" sehr stark und sehr schnell gehandelt wurde, kam es eben erst einmal zu diesem Crash. Erst einige Wochen später begann dann die V-förmige Kurserholung.

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Im vorliegenden Fall wird die Fed kaum so stark und so schnell handeln können. Am Ende würde sie zwar wieder gewinnen, aber bis dahin kann es einige Wochen oder sogar Monate dauern. Die Anleger an der Börse wetten jedoch heute schon darauf, dass es a) überhaupt dazu kommt sowie b) die Fed dann doch sehr stark/sehr entschlossen und vor allen Dingen sehr schnell handeln wird. Das kann man natürlich tun, letztlich ist Börse immer Spekulation (auf die Zukunft) und diese Spekulation ist legitim. Allerdings stellt sich eben auch die Frage, wie wahrscheinlich das ist. Zumal die FOMC-Mitglieder zuletzt quasi täglich die Anleger gewarnt haben und weiter warnen, dass sie nicht zu euphorisch sein sollten.

Die Fed agiert dieses Mal anders als 2018 und 2020

Anleger scheinen also erst noch begreifen zu müssen, dass das Regime der US-Notenbank in 2022 ein anderes ist wie 2018 oder 2020. Seinerzeit hatte die Fed eine größere Korrektur (2018) selbst verschuldet bzw. über Nacht eine veritable Krise ("Covid-19-Pandemie") an der Backe. Beide Male konnte sie stark und schnell handeln. Dies wird 2022 so eher nicht funktionieren.

Kommt es zu keiner Krise, kann die Fed problemlos ihren Kurs der geldpolitischen Normalisierung (Straffung) durchziehen.

Kommt es jedoch zu einer Krise, mag sie geldpolitisch etwas weniger hawkish werden. Aber wie möchte man den Amerikanern, die zuletzt unter der hohen Inflation gelitten haben, einen erneuten U-Turn zur "Rettung" der Wall Street verkaufen. Das wird kaum funktionieren.

Aber klar, man kann das anders sehen und darauf "wetten". Wie eingangs erwähnt, gewinnt man dann im Zweifel den Jackpot. Wenn aber nicht, wird man - sofern man nicht rechtzeitig rauskommt - viel Geld oder sogar alles verlieren.

Ein Tief am Aktienmarkt fehlt noch!

Ich gönne den Bullen ihre derzeitige Freude und ihre Gewinne. Aber zu euphorisch sollte man nicht werden. Denn das Regime der US-Notenbank ist dieses Mal ein anderes als 2018 oder 2020. Wenn die Anleger dies erkennen... ist es für Gewinnmitnahmen wohl zu spät. Dann kann es nämlich im Zweifel sehr schnell (down) gehen. Ich denke unverändert, dass der Mann mit dem Hammer nochmal kommen muss - und wird. Ein Tief fehlt nämlich noch. Optimalerweise läge dies um 10.000 Punkte im Nasdaq-100 Index.

Ob ich am Ende richtig liege oder nicht, wird uns der Markt und die Zeit zeigen. Wenn dem aber so sein sollte, ist eins auch klar: Dieses nächste, noch fehlende, Tief sollte man kaufen. Auch ich bzw. wir - im TAK - werden das tun!!

Ansonsten aber bleibt es dabei, dass man sich zurzeit den irren Bullen ("Rinderwahnsinn") keinesfalls in den Weg stellen sollte. Sonst wird man überrannt.

An der Börse geht es am Ende zudem nie um Recht haben oder nicht, sondern um Geld. Es nützt wenig, wenn man mit Shorts alles verzockt hat - und der Markt dann, wenn man nichts mehr hat, doch noch crasht. Dann hat man am Ende zwar Recht, aber trotzdem kein Geld mehr.

John Maynard Keynes formulierte das so: "Märkte können länger irrational bleiben als Du liquide!".

Genug geschrieben - wer mit mir am Börsen-Ball bleiben will, sollte meinen Trading-Service "TAK" testen! Tech-Aktien und Kryptowährungen sind mein Spezialgebiet.

Sascha Huber

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Über den Experten

Sascha Huber
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Experte für Kryptowährungen

Sascha Huber, Jahrgang 1978 und wohnhaft in Trier, gilt als profunder Kenner der Hightechbranche. Als solcher erkannte er als einer der Ersten das große Potenzial von Aktien wie Amazon.com, Apple sowie zuletzt Facebook oder Tesla Motors. Zwischen 2010 und 2014 arbeitete er als Chefredakteur eines Börsenbriefs, der im Oktober 2014 übernommen wurde. Huber gilt als profunder Kenner von Kryptowährungen wie dem Bitcoin, Ether und Ripple. Auf stock3 betreut er sehr erfolgreich den "Technologie-Aktien & Krypto Trading-Service".

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