Sommerzeit 2012 - Quo vadis Finanzwelt
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Das Grundrauschen einer nicht nachhaltig für Lösungen sorgenden Euro-Politik bleibt uns als tägliches Lamento an den Finanzmärkten erhalten. Allerdings zeigen sich durchaus Lichtblicke in punkto nationaler Reformpolitik. In Spanien und Portugal sind tatsächlich sinkende Lohnstückkosten zu beobachten, während diese im euroländischen Durchschnitt noch klar aufwärtsgerichtet sind. Schätzungen zufolge könnten beide Mittelmeerstaaten bereits Ende 2012 vergleichsweise geringere Lohnstückkosten aufweisen als Deutschland. Dagegen kann in anderen Euro-Staaten - darunter Italien und auch Frankreich - von ähnlichen Reformerfolgen keine Rede sein. Hier zeugen überdurchschnittlich hohe, sogar steigende Lohnstückkosten von einer rückläufigen Wettbewerbsfähigkeit. Das Tor zur volkswirtschaftlichen Hölle ist damit neben der Peripherie auch für Kernländer der Eurozone geöffnet.
Neben Spanien - das zuletzt ein 65 Mrd. Euro schweres Sparpaket sowie Reformen im öffentlichen Sektor zur Erreichung des Maastricht-Neuverschuldungskriteriums von drei Prozent im Jahr 2014 beschlossen hat - muss auch Frankreich - das sein Defizitziel von 4,5 Prozent dieses Jahr deutlich verfehlen wird und mit seiner rückwärtsgewandten Politik des sozialnostalgischen Gesundbetens auch zukünftig den Weg der Tugend verfehlen würde - am Reformball bleiben, um eine nachhaltige Beruhigung an den Finanzmärkten erreichen zu können.
Gleiches gilt auch für Italien, wo Regierungschef Monti die Inanspruchnahme von Rettungsgeldern nicht mehr kategorisch ablehnt, was in der Politikersprache gewöhnlich als verbale Wegbereitung gilt. Die schon sprichwörtliche Reformmüdigkeit Italiens wurde jetzt auch von der Rating-Agentur Moody’s mit einer Bonitätsherabsetzung um zwei Stufen geahndet. Zumindest hier kann man die Rating-Agentur nicht kritisieren.
Griechenland hingegen kämpft auf verlorenem Posten, von rund 300 Sparvorgaben wurden 210 laut Bericht der Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF nicht erfüllt. Wann versteht man endlich, dass das Wunder von Athen, die erfolgreiche Sanierung Griechenlands in der Eurozone, nicht passieren wird. Da hilft auch ein Aufschub der Sparziele um weitere zwei Jahre nicht mehr. Diese typische Euro-Politik, auf Zeitgewinn statt auf klare Lösungen zu setzen, ist das Grundübel, ja der immerwährende Auslöser der Krise in Euroland. Was in der Eurozone wirklich alternativlos ist, ist der kontrollierte Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Im privaten Wirtschaftsleben wird man für Insolvenzverschleppung bestraft.
Da insbesondere von den jeweiligen nationalen Bankensektoren zwischenzeitlich eine besonders große Gefahr ausgeht, setzt man auf das Abschreckungspotenzial des Euro-Rettungsschirms, um zumindest kurzfristig für Ruhe zu sorgen. So hat man bereits vorsorglich eine Kredittranche über 30 Mrd. Euro für spanische Banken freigegeben. Zur Sanierung nicht nur der spanischen, sondern auch anderer euroländischer Banken - man denke an die nicht nur in Spanien zur Krisenbereinigung dringend gebotenen Preisrückgänge bei Immobilien, die bei Banken noch zu erheblichen Abschreibungen führen werden - sind die Rettungsschirme viel zu klein. Eine Aufstockung ist im Status Quo nicht aufzuhalten.
Deutschland als der sichere Hafen der Eurozone
Die Tatsache, dass die Euro-Politik den Krisensymptomen nur mit Behelfstherapien begegnet, verursacht bei den weltweiten Investoren eine grundsätzliche, mittlerweile ausgeprägt chronische Vertrauenskrise gegenüber Anlagen aus prekären Euroländern. Auf der Suche nach stabilen Anlageplätzen meinen viele Anleger, bei deutschen Staatsanleihen fündig geworden zu sein. Ihre Renditerückgänge im Jahresvergleich beweisen diesen Risikoaversionsreflex dramatisch. Über alle Laufzeiten hinweg ergeben sich massive Zinsrückgänge. In den Laufzeitbereichen drei Monate bis drei Jahre sind mittlerweile die Renditen sogar negativ.
Grafik der Woche: Zinsstrukturkurve deutscher Staatsanleihen im Jahresvergleich, 13. Juli 2012 gegenüber 13. Juli 2011
Nicht vergessen werden darf jedoch, dass diese Renditen mit Inflations- bzw. Bonitätsgerechtigkeit - siehe deutsche Bürgschaften für die EU-Partnerländer - nichts mehr zu tun haben. Und der Prozess der noch zunehmenden Haftung ist bereits eingeleitet.
Die Bedeutung der EZB wird noch viel größer werden
Vor diesem Hintergrund bleibt die EZB das oberste, weil am besten geeignete Rettungsorgan. Sie hat bereits mit der Senkung des Leitzinses auf das historische Tief von 0,75 sowie des Zinses für Übernachteinlagen auf Null Prozent unmissverständlich ihre Bereitschaft zu unkonventionellen Maßnahmen verdeutlicht. In der Tat zeigen sich die Banken von diesen Maßnahmen beeindruckt. Die von Geschäftsbanken als Übernachteinlagen gehortete Überschussliquidität ist am Donnerstag von 808,5 auf 324,9 Milliarden Euro und damit auf den tiefsten Stand seit sieben Monaten gesunken. Der Rückgang der Übernachteinlagen entspricht aber nur auf den ersten Blick dem Kalkül der EZB, die bei ihr geparkten Finanzmittel in die Realwirtschaft zu überführen. Die Banken haben lediglich ihre überschüssige Liquidität auf ihr Sichtguthaben bei der EZB verschoben. Denn zeitgleich zum Rückgang der Übernachteinlagen stiegen die Guthaben der Kreditinstitute bei der EZB von 111,53 auf 539,79 Milliarden Euro.
An dieser Front wird die EZB weiter arbeiten müssen. Sie wird noch ganz andere Instrumente aus ihrer back box holen. Erneute volumenstarke Bankenkredite sowie die weitere Lockerung der Sicherheitskriterien im Rahmen dieser Kreditvergabe werden wohl folgen. Damit stellt man die Liquidität der euroländischen Banken zur Bilanzsanierung sicher und stützt damit die Staatsanleihemärkte über die Hintertür. Sollten aber auch diese Maßnahmen nicht befriedigend funktionieren, ist auch der direkte und voluminöse Aufkauf von Staatsanleihen prekärer Länder kein Tabu mehr. Dann entfällt für Banken tatsächlich das zurzeit noch irritierende Kurs- bzw. Zinsrisiko beim Ankauf von Staatsanleihen, Euro-Länder können sich insofern günstiger refinanzieren und über eine abebbende Risikoaversion erführe auch das Kreditgeschäft den zweiten Frühling.
Weltwirtschaft: An den Notenbanken wird sie jedenfalls nicht scheitern
Eine treibende Kraft der Weltkonjunktur bleibt die chinesische Wirtschaft. Zwar lässt hier das Wachstum im II. Quartal 2012 das sechste Quartal in Folge nach. Allerdings verläuft diese Wachstumsabkühlung auf 7,6 Prozent im Rahmen des Fünfjahresplans der chinesischen Regierung. Einer Konjunkturüberhitzung mit der Gefahr platzender Anlageblasen im Immobiliensektor beugt man so vor. Grundsätzlich stärkt man aber die Konsumnachfrage der Bevölkerung, um das Wachstum auf eine breitere Basis zu stellen. Ersichtlich ist dies durch die im Trend steigenden chinesischen Importe. Allein der Automobilabsatz in China ist im Juni um knapp zehn Prozent zum Vorjahr gestiegen. Diese Entwicklung ist bereits die Folge der stetig wachsenden und konsumierenden chinesischen Mittelschicht, von der die weltweiten Exportländer wie Deutschland weiter profitieren.
Über die fundamentale Stärke der chinesischen Wirtschaft sollte auch das sich eintrübende Geschäftsklima im Verarbeitenden Gewerbe nicht hinwegtäuschen, zumal dieses - zusammen mit einer offiziell deutlich nachlassenden Jahresinflationsrate von derzeit 2,2 Prozent - der chinesischen Notenbank weiteren geldpolitischen Spielraum zur Bekämpfung von Konjunkturrisiken eröffnet.
Ohnehin kann sich die gesamte Weltwirtschaft einer notenbankseitigen Unterstützung gewiss sein. So hat nicht nur die People’s Bank of China ihren Leitzins gleich zweimal in einem Monat auf aktuell sechs Prozent gesenkt. Die südkoreanische Notenbank überraschte die Finanzmärkte mit ihrer ersten Zinssenkung seit Februar 2009. Und auch in Brasilien senkt man den Leitzins zum achten Mal in Folge auf ein Rekordtief von acht Prozent, um der Kreditnachfrage und Konjunkturstimmung nachzuhelfen.
In Amerika setzt die Wirtschaft ihren vergleichsweise langsamen, aber stetigen Erholungskurs fort. Zwar hat sich auch hier die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe eingetrübt. Denn schließlich kann sich auch die US-Konjunktur nicht von den Unsicherheiten in Euroland abkoppeln. Als Stabilisator für die US-Wirtschaft erweist sich jedoch der US-Immobiliensektor, auf dem die Beseitigung der Ungleichgewichte vielfach abgeschlossen ist. Sowohl Baugenehmigungen als auch -beginne haben zuletzt wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Der Wohnindex der nationalen Bauherrenvereinigung bestätigt diesen Trend eindeutig.
Die größte Stütze der US-Konjunktur bleibt aber die Fed. Sie steht bereits in den Startlöchern, um im Ernstfall der Gefahr einer merklichen Abschwächung der US-Konjunktur entgegenzuwirken. Daran ändern auch die Aussagen von Notenbankchef Bernanke nichts, der einem weiteren Aufkaufprogramm von z.B. Staats- oder Hypothekenanleihen bislang noch keine weitere Nahrung gab. Die Fed kann nicht zögern, Konjunkturstützung zu betreiben, sollte insbesondere die US-Arbeitsmarkterholung weiter abebben. Nichts fürchtet der Teufel mehr als Weihwasser, nichts fürchtet ein Notenbankchef mehr als deflationäre Tendenzen, die, wenn erst einmal zugelassen - siehe Japan - kaum mehr zu stoppen sind. In money we trust! Inflation ist die angestrebte, nicht zu bekämpfende Zielgröße.
Im Vergleich zyklischer zu Defensivwerten verläuft - bezogen auf den MSCI Welt Index - die relative Gewinnentwicklung beider Branchengruppen sehr ausgewogen. Aufgrund der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten und der politischen Krise in Euroland zeigen Defensivwerte gegenüber Zyklikern aber eine deutliche Outperformance. Aufgrund des nicht absehbaren Endes dieser Unsicherheiten dürften Defensivwerte auch zukünftig gefragt bleiben.
Im Vergleich zu Euroland fällt die US-Konjunkturerholung vergleichsweise robust aus. Denn eine politische Krise wie in Euroland dämpft in den USA nicht die wirtschaftliche Stimmung. Daher ist der Trend relativ stärkerer Gewinne von US-Unternehmen zu euroländischen nicht verwunderlich. Das macht sich nicht zuletzt auch bei der relativen Wertentwicklung der Aktien bemerkbar. Seit Mitte 2011 gerechnet, entwickeln sich US-Aktien deutlich besser als euroländische.
Und auch bewertungstechnisch sind US-Aktien nach wie vor attraktiv. Sowohl nach Substanz- als auch nach Ertragsbewertung bewegen sie sich auf vergleichsweise geringem Niveau.
Deutsche Aktien: Mittelstand bleibt gefragt
Die hausgemachte Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Euro-Krise zieht auch die bislang solide deutsche Wirtschaft in ihren Sog. Das signalisieren nicht zuletzt die ifo Geschäftserwartungen des Verarbeitenden Gewerbes für die nächsten sechs Monate, die sich auf dem niedrigsten Stand seit acht Monaten befinden. Der deutsche Mittelstand zeigt sich davon bisher allerdings wenig beeindruckt. So weist der MDAX - der deutsche Mittelstandsindex - relativ zum DAX weiterhin eine deutlich stärkere Wertentwicklung auf, obwohl sich gerade im MDAX viele konjunktursensitive Titel befinden, die unter einer Stimmungseintrübung grundsätzlich stärker leiden müssten als die großen, breiter aufgestellten DAX-Konzerne.
Im aktuell unsicherheitsbehafteten Konjunkturumfeld kommt deutschen Mittelständlern wohl ihre vielfältige Marktführerschaft in Nischenmärkten gepaart mit innovativem und patentstarkem Industrie-Know How bei zusätzlich kostenneffizienter Produktionsstruktur zugute.
Fusionen und Übernahmen als Fundamentalfaktor für Aktien
Es ist aber auch zu vermuten, dass sich die wieder allmählich zu beobachtende Übernahmephantasie primär im deutschen Mittelstand niederschlägt, da deren Werte naturgemäß weniger kostenintensiv sind. Insbesondere das günstige Liquiditätsumfeld veranlasst die nach dem Krisenjahr 2009 liquiditätsgestärkten Unternehmen zur Schnäppchenjagd. Das Volumen globaler Übernahmen ist nach der krisenbedingten Unsicherheit seit Jahresbeginn wieder aufwärtsgerichtet. Man kauft produktspezifisch und regional Umsätze hinzu oder übernimmt lästige Konkurrenz. Wer selbst übernimmt oder fusioniert, wird größer und teurer und damit als Übernahmeziel weniger interessant. Für die weltweiten Aktienmärkte ist dies eine fundamentale Stütze.
Stabile Seitenlage an den Aktienmärkten
Bei der Analyse der die Aktienmärkte beeinflussenden Faktoren stehen sich damit die politische Krise Eurolands und eine historisch bislang einmalig freizügige, weltweite Geldpolitik gegenüber. Die Aktienmärkte scheinen diese Faktoren insgesamt ausgeglichen zu bewerten, ähnlich wie bei einer stabilen Seitenlage. Das legt auch die Betrachtung der Volatilität des DAX - also Kursschwankungsintensität - nahe. Diese ist aktuell deutlich niedriger als zur Hochphase der Krise in Euroland Ende September 2011, obwohl der ifo Geschäftsklimaindex heute auf deutlich schwächerem Niveau verläuft. Der Ausschlag der Waage in die eine oder andere Börsenrichtung liegt in der Macht der Euro-Politik.
Rohstoffe: Aus Euro-Sicht weiter interessant
Hatte das Segment der Rohstoffe vor allem im abgelaufenen II. Quartal unter einer sich eintrübenden Stimmung der Weltkonjunktur als Folge der Euro-Krise zu leiden, so kommt allmählich auch hier die Nachricht an, dass die großen internationalen Notenbanken durch die Aufrechterhaltung ihrer üppigen Liquiditätsausstattung nicht zur Konjunkturstützung beitragen, sondern vor allem für globalen Anlagenotstand sorgen, der sich auch in sachkapitalistischen Rohstoffen niederschlägt. Seit Anfang Juli ist eine klare Erholungstendenz auf breiter Basis erkennbar.
Ebenso bleiben Rohstoffe aus Sicht eines Euro-Investors ein lohnendes Investment. So sorgt der schwache Euro bei in US-Dollar notierten Rohstoffen für währungsseitige Kompensationsgewinne, die Agrarrohstoffe sowie Industrie- und Edelmetalle seit Jahresbeginn gerechnet in positives Renditeterrain gehoben haben.
Gold bleibt die Krisenwährung
Es spricht im Übrigen wenig dafür, dass sich die Rahmenbedingungen insbesondere für Edelmetalle verschlechtern. Neben der üppigen Liquiditätsausstattung der Märkte profitieren sie von den auch weiterhin grundsätzlich unsicheren politischen Rahmenbedingungen. Zudem herrscht vor allem nach Gold eine weiterhin robuste physische Nachfrage. Nach Einschätzungen der World Gold Council wächst sie allein in China in diesem Jahr um 13 Prozent.
Und auch am Terminmarkt erhält der Goldpreis wieder Unterstützung. So haben die Finanzinvestoren ihre spekulativen Positionen auf einen Goldpreisanstieg zuletzt wieder - wenn auch nur verhalten - erhöht, was sichtbar zu einer Preisstabilisierung beiträgt.
Zudem sucht man im Segment sicherer Anlagen weiterhin vergeblich nach Alternativen zu Gold. Das Konkurrenzinvestment der Staatsanleihen wird noch sehr lange keine bonitäts- und vor allem inflationsgerechte Rendite bieten können. Die Umlaufrendite deutscher sowie die Rendite 5-jähriger US-Staatsanleihen ist nach Abzug der Inflation weiterhin negativ.
Halvers Woche:
I know what you did last summer
Wie viele andere gehe auch ich bald in Sommerurlaub. Es ist die Zeit von George Gershwin: „Summertime and the living is easy“. Einfach die Seele baumeln lassen, sich entspannen, abschalten. In dieser Urlaubszeit läuft ja auch der politische und finanzwirtschaftliche Theaterbetrieb eigentlich auf Sparflamme.
2011 füllte die Politik das Sommerloch
Eigentlich! Zumindest 2011 hat sich diese Sommerregel nicht bestätigt. Statt entspannter Sommermusik war lautes, unharmonisches Rumtata angesagt. Letztes Jahr wurde das Sommerloch durch die Geburt der politischen Euro-Krise gefüllt. Zum Geburtshelfer avancierte dabei die euroländische Polit-Elite, die auf die unübersehbaren Schuldenprobleme Eurolands ähnlich reagierte, wie der nicht akzeptierte, sondern nur geduldete Schwiegersohn auf den Überraschungsbesuch der Schwiegermutter: Unbeholfen, unsicher, mutlos, hoffnungslos.
Und auch die USA, die selbst größte Probleme regelmäßig im Pioniergeist eines kühnen John Wayne oder hemdsärmeligen Ronald Reagan lösen, leisteten sich einen unbedachten Durchhänger. Mit einer politischen Schlammschlacht - die von Hollywood nicht hätte besser inszeniert werden können - zwischen Demokraten und Republikanern um die Erhöhung der Schuldengrenze, spielte die amerikanische Politik russisches Roulette mit dem Vertrauen in US-Staatsanleihen.
Diese politischen Hahnenkämpfe links und rechts vom Atlantik werden viele Anleger nicht vergessen. Sie werden ihre Sommerferien 2011 immer mit kräftig gestutzten Vermögenspositionen in Verbindung bringen. Im Urlaub wurde auch ich durch Zeitungen, Fernsehnachrichten und E-Mails via Blackberry - der Kapitalmarktanalyst lässt das Mausen nicht - von den Darbietungen auf der Polit-Showbühne immer wieder aufs Höchste entzückt.
2012 wieder ein “heißer” Sommer?
Und was ist im Sommerurlaub 2012 zu befürchten? Zumindest die Amerikaner haben aus ihren politischen Irrfahrten des letzten Jahres gelernt, dass man selbst im Wahljahr 2012 an den wichtigen Stellen zusammenhalten muss und von eigenen Sorgen ablenkend mit ausgestrecktem Zeigefinger auf andere zeigen sollte. Andere, d.h. Euroland, das sich auch jetzt wieder durch die Zurschaustellung einer, wenn auch perfekten Durchwurschtel-Kultur als Angriffsziel geradezu aufdrängt.
Urlaubs-Alarm ist also durchaus angebracht. Sollte ich also präventiv die Familienpackung Valium mit in den Urlaub nehmen oder das Handy direkt bei Ankunft am Urlaubsort im Meer ersäufen, einen Kabelbrand im Fernsehgerät auf dem Hotelzimmer auslösen, damit es mir technisch unmöglich ist, negative Nachrichten überhaupt sehen zu können oder eine dunkle Brille der Marke „Scheuklappe“ aufziehen, damit ich hässliche Überschriften von Zeitungen erst gar nicht erhaschen kann? Eigentlich müsste ich mich auch mit den lieben Daheimgebliebenen so verkrachen, damit ich ein Alibi habe, sie nicht aus dem Urlaub anrufen zu müssen. Sie könnten mir in einem unbedachten Moment von den Problemen der Spanier oder Italiener berichten.
Das Verfassungsgericht als Urlaubsretter?
Aber Moment mal: Ist nicht das entscheidende Charakteristikum der Krise in Euroland der enorme Zeitdruck gewesen, unter dem man bei der Lösungsfindung stand. Und genau diesem Zeitdruck will sich das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung über Wohl und Wehe von Rettungsschirm ESM und Fiskalpakt nicht beugen. Also besteht die Hoffnung, dass es so schnell keine Entscheidung und damit auch keine eventuell unkontrollierbaren Überraschungen an den Finanzmärkten gibt. Ohnehin hat der alte Rettungsschirm ja auch noch etwas Munition, die er verschießen kann.
Ich bin den Karlsruher Richtern sehr dankbar und zwar zweifach. Erstens wollen sie auf Grundlage einer sauberen Analyse aller relevanten Faktoren entscheiden und keine Schnellschüsse wagen. Da freut sich mein Analystenherz. Und zweitens - noch wichtiger - schenken mir die Richter einen Zeitgewinn. Und den nutze ich für Urlaub.
Summertime 2012 and the living is easy again. Also Kraft tanken, denn spätestens der Herbst dürfte wieder heiß werden. Dann kommt sie wieder, die Krisenzeit à la Roland Kaiser: „Ich glaub' es geht schon wieder los, das darf doch wohl nicht wahr sein…“
Soll das Sommerloch dieses Jahr doch durch andere Schauspiele oder Schauspieler gefüllt werden. Bello Berlusconi will zurück an Italiens Spitze. Wie bitte? Ich muss ganz schnell weg...
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:
http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/
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