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15:05 Uhr, 29.07.2024

Staatsrechtler Battis zu Wahlrecht: "Das verstehen nur Mathematiker"

DJ POLITIK-BLOG/Staatsrechtler Battis zu Wahlrecht: "Das verstehen nur Mathematiker"

Die Übersicht in Kurzmeldungen zu Entwicklungen, Ergebnissen und Einschätzungen rund um die bundesdeutsche Politik:

Staatsrechtler Battis zu Wahlrecht: "Das verstehen nur Mathematiker" 

Der Staatsrechtler Ulrich Battis kritisiert das Bundesverfassungsgericht vor der Entscheidung der Richter in Karlsruhe zur Wahlrechtsreform. "Das Bundesverfassungsgericht will es zu perfekt machen", sagte Battis dem Nachrichtenmagazin Stern mit Blick auf frühere Entscheidungen aus Karlsruhe zum Wahlrecht. "Die genaue Verteilung der Mandate auf die Parteien nach Bundesländern verstehen nur Mathematiker", so Battis weiter. Das Verfassungsgericht hatte 2012 das damals geltende Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt und damit den Weg für Ausgleichsmandate geebnet. In der Folge wuchs die Zahl der Bundestagsabgeordneten drastisch. Am Dienstag entscheiden die Richter in Karlsruhe zur jüngsten Wahlrechtsreform. Battis rechnet damit, dass das Verfassungsgericht die darin enthaltene Streichung der Grundmandatsklausel kippen wird. "Das wird das Bundesverfassungsgericht so nicht hinnehmen", sagte er und verwies auf das Föderalismusprinzip, wonach "besondere regionale Stärken und Verwurzelungen auch im Wahlrecht gewürdigt werden sollten". Dass die CSU in Bayern viele Wahlkreise gewinnt, aber nicht in den Bundestag einzieht, "wäre damit nicht vereinbar".

Ministerium: 2025 wohl keine Erhöhung beim Bürgergeld 

Nach Aussagen des Bundesarbeitsministeriums wird es möglicherweise 2025 eine Nullrunde bei der Bürgergelderhöhung geben, wie dies in der laufenden Debatte vor allem von der FDP gefordert wird. "Wir rechnen im Moment damit, dass angesichts der jetzt rückläufigen Preissteigerungsraten wahrscheinlich nach jetziger Lage zum 1. Januar 2025 es auch sein kann, dass es keine Erhöhung geben wird", sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin. "Die Berechnungen dazu laufen." Der neue Regelsatz werde dann im Frühherbst bekanntgegeben, dazu gebe es einen festgelegten gesetzlichen Rechenweg. "Diesen festgelegten gesetzlichen Rechenweg, in dem die Preissteigerungen und Lohnsteigerungen und eben auch die Inflation einfließen, berechnen wir dann so wie jedes Jahr sonst auch", betonte die Sprecherin. Entsprechende Forderungen brauche es "eigentlich gar nicht", hob sie hervor. Zum Jahresanfang 2024 seien die Regelbedarfssätze relativ stark gestiegen, was an der vorhergehend hohen Inflation gelegen habe.

Kiesewetter warnt CDU vor Koalition mit BSW 

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hat seine Partei nach der von Sahra Wagenknecht erklärten Bedingung für Koalitionen auf Landesebene aufgefordert, mit dem BSW auch dort nicht zusammenzuarbeiten. "Frau Wagenknecht macht damit klar, dass das BSW zum Ziel hat, russische Interessen zu deutscher Politik zu machen", sagte Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zu Wagenknechts Äußerung, dass ihr Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sich nur an einer Landesregierung beteiligen werde, "die auch bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht". Eine dieser russischen Interessen sei es, "die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu unterlaufen und demokratische Parteien wie die CDU zu spalten, zu verkleinern und damit bedeutungslos zu machen", sagte Kiesewetter. "Für uns als CDU muss klar sein, dass eine Zusammenarbeit auf jeder Ebene mit diesem Kreml-Ableger undenkbar ist", sagte er.

Polizeigewerkschaft: Stationäre Kontrollen nicht machbar 

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält verlängerte Grenzkontrollen an allen deutschen Binnengrenzen aus personellen Gründen nicht für machbar. "Die Bundespolizei ist aus unserer Sicht nicht in der Lage, an allen Binnengrenzen Deutschlands auf längere Zeit stationäre Grenzkontrollen durchzuführen. Hierzu fehlen sowohl Personal als auch die Sachausstattung", sagte der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, der Rheinischen Post. Auch sei nicht an allen Binnengrenzen der gleiche "Migrationsdruck" vorhanden, so Roßkopf. Während der Fußball-EM habe man das nur leisten können, "da die gesamte Bundespolizei eine Urlaubssperre hatte und hohe Überstunden in Kauf genommen wurden. Auch waren unzählige Hundertschaften der Bereitschaftspolizei zur Unterstützung mit eingesetzt. Bis zu 22.000 Kolleginnen und Kollegen waren täglich im Einsatz", so der Polizeigewerkschafter. "Daher lehnen wir als GdP stationäre Grenzkontrollen an allen Binnengrenzen in Deutschland ab. Was wir fordern, sind mobile, flexible und auch intelligente Grenzkontrollen."

Gabriel kritisiert fehlende Debatte zu US-Waffen 

Der frühere Vizekanzler und Außenminister und heutige Vorsitzende der Atlantik-Brücke, Sigmar Gabriel (SPD), hat sich irritiert darüber gezeigt, dass es in Deutschland keine Debatte im Vorfeld der Entscheidung über die Stationierung von US-Langstreckenraketen gegeben hat. "Mich stört nicht die Stationierungsabsicht selbst, sondern die Tatsache, dass es darüber in Deutschland keine öffentliche Debatte gibt. Es wird einfach entschieden", sagte Gabriel der Rheinischen Post. "Die Erhöhung der Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit mit solchen Waffensystemen braucht aber immer eines: das Verständnis für die Gründe einer solchen Stationierung in unserer Bevölkerung und mindestens eine mehrheitliche Zustimmung dazu", sagte der SPD-Politiker. "Immerhin haben wir Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre eine große innenpolitische Zerreißprobe gehabt, wo es genau um diese Art Waffen ging, die man ja auch immer mit atomaren Sprengköpfen ausstatten kann."

Landespolitiker fordern verlängerte Grenzkontrollen 

Mehrere CDU-Minister aus den Bundesländern haben eine Verlängerung von Grenzkontrollen gefordert. "Es gilt, die Zahl illegaler Einreisen deutlich zu senken. Um Migration gezielt zu steuern und zu begrenzen ist es ein wichtiger Schritt, dass die derzeitigen Grenzkontrollen über die Olympischen Spiele hinaus verlängert werden und so lange bleiben, bis die EU-Außengrenzen nachhaltig gesichert sind", sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl der Rheinischen Post. "Wir haben bei der EM gesehen, dass wir in der Lage sind, Kriminalität an den Grenzen zu verhindern", sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul der Zeitung. "Ich bin dafür, dass wir weiter kontrollieren - punktuell und anlassbezogen." Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen sprach sich für eine Verlängerung der stationären Grenzkontrollen aus, bis die Reform des EU-Asylsystems greift. "Ein Ende der Kontrollen würde zu einem sofortigen Verlust an Sicherheit führen. Deshalb müssen wir an den Kontrollen festhalten, mindestens solange bis die Reformen des europäischen Asylsystems greifen, was frühestens 2026 der Fall sein kann", sagte Stübgen dem Blatt.

SPD weist Linnemann-Vorstoß zum Bürgergeld zurück 

Ein Vorstoß von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zum Bürgergeld trifft auf scharfen Widerspruch in der SPD. Den arbeitenden Menschen in Deuschland "hilft ganz sicher nicht, Bürgergeld-Empfänger in einer willkürlich gegriffenen Größenordnung als faul zu diffamieren - und mit einer verfassungswidrigen kompletten Streichung der Leistung zu drohen", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt der Funke Mediengruppe. Schmidt erinnerte daran, dass die Union das Bürgergeld im Bundestag "aus guten fachpolitischen Gründen gemeinsam mit uns beschlossen" habe. Zuletzt sei sie allerdings ausnahmslos durch populistische Zwischenrufe aufgefallen. Linnemann hatte den Funke-Zeitungen gesagt: "Die Statistik legt nahe, dass eine sechsstellige Zahl von Personen grundsätzlich nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen." Bei diesen Menschen müsse der Staat davon ausgehen, dass sie "nicht bedürftig" seien. "Leistungskürzungen um zehn, 20 oder 30 Prozent reichen da nicht", so der CDU-Generalsekretär. "Dann muss die Grundsicherung komplett gestrichen werden."

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