Kommentar
12:56 Uhr, 21.08.2015

Tesla: Wenn die Gesetze der Schwerkraft nicht gelten

Tesla kündigt eine Kapitalerhöhung an. Was macht die Aktie? Sie steigt. Das ist genau das Gegenteil dessen, was normalerweise passiert.

Tesla will neue Aktien im Wert von 500 Mio. USD ausgeben. Eine halbe Milliarde ist viel, aber verglichen mit der Marktkapitalisierung des Unternehmens auch wieder nicht so viel. Tesla ist derzeit 30 Mrd. USD wert. 500 Mio. sind im Vergleich dazu gerade einmal 1,7%. Mit anderen Worten: die Verwässerung hält sich in Grenzen.

Gibt ein Unternehmen neue Aktien aus, dann verwässert das den Anteil, den bestehende Aktionäre halten. Eine Verwässerung von 1,7% ist vergleichsweise wenig. Aktionäre müssen den Gewinn – so Tesla überhaupt einmal Gewinne schreibt – mit neuen Aktionären teilen. Nehmen wir an, dass Tesla einen Gewinn von 10 USD pro Aktie erwirtschaftet. Das ist vor der Kapitalerhöhung. Nach der Kapitalerhöhung sinkt der Gewinn je Aktie auf 9,83 USD. Das ist verkraftbar.

Durch den geringen Verwässerungseffekt erklärt sich auch, weshalb die Aktie von Tesla nach der Ankündigung nicht wesentlich größere Verluste auswies. Auf Wochensicht stieg der Kurs sogar. Anleger reagierten tendenziell positiv auf die Ankündigung. Vermutlich hatten Investoren mit einer deutlich größeren Kapitalerhöhung gerechnet.

Seit Mai 2015 gab es Hinweise auf eine Kapitalerhöhung. Diese Hinweise waren kein Geheimnis. Jeder, der in die Bilanz des Autobauers schaut, erkennt sofort, dass Tesla Geld braucht. Tesla schreibt nach wie vor hohe Verluste. Grafik 1 zeigt die Größenordnung.

Seit Tesla Bilanzzahlen veröffentlicht gab es bisher lediglich ein einziges Quartal, indem ein Gewinn ausgewiesen werden konnte. Der Gewinn betrug im ersten Quartal 2013 ungefähr 11 Mio. USD. Seitdem schreibt der Konzern Verluste – und das nicht zu knapp. Quartal um Quartal liegt das Minus im Bereich von 50 bis 150 Mio. Tesla verbrennt derzeit also noch ziemlich viel Cash.

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Im Mai nannte Morgan Stanley die Cash Verbrennungsrate atemberaubend. In einem normalen Quartal verbrennt Tesla zwischen 300 und 400 Mio. an Cash. Wenn das in diesem Tempo weitergeht, dann reicht die Kapitalerhöhung von 500 Mio. nicht aus, um Teslas Kapitalbedarf zu decken.

Grafik 2 zeigt die Entwicklung von Teslas Vermögenswerten und Verbindlichkeiten. Die Vermögenswerte sind dabei in Cash und andere Vermögenswerte unterteilt. Geht man nun von einer unverändert hohen Verbrennungsrate aus, dann braucht Tesla spätestens Mitte 2017 wieder frisches Geld. Dieses muss nicht notwendigerweise durch eine Kapitalerhöhung aufgenommen werden. Tesla könnte auch Kredite aufnehmen oder Anleihen ausgeben.

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Die Aufnahme neuen Kapitals über die Börse ist wahrscheinlich. Analysten gehen zwar davon aus, dass Tesla bereits 2016 einen Gewinn schreiben könnte, doch das erscheint etwas optimistisch. Teslas Umsatzwachstum wird weiterhin hoch sein. Dafür werden allein die neuen Modelle sorgen. Das Modell X soll ab Anfang 2016 ausgeliefert werden. Ein Jahr später könnten die Lieferungen des Kleinwagenmodells beginnen. Das kann für einen erneuten Wachstumsschub sorgen. Bevor es jedoch zu einer Wachstumsbeschleunigung kommt, muss erst einmal viel Geld investiert werden. Die Verluste dürften sich in den ersten Monaten nach Verkaufsbeginn noch einmal ausweiten.

Tesla CEO Elon Musk geht selbst davon aus, dass die Firma vor 2020 keinen Gewinn schreiben wird. Analysten teilen diese Einschätzung ganz und gar nicht. Sie trauen dem Unternehmen bereits 2017 einen Gewinn von knapp 500 Mio. zu. Das steht der Selbsteinschätzung des Unternehmens diametral gegenüber. Beides kann nicht zutreffen.

Anleger haben möglicherweise eine hehre Enttäuschung vor sich. Tesla legt derzeit überhaupt keinen Wert auf Profitabilität. Es geht um Expansion und Investition. Anleger können nur hoffen, dass der Plan aufgeht. Er ist risikoreich. Keiner weiß, ob sich die Investitionen jemals auszahlen werden, denn es geht nicht nur um den Erfolg von Tesla als Autobauer. Tesla expandiert mit der Gigafactory in den Energiemarkt, wo das Unternehmen dezentrale Energieversorgung über Batterien anbieten will. Wenn das funktioniert und der Plan aufgeht, dann ist das eine Goldgrube. Geht der Plan schief, dann ist Tesla ziemlich schnell bankrott.

Teslas Plan muss funktionieren. Einen Zwischenweg gibt es nicht. Sollten Anleger Zweifel am Erfolg der Strategie hegen, dann kann es sehr schnell gehen. Bei einer so hohen Cash Verbrennungsrate ist ein Unternehmen nur überlebensfähig, wenn Banken und Investoren bei erhöhtem Kreditbedarf und Ausgabe neuer Aktien dem Unternehmen das Geld hinterherschmeißen. Hört der Kapitalstrom auf, weil die Zuversicht fehlt, dann geht Tesla innerhalb kurzer Zeit das Geld aus und muss Insolvenz anmelden. Elon Musks Plan muss also aufgehen.

Persönlich finde ich die Idee von Elon Musk gut. Ob sie Erfolg hat ist noch äußerst fraglich. Das Unternehmen ist bereits sehr hoch bewertet. Trotz guter Story ist der Preis momentan zu hoch. Bei einer Halbierung des Preises kann man über einen Einstieg nachdenken.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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