Und täglich grüßt das griechische Murmeltier…
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Sie kennen doch bestimmt die US-Filmkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“, in der der Hauptdarsteller von einem bösen Zauber befallen wird. Er sitzt in einer Zeitschleife fest und erlebt alptraumhaft immer wieder denselben Tag, der jeden Morgen um 6 Uhr mit dem Ertönen des Radioweckers beginnt. Entfliehen kann er ihr zunächst nicht. Zum Schluss kommt es natürlich - wie in jedem anständigen amerikanischen Film - zum Happy End. Der Zauber wurde gebrochen und die Zeitschleife löst sich auf.
Wenn man um ein Problem herum redet
Diese Filmdramaturgie passt wunderbar auf Griechenland, aber im Mikrokosmos auch auf mich. Denn auch ich stehe morgens um 6 Uhr vom Wecker geweckt auf und durchlaufe als Kapitalmarktanalyst alltäglich die identische Zeitschleife des griechischen Schuldenalptraums, ohne dass eine wirkliche Lösung absehbar wäre. Irgendeine Rating-Agentur wird die Griechen bestimmt wieder abstufen. Auch wird sich bestimmt wieder irgendein Politiker oder Wirtschaftswissenschaftler medienwirksam mit einem Lösungsvorschlag zur Schuldenkrise melden, der dann bestimmt wieder genauso als der Anfang vom Ende des christlichen Abendlandes dargestellt wird. Und - wenig originell - wird auch bestimmt wieder irgendwo in Griechenland gestreikt werden.
Die politische Krise in Athen ist ohnehin ein Evergreen. Jetzt wird die Regierung umgebildet. Das ist nur alter Wein in neuen Schläuchen. Für mich ist es frustrierend, dass es dort nicht zu einer großkoalitionären Regierung kommt, um die griechischen Probleme mit vereinten Kräften anzugehen. Aber man könnte sich ja als Oppositionspartei durch das Mittragen von Sparbemühungen beim Volk unbeliebt machen. Dann doch lieber aus der gesicherten Deckung weiter mit Dreck werfen. Früher sprach man noch von harten Oppositionsbänken, da man nicht regieren durfte. Heute sind es wohl eher äußerst bequeme, gut gepolsterte Sportsitze, da man nicht regieren muss. Bitte lehnen Sie sich entspannt zurück und danken sie ihrem Schöpfer, dass sie keine politische Verantwortung übernehmen brauchen. Müssen erst die Ungeheuer der griechischen Mythologie wieder erscheinen, um einen politischen Zusammenhalt in Athen zu erreichen?
Wenn man sich nur Zeit erkaufen will
Ich kann dieses politische Kabarett nicht mehr ertragen. Sicherlich verstehe ich als Rheinländer viel Spaß. Aber auch ich sehne mich nach einer klaren politischen Strategie für Griechenland. Ich will Therapie und nicht nur Diagnose. Doch scheint dazu selbst die unter Meinungsstreit leidende Euro-Familie kaum mehr fähig zu sein. In früheren Zeiten hätten die Stammesältesten aus Frankreich und Deutschland noch alles unternommen, um die griechische Kuh vom Eis zu bekommen.
Wird die nächste Woche also die griechische Woche, in der die Euro-Verantwortlichen bereit sind, der Kuh das Seil umzulegen und gemeinsam zu ziehen, um sie vor dem Erfrierungstod zu bewahren? Ich denke man wird sich zumindest sehr zügig auf die Auszahlung der nächsten Tranche des ersten griechischen Rettungspakets von 12 Mrd. Euro einigen können. Dann ist bis September Ruhe im Karton. Als „Gegenleistung“ werden die Griechen nibelungenfest schwören, noch mehr zu sparen und ihr Tafelsilber zügig abzugeben. Über die Werthaltigkeit dieses Schwurs braucht man sich ja zunächst keine Gedanken zu machen.
Wenn man sich um die richtige Therapie drückt
In punkto eines neuen Rettungspakets für Griechenland muss eine Grundsatzerklärung, die die konkreten Details eines neuen Rettungspakets mindestens bis Juli, lieber noch wegen der Ferien bis September, vertagt, vorerst reichen. Immerhin brauchen ja auch noch andere, z.B. französische Banken, ähnlich wie die deutschen, Zeit, um ihre Engagements in griechischen Staatsanleihen zurückzuführen. Dann ist auch das ärgerliche Thema ihrer Beteiligung bei der Lösung der griechischen Schuldenkrise mangels Masse vom Tisch. Die damit verbundenen Tränen aus dem verlustreichen Verkauf dieser Papiere lassen sich durch den gleichzeitigen Kursanstieg der Ausfallinstrumente (CDS), in die man investierte, zumindest teilweise trocknen.
Wenn das griechische Murmeltier täglich weiter grüßt
Das klare Angehen des Basisproblems der Griechen, d.h. ihre mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, kann man dann irgendwann später immer noch besprechen. Wir wissen noch nicht, was wir da tun sollen, also kaufen wir uns erst einmal Zeit. Der Kongress hat mal wieder getanzt.
Damit bleibt uns die Endlosschleife der griechischen Schuldentragödie erhalten. Auf das Happy End, morgens um 6 Uhr aufzustehen und zu wissen, dass sich etwas in die richtige Richtung bewegt, werde ich wohl noch warten müssen. Ach ja, und auch morgen gibt es in der Kantine wieder Gyros.
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:
http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.