Kommentar
12:36 Uhr, 28.06.2013

Tapering the Tapering oder die Rainmaker bleiben den Finanzmärkten treu

Die nur verhaltene US-Wirtschaftserholung lässt der US-Notenbank keine andere Wahl, als ihre grundsätzliche Liquiditätsstütze aufrecht zu erhalten. Entsprechend äußerten sich auch zuletzt maßgebende Stimmen aus den Reihen der Fed über die Zukunft der Anleiheaufkäufe.

Die Neuauftragskomponente des ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe lag zuletzt klar unter der Expansionsschwelle von 50. Die US-Auftragseingänge für zivile Kapitalgüter - ein Indikator für die Investitionsneigung der Privatwirtschaft - zeugen noch nicht von einer aus früheren Aufschwungzyklen bekannten Robustheit.

Und auch der US-Immobiliensektor - zuletzt ein wesentlicher Stabilisierungsfaktor für die US-Wirtschaft - ist nicht unantastbar. Denn die intensive Diskussion über das sog. „Tapering“ hat die US-Hypothekenzinsen seit Mai von 3,4 auf 4,4 Prozent ansteigen lassen. Das wirkt sich negativ auf die Erschwinglichkeit und damit kontraproduktiv auf den Absatz und die Preisentwicklung aus.

Grafik der Woche: Erschwinglichkeit beim US-Hauskauf

Auch die letzten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt zeugen noch nicht von einer nachhaltig stabilen US-Konjunkturentwicklung.

Insgesamt dürfte sich Fed-Chef Bernanke in punkto Abschwächung des Anleiheaufkaufprogramms zukünftig wohl etwas zurückhaltender äußern. Es gilt, die negativen realwirtschaftlichen Effekte einer, wenn auch bislang nur verbalerotischen Renitenz der US-Notenbank im Auge zu behalten.

Kollateralschäden für die Emerging Markets

Selbst der konjunkturelle Gegenwind für die Emerging Markets nimmt zu. Der von der Citigroup veröffentlichte Economic Surprise Index der Schwellenländer - er misst die positiven sowie negativen Abweichungen tatsächlicher Wirtschaftdaten von ihren Konsensschätzungen - ist seit Jahresbeginn deutlich abwärtsgerichtet. Die großen Schwellenländer können offensichtlich nicht mehr an die hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre anknüpfen. Die Abebbung der Exporterfolge und der zeitintensive Aufbau der Binnenkonjunktur sind hierfür verantwortlich.

China - Kreditklemme im Kreditsumpf?

Den negativen Trend verstärkt, dass Kreditblasen mittlerweile nicht nur ein „Privileg“ westlicher Staaten sind. Auch China hat ihre Bekanntschaft gemacht. Die Misswirtschaft chinesischer Banken mit ihrer exzessiven und zu leichtfertigen Kreditvergabe bei mangelnder Verwendungskontrolle hat zu einer steigenden Anzahl ausfallbedrohter Kredite geführt. Aufgrund einer vergleichsweise restriktiveren Zentralbankpolitik hatte zuletzt die Interbankenrefinanzierung dramatisch zugenommen. Die Kreditblase und das steigende Misstrauen der Banken untereinander haben jedoch den chinesischen Interbankenmarkt zwischenzeitlich praktisch zum Erliegen gebracht. Denn in der Spitze stiegen die Zinsen auf knapp 11 Prozent, wie zuletzt nach der Lehman-Pleite und im Zuge der „hard landing“-Sorgen im 2. Halbjahr 2011. Chinas Bankensektor geriet in die Kreditklemme.

Die People’s Bank of China hat den Ernst der Lage aber erkannt und wird auch angesichts kurzfristig aufwärtsgerichteter Ausfallprämien chinesischer Staatsanleihen über die Bereitstellung von ausreichend Liquidität stabilisierend eingreifen. Nichts fürchtet China mehr als ein Platzen der Kreditblase mit unkontrollierbaren sozialen Verwerfungen.

Was bedeutet China für die deutsche Wirtschaft?

Nicht zuletzt würde eine Wirtschaftsschwäche in China auch konjunkturelle Bremsspuren in der deutschen Wirtschaft hinterlassen. Der deutschen Exportindustrie geht es deshalb verhältnismäßig gut, weil insbesondere China die Aorta für z.B. unsere Auto- und Maschinenbauer ist. Noch zeigt sich die deutsche Industrie allerdings verhältnismäßig robust. So konnten die ifo Geschäftserwartungen nach einer Stabilisierung im Vormonat zuletzt sogar weiter - wenn auch nur leicht - zulegen.

Setzt man die ifo Geschäftslage und -erwartungen gemäß den vier Phasen eines Konjunkturzyklus zueinander in Beziehung, bewegt sich die deutsche Wirtschaft - wenn auch nur leicht - wieder in einen Boom hinein und folgt damit nicht dem klassischen Wirtschaftszyklus, wonach dem Abschwung jetzt die Rezession folgen müsste.

Die „Tapering“-Diskussion kann auch eine gewisse geopolitische Tragweite nicht verleugnen. Ob gewollt oder ungewollt, die USA sind auf der Finanzmarktebene immer noch die (Finanz-) Weltmacht Nr. 1, deren Pfeife auch die Emerging Markets Ernst nehmen müssen.

Denn mit Blick auf die von der US-Notenbank geschürten Zinsängste ist eine zunehmende Risikoaversion und ein gewisser Repatriierungseffekt aus den Schwellenländern in die etablierten Kernmärkte der Industriestaaten seit Mai unübersehbar. So verzeichneten US- sowie deutsche Aktien zuletzt vergleichsweise moderatere Kursverluste als Brasilien, Russland, Indien und China. Die markante Korrektur am japanischen Aktienmarkt scheint zudem ihren Boden gefunden zu haben.

Der Bach der EZB könnte zum reißenden Fluss werden

Die Investoren scheinen also zweimal nachgedacht zu haben und zu realisieren, dass ein schnelles und intensives Ende der Liquiditätsschwemme nicht möglich ist, ohne Kollateralschäden an den Finanzmärkten oder der Realwirtschaft zu verüben: Die Fed wird Rainmaker bleiben und die Bank of Japan wird ihre bereits lockere Geldpolitik weiter dynamisieren.

In Euroland ist die Lage weiter prekär. Die Renditen italienischer und spanischer Staatsanleihen steigen weiter, was die Schuldentragfähigkeit der Länder erschwert. Die EZB sucht daher schon einmal vorbeugend nach Lösungen für den Ernstfall.

Das Aufkaufprogramm von Staatsanleihen prekärer Länder seitens der EZB (OMT) liegt zwar als Instrument bereit. Dieses Programm kann aber nur gestartet werden, wenn zu rettende Euro-Länder vorher einen Hilfsantrag beim Rettungsschirm ESM gestellt haben. Dies werden angeschlagene Länder jedoch aus politischen bzw. populistischen Gründen - siehe Spanien - ablehnen.

Ein Handicap ist auch, ob und inwieweit das Bundesverfassungsgericht das Anleihekaufprogramm der EZB als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Diesem Urteil will die EZB möglichst nicht vorgreifen. Eine praktikable Alternative wäre es jedoch, ein Kaufprogramm für Staatsanleihen der 17 Euro-Staaten insgesamt - jeweils nach der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder gewichtet - zu starten. Denn der EZB ist es gestattet, aus geldpolitischen Zwecken Anleihen aller Euro-Staaten zu kaufen. Beim ursprünglichen OMT würden dagegen nur einzelnen Staaten die finanziellen Vorteile gewährt, was zu Vorwürfen der einseitigen Staatsfinanzierung und damit zu rechtlichen Problemen führen könnte. So kämen auch deutsche Staatsanleiherenditen in den Genuss von Aufkäufen der EZB.

Damit würde die Fed ihr Quantitative Easing nach Euroland exportieren.

Zum 25. Geburtstag bietet der DAX weiteres Potenzial

Insofern haben deutsche Aktien - insbesondere nach der signifikanten Korrekturbewegung der letzten Woche - ihr Kurspotenzial aus fundamentaler Sicht noch nicht ausgeschöpft. Im Übrigen, rechnet man die Inflation auf Basis Februar 1991 heraus, ist der DAX noch 30 Prozent von seinem inflationsbereinigten Allzeithoch vom 7. März 2000 entfernt.

Betrachtet man zudem den reinen DAX-Kursindex - der bekannte DAX ist ein Performance-Index, der Dividenden berücksichtigt - ist er von seinen Höchstständen der Jahre 2000 und 2007/2008 noch weit entfernt. So beträgt der Abstand zum Allzeithoch im März 2000 aktuell gut 2160 Indexpunkte.

Grundsätzlich ist das Bewertungsniveau deutscher Aktien gegenüber ihrer Konkurrenzanlageklasse deutscher Staatsanleihen weiterhin günstig. Denn vergleicht man die Umlaufrendite mit der Gewinnrendite deutscher Aktien, fällt die anhaltende Überbewertung deutscher Staatstitel weiter auf.

Und das passiert in der 27. Kalenderwoche

In China dürfte der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe die verlangsamte Konjunkturdynamik der chinesischen Wirtschaft zum Ausdruck bringen.

In den USA klopfen die Anleger die anstehenden Wirtschaftsdaten auf mögliche Signale für eine Abschwächung von QE3 ab. Der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe dürfte sich nach der überraschenden Eintrübung im Vormonat stabilisieren und wieder auf Expansionskurs umschwingen. Ein besonderer Fokus liegt auf den anstehenden Daten vom US-Arbeitsmarkt. Eine unzweifelhafte Dynamik beim Arbeitsplatzaufbau sucht man jedoch vergeblich. Die „Tapering“-Befürchtungen dürften sich damit etwas abschwächen.

In Euroland dürfte die EZB auf der bevorstehenden Zinssitzung ihren offensiven Ton beibehalten, ohne jedoch zunächst weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen zu beschließen.

In Deutschland signalisieren unterdessen die Auftragseingänge in der Industrie eine sich allmählich bessernde Konjunkturlage.

Aus charttechnischer Sicht zeigt der Primärtrend des DAX nach oben. Unterstützung findet er bei 7840, am steigenden 200-Tage-Durchschnitt bei aktuell 7698 und darunter bei 7632 Punkten. Knapp darunter verläuft eine weitere Unterstützung bei 7600 Punkten. Wird auch diese unterschritten, sollte der Auffangbereich zwischen 7450 und 7400 Punkten Halt geben.

Auf dem Weg nach oben wartet der erste Widerstand in der Kurslücke zwischen 8085 und 8160 Punkten und darüber an der Barriere zwischen 8290 und 8300 Punkten.

Halvers Woche: Happy Birthday DAX und alles Gute für die nächsten 25 Jahre

Herzlichen Glückwunsch: Am 1. Juli 2013 wird unser aller DAX - der Deutsche Aktienindex - 25 Jahre alt. Da er mich mein gesamtes berufliches Leben wie ein Freund begleitet hat, möchte ich ihn würdigen. Dabei muss ich noch nicht einmal lügen, was man nicht bei jeder Laudatio behaupten kann.

Während man als Mensch mit 25 Jahren gerade mal flügge ist, hat der DAX in diesem Alter bereits Erfahrungen gesammelt, wie ein in die Jahre gekommener Popstar. Von Geburt am 1. Juli 1988 an wollte der DAX gemäß deutscher Gründlichkeit ein Musterschüler sein. Gute Anlagen hat man ihm ja auch mitgegeben. Seine 30 Werte - andere Aktienindices mit mehr Mitgliedern erfüllen oft nur Quantitäts-, aber nicht unbedingt Qualitätsansprüche - sollten durch regelmäßige - und wenn nötig außerordentliche - Anpassungen immer ein stimmiges Abbild der Bel Étage der deutschen Großindustrie sein: Nur die Unternehmen können Mitglieder im Börsen-Oberhaus sein, die nach den Kriterien Börsenumsatz und Marktkapitalisierung Spitze sind. Er atmet, er lebt.

Sinnvoll ist es, dass er die Dividenden mit berücksichtigt. Zwar steht das Thema Kursentwicklung von Aktien im Vordergrund. Jedoch sind Ausschüttungen untrennbarer Bestandteil des Aktienbesitzes. Die laufenden Erträge einer guten Mitgift lassen sich ja auch nicht leugnen.

Beim DAX haben wir es also mit einem modernen Index zu tun, dem gegenüber andere altehrwürdige Aktienindices fast als Dinosaurier gelten müssen.

Trotz Flegeljahren eine prachtvolle Erscheinung

Über die ersten 11 Jahre seines Lebens kann man sich nicht beklagen, stubenrein war der DAX von Anfang an. Aufgrund seiner Wertentwicklung in den Zeiten der Deutschen Wiedervereinigung, der Euro-Konvergenz oder der Globalisierung war seine Kinderzeit richtig schön. Dem Phänomen, das man bei Menschen Pubertät nennt, konnte sich aber auch der DAX nicht entziehen. Sie begann mit 12 - in den Iden des März 2000 - und endete mit 16 im Jahr 2003. Obwohl er dem schönen Schein der Dotcom-Bewegung viel fundamentales Sein entgegensetzten konnte, hieß es dennoch mitgehangen mitgefangen. In diesen schwierigen Lebensjahren hat er sich fast geviertelt.

Als er zum 20. Geburtstag von der Immobilienblase heimgesucht wurde, halbierte er sich immerhin nur noch. Die dritte Krise, die Euro-Krise, machte sich nur noch mit einem Drittel Kursverlust bemerkbar. Selbst Krisen nutzen sich irgendwann ab.

Zieht man zum Silberjubiläum nach 25 Jahren Bilanz, ist der DAX eine Erfolgsstory. Mit einer durchschnittlichen Jahresrendite von etwa acht Prozent, wovon 2,7 Prozentpunkte auf seine Dividendenrendite entfallen, braucht der DAX sich nicht zu verstecken. Und noch einen oben drauf, mit einer durchschnittlichen Performance nach Inflation von ca. 5,9 Prozent sind Anlagen in DAX-Aktien offensichtlich eine hervorragende Ersatzbefriedigung für Anleihen, die keine deutlichen Renditesteigerungen aushalten können, da ansonsten unsere überschuldete Finanzwelt kollabiert.

Der Blick auf das Goldjubiläum 2038

Auch vor den nächsten 25 Jahren ist mir nicht bange. Der DAX als Abbild der deutschen Großindustrie wird eine Erfolgsgeschichte bleiben. Amerikaner, Engländer, Araber, Chinesen und Russen lieben ihn regelrecht, da sie durch ihn in einem Aufwasch unsere großen Exportunternehmen abdecken können, die sie für das Beste halten, was die Industrie global zu bieten hat. Der DAX gehört zu den Top Five der weltweiten Aktienindices.

Da Weltbevölkerung und -konjunktur weiter wachsen werden, bleiben auch die fundamentalen Aussichten der international operierenden DAX-Unternehmen gut. Wer in Weltkonjunktur investieren will, kommt am DAX ebenso wenig vorbei, wie der Fleischliebhaber an Steaks und Schnitzeln.

Macht man eine Hochrechnung, wo der DAX allein nur unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Wertentwicklung von 5 Prozent zum Goldjubiläum im Jahr 2038 stehen könnte, ergäbe sich ein Indexstand von etwa 30.000 Punkten. Der Schätzfehler ist naturgemäß groß.

Das nährt die Hoffung, dass der deutsche Anlage-Fatalismus „Du sollst keine fremden Götter neben Zinsvermögen haben“ aufgegeben wird. Das Krisen-Trio Infernale hat den DAX sicherlich viel Reputation gekostet und sogar die Axt an die deutsche Aktienkultur gelegt. Leider gibt heutzutage der deutsche Privathaushalt mehr Geld für Bananen als für Aktien aus.

Er gehört zu mir (und meiner Altersvorsorge) wie mein Name an der Tür

Ich wünsche dem DAX von Herzen, dass er zukünftig deutlich mehr Zuneigung vom deutschen Kleinanleger erfährt. Wer ordentliche Altersvorsorge betreiben will, kommt am DAX ebenso wenig vorbei, wie Vegetarier an Tofu und Grünzeug.

Ja, natürlich wird er auch in den nächsten 25 Jahren schwanken, Kursstürze hinnehmen müssen, aber auch sehr schöne Sternstunden haben. Noch hat es die Finanzindustrie nicht geschafft, die Chancen von Aktien mit den Risiken von Sparbüchern zu kreuzen. Aber will man wirklich auf die Tochter des Hauses mit ihrem Liebreiz verzichten, nur weil die potenzielle Schwiegermutter Ende April/Anfang Mai zu regelmäßigen Kurzurlauben auf dem Blocksberg weilt?

Diesem Anlageproblem kann man mit regelmäßigen Sparplänen, die mittlerweile auch mit Einzelaktien möglich sind, Einhalt gebieten. Schließlich erhält man bei sinkenden Kursen mehr Aktien für seinen Geldanteil. Es gibt Schlimmeres.

Zum Geburtstag des DAX am 1. Juli zitiere ich gerne frei nach „Die Toten Hosen“: An Tagen wie diesen, wünsch ich Dir Unendlichkeit.

Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick

Kapitalmarkt auf einen Blick

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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