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10:34 Uhr, 02.07.2024

Spitzenverbände: Kommunalen Haushalten droht Rekorddefizit

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Die finanzielle Lage der Kommunen verschlechtert sich nach Angaben der kommunalen Spitzenverbände rapide und läuft auf eine bislang nicht gekannte Defizithöhe zu. Im vergangenen Jahr mussten die kommunalen Haushalte bereits eine Verschlechterung ihrer Finanzlage um 8 Milliarden Euro und ein Defizit von 6,2 Milliarden Euro hinnehmen, wie Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund mitteilten. Im laufenden Jahr verdoppele sich das Defizit voraussichtlich auf eine Rekordhöhe von 13,2 Milliarden Euro. Auch in den Folgejahren werde das Defizit auf einem ähnlichen Niveau verharren, so die Prognose für die Kommunalfinanzen bis 2027.

Wenn Bund und Länder mit ihrer Finanzpolitik nicht grundlegend umsteuerten, würden die kommunalen Haushalte tief in den roten Zahlen bleiben. "Die Kommunalfinanzen sind in einer dauerhaften Schieflage", sagten die Verbandspräsidenten Markus Lewe (Städtetag), Reinhard Sager (Landkreistag) und Uwe Brandl (Städte- und Gemeindebund). "Wir brauchen dringend einen größeren Anteil an den Gemeinschaftssteuern. Außerdem muss endlich Schluss damit sein, dass Bund und Länder die Aufgaben der Kommunen immer mehr ausweiten, ohne für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen." Die Kommunen wollten vor Ort gestalten, mit Haushalten im Defizit könnten sie aber an vielen Stellen "nur noch den Mangel verwalten".

Neue Investitionen könnten unter diesen Vorzeichen praktisch nicht mehr beschlossen werden. Vielmehr sei ab dem Jahr 2025 mit einem immer stärkeren Rückgang der kommunalen Investitionen zu rechnen. Es sei "offensichtlich, dass die Kommunen in den kommenden Jahren bei weitem nicht so in Klimaschutz, Klimaanpassung, Energie- oder Verkehrswende investieren können, wie es notwendig wäre". Auch die bestehende Infrastruktur würden die Kommunen unter diesen Vorzeichen kaum instandhalten können. Der heute schon besorgniserregende kommunale Investitionsrückstand von 186 Milliarden Euro werde weiter anwachsen.

"Die immer weiter steigenden Ausgaben der Kommunen sind nicht allein der Inflation geschuldet", betonten die Verbandschefs. Gerade im Sozialbereich führten steigende Fallzahlen sowie neue von Bund und Ländern beschlossene Rechtsansprüche zu wachsenden Ausgaben. Sie sähen zudem mit großer Sorge, dass Bund und Länder ihre Haushalte entlasteten, "indem sie die Kommunen faktisch zwingen, als Ausfallbürgen einzuspringen". Beispiele seien die unzureichende Krankenhausfinanzierung, das unterfinanzierte Deutschland-Ticket oder die langfristig ungeklärte Finanzierung der Wärmewende. "So wie bisher kann es nicht weitergehen", mahnten Lewe, Sager und Brandl. Nötig seien dauerhaft tragfähige Lösungen.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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