Kommentar
14:51 Uhr, 25.02.2011

Sind die aktuellen Inflationsängste berechtigt?

Nach den Worten des berühmten US-Ökonomen Milton Friedman ist Inflation immer und überall ein monetäres Problem. Soll heißen: Die Inflation steigt immer dann, wenn zu viel Geld auf der einen Seite knappe Güter, Rohstoffe und Wertpapiere auf der anderen Seite gegenüberstehen. Das schafft eine Nachfrage nach diesen Werten, obwohl die Kapazitäten in der Realwirtschaft dafür nicht ausreichen. Dies kann wiederum zu wachsender Diskrepanz zwischen den Preisen für bestimmte Waren und ihrem tatsächlichen Wert führen. Die entscheidende Frage, ob in den entwickelten Volkswirtschaften zu viel Geld kursiert, muss jedoch verneint werden. Die Zentralbanken haben zwar das Geldangebot ausgeweitet, aber es ist in erster Linie der Bankensektor, der diese Ressourcen nutzt. Bislang schießen die Banken die Liquidität nicht in die Realwirtschaft, also Unternehmen, ein. Tatsächlich benötigen Unternehmen und Verbraucher bislang kaum Kredit. Großunternehmen sitzen immer noch auf Liquiditätsbergen. Andere potenzielle Schuldner, wie Privathaushalte, bemühen sich weiterhin um den Abbau ihrer Schulden. Die Erfahrung lehrt, dass auf Finanzkrisen eine Phase des Schuldenabbaus folgt, die im Durchschnitt sieben Jahre dauert. Das bedeutet, dass wir voraussichtlich noch bis 2013/14 ein unterdurchschnittliches Kreditwachstum erleben werden.

Insofern ist jedenfalls nicht zu viel Geld im Umlauf. Zudem herrschen sowohl in den USA als auch den meisten anderen Industrieländern weiter Überkapazitäten. Das drückt auf die Löhne und die Preise für Endprodukte. Höhere Löhne fallen daher als Inflationstreiber aus. Nur in Deutschland, einem wichtigen Exporteur in die Schwellenländer, besteht eine reale Inflationsgefahr, denn die deutsche Industrie arbeitet bereits wieder mit annähernd voller Kapazität. Im Euroraum insgesamt könnte dieser Inflationsdruck teilweise durch die gegenläufige Entwicklung in Griechenland und den Peripheriestaaten ausgeglichen werden. In jedem Fall kämpft man hier weiterhin mit Überkapazitäten und niedrigeren Löhnen. Wenn jedoch Kernländer wie Frankreich und die Benelux-Staaten dank der deutschen Konjunkturmaschine erst einmal höheres Wachstum verzeichnen, könnte sich der Inflationsdruck in der Eurozone ausweiten. Aber so weit ist es noch nicht. Die EZB behält die Situation jedenfalls genau im Auge.

Schwellenländer

In den Schwellenländern klettert die Inflationsrate. Die Raten liegen zwar noch deutlich unter den 8,0 %, die 2008 zu beobachten waren, aber seit letztem Sommer haben die Lebensmittelpreise in den Schwellenländern deutlich angezogen. Das wirkt sich bereits auf die Inflationsentwicklung in Asien und im Nahen und Mittleren Osten aus. Zudem haben die Unruhen in Ägypten den Ölpreis nach oben gedrückt; es ist daher wahrscheinlich, dass die Inflationsrate noch in diesem Jahr ihren Höchststand erreicht. Nach unseren Schätzungen dürfte die Inflation in den Schwellenländern in Q2 durchschnittlich 6,0 % betragen. Fazit: Die Inflation hat die Schwellenländer im Griff. Doch diese Länder verfügen über gesunde Bankensysteme und sind daher überwiegend in der Lage, mit einem starken Wachstum der Geldmenge umzugehen. Das gilt umso mehr, als die beträchtlichen Kapitalimporte anhalten und die Leitzinsen weiterhin recht niedrig sind. Während das Wirtschaftswachstum in den letzten beiden Jahren vor allem dem Realwachstum zu verdanken war, besteht jetzt die Gefahr, dass Inflationsdruck die Entwicklung treiben wird. Doch im Gegensatz zu den entwickelten Volkswirtschaften herrschen in den Schwellenländern keine Überkapazitäten. Insofern könnten höhere Lebensmittel- und Energiepreise zu steigenden Löhnen und Endproduktpreisen führen.

Wird sich diese höhere Inflation auf die Industrieländer auswirken?

Auch die entwickelten Volkswirtschaften müssen sich auf höhere Preise für Energie, Lebensmittel und Importe gefasst machen, sei es wegen der Preisentwicklung in den Schwellenländern oder der aufwertenden Schwellenländerwährungen. Gleichwohl wird dies unserer Einschätzung nach nicht zu einem Anstieg des allgemeinen Preisniveaus in den Industrieländern führen. So entfallen auf Einfuhren nur 8 - 10 % des BIP der G3-Volkswirtschaften (USA, Eurozone und Japan). Die Einfuhrpreise müssten daher gewaltig steigen, bevor sich dies auf die allgemeine Preisentwicklung der entwickelten Volkswirtschaften auswirken würde. Diese Faktoren sprechen dafür, dass weiterhin eine Einkommensumschichtung aus den Industrieländern in die Schwellenländer stattfindet. Sofern die Verbraucher in den G3-Staaten diesen Einkommensverlust durch höhere Löhne ausgleichen wollen, fragt sich, ob sie vor dem Hintergrund der hohen Überkapazitäten die notwendige Verhandlungsmacht besitzen. Dementsprechend halten wir einen deutlichen Anstieg der Inflation in der Eurozone, den USA und in Japan für begrenzt. Zugleich bedeutet das, dass die Inflationsraten - strukturell bedingt - wohl eher nicht steigen werden. Die Frage, ob die Renditen aus anderen Gründen steigen könnten, lässt sich nur im Hinblick auf die hohen Haushaltsdefizite und die möglicherweise daraus resultierende Unruhe unter Bond-Investoren beantworten. Wie die europäische Staatsschuldenkrise bewiesen hat, kann eine Verschlechterung der Anlegerstimmung rasch die Anleiherenditen in die Höhe treiben. Das haben Griechenland und andere Peripherieländer vorexerziert.

Höhere Haushaltsdefizite können die Renditen hochdrücken

Griechenland ist ein gutes Beispiel dafür, wie rapide die Renditen in die Höhe schnellen, wenn der Markt das Vertrauen in ein Land verliert. Daher ist wichtig, dass die politisch Verantwortlichen im Euroraum bald Schritte ergreifen, um - strukturell - das Vertrauen der Anlegerschaft in die EWU als dauerhaftes wirtschaftliches und politisches Gebilde wiederzugewinnen. Die Chancen für die Einführung dauerhafter Regelungsmechanismen sind in den letzten Wochen gestiegen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass höhere Haushaltsdefizite nicht zwangsläufig höhere Renditen bedeuten. Solange die Märkte zuversichtlich bleiben, gibt es eigentlich keinen Grund für einen Renditeanstieg. Um sich des Anlegervertrauens zu versichern, müssen die Regierungen allerdings mit konkreten Plänen aufwarten, wie sie ihre Schulden mittelfristig abbauen wollen. Hier ist vor allem die Situation in den USA von kritischer Bedeutung: Die USA sind die Leitwirtschaft der Welt, der Dollar ist die globale Reservewährung.

Wir meinen allerdings, dass die Märkte über die nächsten zwei, drei Jahre kaum das Vertrauen in die USA verlieren werden. Die gegenwärtige Wachstumsdynamik der amerikanischen Volkswirtschaft stützt diese Auffassung, da mit einem kräftigeren Wirtschaftswachstum auch das Steueraufkommen steigt. Gleichwohl muss die amerikanische Regierung den Märkten mittelfristig konkrete Pläne zum Abbau ihrer Schulden präsentieren.

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.

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