Studie: Ideale und Realität klaffen bei Arbeit der Eltern weit auseinander
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Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones) - Wunsch und Wirklichkeit klaffen bei der Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit von Eltern weit auseinander. Das geht aus einer Studie des Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) hervor. Für eine egalitärere Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit seien Änderungen im Steuersystem und bei Minijobs sowie mehr Kita-Angebote nötig, da aktuell die ungleiche Aufteilung finanziell meist attraktiver sei.
"Ein wichtiger Grund für die Diskrepanzen ist das deutsche Steuer- und Transfersystem, insbesondere das Zusammenspiel von Ehegattensplitting und Minijobs sowie der beitragsfreien Mitversicherung von Ehepartner*innen in der gesetzlichen Krankenversicherung", sagte DIW-Expertin Katharina Wrohlich. Hinzu komme der Gender Pay Gap, also der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern.
Mütter und Väter teilen sich der Untersuchung zufolge die Erwerbs- und Sorgearbeit in Deutschland nach wie vor sehr ungleich auf. Mit den Einstellungen in der Bevölkerung decke sich das jedoch kaum. Nach den aus ihrer Sicht idealen Erwerbskonstellationen gefragt, sprechen sich viel mehr Personen für eine gleichberechtigte Aufteilung von Kinderbetreuung, Hausarbeit und Berufstätigkeit aus, als Eltern dies in der Realität umsetzen, wie die Studie zeigte. Demnach würden deutlich mehr Personen das Erwerbs- und Sorgemodell bevorzugen, in dem beide Elternteile etwa 30 Stunden pro Woche erwerbstätig seien. Auch das universale Erwerbstätigenmodell, in dem beide in Vollzeit einen Beruf ausüben, werde häufiger als ideal erachtet, als es gelebt werde, so die Studie.
Beim sogenannten Familienernährermodell, in dem der Vater in Vollzeit erwerbstätig ist und die Mutter gar nicht, und beim Zuverdienermodell, in dem die Mutter maximal in Teilzeit erwerbstätig ist, verhalte es sich hingegen umgekehrt. "Diese beiden Erwerbskonstellationen werden deutlich seltener als ideal angesehen, als sie in der Realität vorkommen", so die Studie.
Ostdeutschland ist egalitärer
In Ostdeutschland seien die Erwerbskonstellationen allerdings egalitärer als in Westdeutschland. Vor allem eine Vollzeiterwerbstätigkeit beider Elternteile werde in Ostdeutschland mit - je nach Alter des Kindes - bis zu 62 Prozent deutlich häufiger befürwortet als in Westdeutschland mit bis zu 38 Prozent. Die Expertinnen der Studie halten vielfältige Reformen für nötig, damit Erwerbs- und Sorgearbeit in Deutschland egalitärer aufgeteilt wird. Neben einer Reform des Ehegattensplittings und einer weitgehenden Abschaffung von Minijobs ginge es vor allem auch um eine "bedarfsgerechte Kinderbetreuungsinfrastruktur für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr bis zum Alter von zwölf Jahren", betont BiB-Direktorin C. Katharina Spieß. "Fehlende Kita-Plätze halten trotz Rechtsanspruch bis heute viele Mütter davon ab, in größerem Umfang erwerbstätig zu sein."
Zudem müsse der Ausbau von Ganztagsgrundschulen deutlich beschleunigt werden. Sonst werde der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz für Grundschulkinder ab August 2026 kaum einzulösen sein.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
DJG/aat/cbr
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