Sell in May... - Saisonalitäten auf dem Prüfstand
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Erwähnte Instrumente
- Dow JonesKursstand: 17.137,36 Punkte (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
- DAX - WKN: 846900 - ISIN: DE0008469008 - Kurs: 9.738,58 Punkte (XETRA)
- Dow Jones - WKN: 969420 - ISIN: US2605661048 - Kurs: 17.137,36 Punkte (NYSE)
Drama! Rette sich wer kann!
Sell in may and go away but remember come back in September. Diesen allseits bekannten Spruch scheinen zuletzt einige Analysten im Hinterkopf gehabt zu haben, denn vermehrt las ich bullische Aussichten, gerade auch für den September. Und tatsächlich, schauen wir uns die letzten Jahre etwas genauer an, kam es im September sehr oft zu steigenden Kursen. Am 1. Handelstag des Monats gekauft und am letzten verkauft und voila, fertig wäre ein netter Gewinn gewesen. Immerhin ging dieses Spiel seit 2005 nur zwei Mal schief. Lediglich in 2008 und 2011 hätten sich die Bullen mit Verlusten rumschlagen müssen.
So einfach kann Traden sein, oder? Was wir mit diesem Beispiel betrachten sind einfache Seasonals. In welchem Monat oder an welchem Wochentag hat der DAX seine größte Chance auf einen Gewinn oder Verlust? Das sind durchaus spannende und nicht zuletzt vielleicht sogar finanziell lohnende Fragen, also gucken wir uns die Sache einmal etwas genauer an.
Starten wir bei der Monatsauswahl. Was wir für den Monat September schnell per Hand überprüft haben, indem wir den Chart auf Monatsbasis stellten, wollen wir nun systematischer angehen und vor allem auch in einer längeren Historie überprüfen. Gerade im Trading fällt man zu gerne in die Falle, aus zu wenigen Daten zu große Rückschlüsse ziehen zu wollen. Oh, hier fünf Gewinntrades in Folge! Das kann doch nur eine Taktik mit einer hohen Trefferquote sein. Das Signal ist höchst zuverlässig, oder? Die Antwort werden Sie sicher bereits ahnen. Für eine statistisch signifikante Aussage reicht ein so geringer Stichprobenumfang einfach nicht aus. Selbst eine Strategie die nachweislich eine Trefferquote von nur 33% besitzt, produziert statistisch gesehen immer noch mit einer Wahrscheinlichkeit von über 1% eine Serie von 4 Gewinnern in Folge. In einer 100er Tradingserie dürften wir folglich eine solch gute Phase höchstwahrscheinlich durchlaufen. In diesem Sinne sollten Sie vorsichtig mit zu schnellen Verallgemeinerungen sein.
Was also ist dran an unserem goldenen September, wenn wir die Kurshistorie ein wenig ausweiten? Leider nicht mehr viel, wie uns Abbildung 1 anschaulich zeigt.
Im Gegenteil. Es wird dramatisch. Hätten wir jeweils am ersten Handelstag des Monats ge- und am letzten verkauft, so hätten wir einen Verlust von 9.560,20 Punkten akkumuliert. Bei diesem sei erwähnt, dass wir die Positionsgröße dem herrschenden Preisniveau angepasst haben. Es ist davon auszugehen, dass der DAX bei einem Kursstand von nur 1.000 oder 2.000 Punkten im Monat weniger Punkte schwankte, als bspw. beim aktuellen Kursniveau um 10.000 Punkte. Immerhin entspricht ein 1%-Gewinn bei diesem Kursstand stolzen 100 Punkten, während die gleiche Performance bei einem Indexstand von 2.000 Punkten gerade einmal 20 Punkte sind. Da scheint es nicht nur fair, sondern auch sinnvoll zu sein, die Positionsgrößen entsprechend anzupassen.
Nachdem wir mit der Performance den ersten Rückschlag zu verkraften haben, wenden wir uns vertrauensvoll der Chance allgemein zu. Vielleicht haben wir ja hier ein wenig mehr Glück. Vielleicht wurde die negative Performance ja nur durch große Ausreißer erzielt, während wir in der Masse der Zeit eher richtig lagen. Aber bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Insgesamt lag die Chance, dass wir im Monat September im Gewinn schließen, bei nur 43%. Na da kann uns ja in den nächsten Tagen und Wochen im DAX noch einiges blühen.
Verfechter der Septembertheorie könnten jedoch immer noch einige Punkte ins Feld führen, um den goldenen September zu rechtfertigen. Punkt Nummer eins wäre – und der ist dann tatsächlich auch in der Performancekurve aus Abbildung 1 erkennbar, dass wohl selbst der Saisonalchart saisonalen Schwankungen unterliegt. Es ist schon sehr auffällig, dass wir die letzten gut 23 Jahre in zwei Perioden unterteilen können. Bis ins Jahr 2004 hinein war nämlich der September absolut kein Wonnemonat, ab diesem Zeitpunkt aber auf der Gegenseite umso mehr. Die über alle Perioden ermittelte Chance von 43% für einen positiven September unterliegt also sehr starken Schwankungen, was eine Prognose für den aktuellen Monat schwer werden lässt. Halten wir uns an die Gesamtstichprobe, müssten wir davon ausgehen, dass wir zum Monatsende eher tiefer notieren. Halten wir uns an die interne Saisonalität – quasi die Saisonalität der Saisonalität - und schreiben die positive Entwicklung seit 2004 fort, lägen die Chancen auf einen Wonnemonat September deutlich höher.
Argument Nummer zwei könnte lauten: In der Summe der letzten fast 25 Jahre war der September zwar nicht unbedingt der beste Monat, aber immer noch besser als bspw. der Januar. Wer ein solches Argument ins Feld führt, sollte aber darauf gefasst sein, dass eine solche Behauptung auch geprüft wird. Wie also sehen die Gewinnchancen der anderen Monate aus?
Dazu schauen wir auf Abbildung 2.
Wie unschwer zu erkennen ist, wäre eine solche Aussage eine böse Falle geworden. Der Monat September ist historisch gesehen der schlechteste Monat, um bei angepassten Positionsgrößen zu kaufen. Er ist sogar nur einer der wenigen Monate überhaupt, die eine negative Performance mit sich bringen. Lediglich noch der August und der Juni brächten ebenfalls ein negatives Ergebnis hervor. Stark hingegen ist der April und auch die vielzitierte Jahresschlussrally bzw. das letzte Quartal können durch unseren kleinen Check bestätigt werden. Die Monate Oktober, November und Dezember könnte man in der Summe tatsächlich als Golden bezeichnen. Ergänzend zu dieser kleinen Auswertung schauen Sie bitte auch noch auf Abbildung 3, wo Sie einen tieferen Einblick in die jeweilige Monatsstatistik erhalten.
Hier sind für eine vor allem tradingtechnische Beurteilung weitere wichtige Kennzahlen wie der Maximale Drawdown, die Trefferquote und der Profitfaktor aufgeführt. Als Einzelmonat glänzt der April in allen Belangen.
Soweit so gut, aber was ist unser bisheriges Ergebnis wert. Lassen Sie uns einen kritischen Blick auf dieses werfen! Ich persönlich habe dabei in zwei Bereichen leichte Bauchschmerzen. So sinnvoll unsere Annahme bezüglich der Positionsgrößenanpassung vor allem aus tradingtechnischer Sicht auch ist, so sehr könnte genau dieser Effekt auch das Ergebnis beeinflussen. Aus diesem Grund wird in Abbildung 4 auf eine Anpassung der Positionsgröße an das Preisniveau und damit die zu erwartende Volatilität verzichtet und immer jeweils nur 1 CFD gekauft.
Wie Sie in dieser aber sehen, bleibt der Monat September ein schwieriger Monat, jedoch wird die negative Performance jetzt noch vom August übertrumpft. Zudem gesellen sich noch die Monate Januar und Mai zu den schwierigen Monaten hinzu. Wir erhalten also ein differenzierteres Bild, aber merken sollten sich die Bullen auch bei dieser Analyse vor allem die Monate April, Oktober, November und Dezember.
Der zweite Kritikpunkt betrifft den immer noch bescheidenen Datenumfang. Wir greifen zwar auf 23 bzw. 24 Jahre zurück, eine für einen Trader wirklich lange Zeit, aber es handelt sich aus statistischer Sicht immer noch um eine nur sehr kleine Stichprobe. Leider wurde der DAX Index erst am 01. Juli 1988 eingeführt. Damit ersetzte er den Index der Börsen-Zeitung, dessen Geschichte zwar bis ins Jahr 1959 zurückgeht, im Rahmen einer Auswertung für uns aber außer Reichweite liegt. Etwas anders sieht es jedoch bei den historischen Daten zum Dow Jones Index aus. Hier können wir auf Kurse ab 1896! zurückgreifen. Gehen wir davon aus, dass sich der DAX gerade in der heute globalisierten Welt nicht vom US Markt abkoppeln kann/konnte, können wir anhand des Dow Jones Index eine umfassendere Stichprobe untersuchen.
In Schritt 1 führen wir wieder die Anpassung der Positionsgröße ein. Ich denke die Notwendigkeit dieses Schrittes wird mehr als deutlich, wenn wir uns vor Augen halten, dass der Dow Jones im Jahre 1896 um 35 Punkte herum gehandelt wurde. Die Schwankungsbreite lag damals bei weniger als 5 Punkten - im Monat wohlgemerkt. Das machen wir heute in 5 Minuten und wollen wir uns die Perfomance der einzelnen Monate anschauen, ist eine Anpassung der Positionsgröße Pflicht. Einfluss auf die Trefferquote hat dies natürlich nicht. Der Monat September im Jahr 1896 war entweder positiv oder nicht, egal wie viele Stückzahlen wir gekauft haben.
Insgesamt stehen uns nun 86 bis 89 Monatskerzen zur Analyse zur Verfügung. Die Abbildungen 5 und 6 zeigen die kumulierten Monatsstatistiken.
Das Bild ist deutlich durchwachsener. So fällt beispielsweise der Monat August aus den schwierigen Monaten heraus, während der September immer noch eine Katastrophe ist. In nur 40% schaffen wir es im September mit einem Gewinn aus dem Handel zu gehen. Stabil bleiben hingegen der November und Dezember. Für eine Jahresendrally liegen die Chancen immerhin bei 58% bzw. 68%. Der Dezember hat insgesamt sogar die größte Wahrscheinlichkeit, positiv zu enden.
Fazit: Von wegen goldener Monat September! Wer Anfang September kauft und dies jahrein jahraus veranstaltet, sollte sein Geld lieber spenden. Aus Sicht der Saisonalität ist der September der schlechteste Monat, um als Käufer im Index aufzutreten. Hier sollte man eher versuchen, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen und in gewisser Weise gilt dies nicht nur für den Index. Vergegenwärtigen wir uns, dass diese lediglich aus Aktienkursen berechnet werden, dann können wir verallgemeinern, dass der September für Aktien kein guter Monat darstellt. Anders hingegen sieht es mit den letzten zwei, drei Monaten des Jahres aus. Hier regieren mehrheitlich die Bullen. Betrachten wir lediglich die Chance auf Kursgewinne, so liegen diese historisch gesehen und mit dem Dow Jones Index als Vergleichsmaßstab nur im Februar, Mai und September unter 50%. Die größten Chancen haben wir hingegen im Dezember, August, März und Januar. In allen Monaten liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Schlusskurs größer ist als der Eröffnungskurs über 60%.
Sell in may and go away but remember come back in september! In diesem schwingt durchaus ein wenig Wahrheit mit, wenn wir uns die vorliegenden Daten anschauen, aber wir haben gesehen, dass es nicht ganz unwichtig ist, wann im September ich mich wieder in den Aktienmarkt einklinke. Wer zu früh kauft, verschenkt Performance. Sell in may and go away but remember come back in November würde eigentlich sogar noch besser passen, wenn wir uns Abbildung 6 anschauen und auch das reimt sich sogar noch. Wer es hingegen etwas aktiver mag, der kann die Saisonalitäten noch effektiver nutzen. Dies kann sich bis in den Intradaybereich hineinziehen. Interessiert es Sie beispielsweise, wann im DAX Intradayverlauf ein guter Zeitpunkt ist, um diesen für zwei, drei Stunden zu kaufen? Dann schauen Sie vielleicht einmal im von mir betreuten Ausbildungspaket vorbei. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg
Ihr Rene Berteit
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@balkansahel
... und mit Blick auf die Frage: wann sollte ich eventuell mein Portfolio hedgen, kann Ihnen die Saisonalität wie unschwer zu erkennen, ebenfalls einen Hinweis liefern. Man muss ja nicht zwangsweise Short gehen. Natürlich können wir Trefferquoten von 60 oder 70% als reinen Zufalll abtun, beweisen kann keiner das Gegenteil dessen, aber ich persönlich finde Zahlen schwarz auf weiß recht überzeugend, auch wenn sich jeder bewußt sein sollte, dass sie kein Garant für die Zukunft sind. Aber was ist das schon.
@balkansahel,
so hat jeder seine Vorgehensweise und solange die Performance für einen selbst stimmt, gibt es keinen Grund, etwas zu ändern. Verpauschalisieren würde ich solche Aussagen jedoch nie. Die Ihrer Meinung nach sinnlose saisonale Betrachtung hätte einen Zusatzgewinn von 9.500 Punkten über die Jahre erbracht. Diesen muss man natürlich nicht nutzen, was ich übrigens bisher auch nicht gemacht habe. Nur deshalb ist das Ganze ja nicht sinnfrei. Sinn macht, was einen Vorteil bringt und der ist in diesem Beispiel recht offensichtlich - nur eben nicht so, wie das Sprichwort pauschal vermuten lässt, sondern eher auf der Gegenseite: Sell Anfang September and come back Anfang Oktober.
Hallo zusammen,
ich freue mich, dass der Artikel sein Ziel erreicht: eine angeregte Diskussion zum Thema. Schon alleine aus diesem Blickwinkel heraus, ist es wohl doch etwas mehr als eine reine Fleißarbeit ;). Wer wie Sie diesen richtig liest, kann nur zu dem Schluss kommen, nicht einfach blind im September oder gar gleich zu Beginn des Monats zu kaufen. Der Artikel hilft folglich, ein paar Euros zu sparen.
Wer gründlich liest, kann zudem noch schicke Taktiken ableiten, die zudem über die Jahre hin sogar noch profitabel waren. Abb. 1 bspw. beinhaltet ein Handelssystem, mit dem man über 9.000 DAX Punkte hätte verdienen können ;).
Natürlich ließen sich die bisherigen Aussagen auch noch verfeinern, aber einen Vorteil müssen meine Kunden im Ausbildungspaket doch auch haben, oder :).
Grundsätzlich ist der Artikel mit der dargelegten Betrachtung richtig - aber:
@Brainbow - hat die Sachlage teilweise richtig gedeutet, mit dem Haken dass er auch nur den jeweiligen Monat (Mai/Sep) referenziert - es ist der kurzfristige Trade Vater der Betrachtung.
Löst man sich in diesem Kontext vom sigulären Monatsblick und deutet das ganz anders so ergibt sich für die "Bauernregel" auch eine andere "Wahrheit":
Hätte man im Verlaufe des Monats September jeweils gekauft und die Position bis in den Monat Mai gehalten um dann im Verlauf des Mai verkauft - ja dann ergibt sich eine ganz andere Performance.
Somit macht die "Bauernregel" durchaus Sinn.
Zur weiteren Stützung der "Bauernregel" sell in mai ... kann paradoxerweise durchaus der Artikel selbst dienen indem man die Statistiken für den Monat September ( resp. Mai) mit einer weitverbreiteten aber selten praktizierten "Trader-Regel" verknüpft:
" Buy low and sell high" !
Also im Klartext: kauf im Verlauf des schwachen(=low) Monats Sepiember ein und verkauf das Zeug (spätestens !!) im nachfolgenden Monat Mai.
Das ergibt ein ganz anderes Bild - auch unter Einbeziehung der Statistik!
Grüsse
Hallo Herr Bertelt,
vielen Dank für diese statistsche Auswertung. Durchaus aufschlussreich.
Ich bin allerdings der Meinung, dass diese Börsenweisheit vielfach mißverstanden bzw. falsch interpretiert wird. Das gilt besonders für uns eher kurzfristig orientierten Trader. Ich schreibe ihn nochmal auf:
"Sell in may and go away. But remember to come back in september."
"Sell in may" kann bedeuten am 01.05. zu verkaufen, aber eben auch am 30.05. genauso wie "come back in september" bedeutet, dass eine Rückkehr in den Markt in der Zeitspanne zwischen dem 01-30.09. sinnvoll ist. Es geht primär nicht um die Entwicklung der Monate Mai/September und diese kann aus der Weisheit auch nicht herausgelesen werden, sondern was dazwischen bzw. danach passiert.
Man sollte es meiner Meinung nach eher als eine Art "Bauernregel" verstehen, die statistisch aufgrund fehlender präziser zeitlicher Definition nur schwer ausgewertet werden kann.
Bauernregel für den 14.09.: Ist`s hell am Kreuzerhöhungstag, so folgt ein strenger Winter nach.
Mal sehn wie hell es am Sonntag wird. Vielleicht suche ich mir dann schonmal einen Long-Schein auf Brent- Crude.
Schönes Wochenende
Genau deswegen habe ich persönlich auch nur 1 Aktie gekauft...
Super Beitrag! Danke!
Gerne. Schauen Sie auch mal bei mir im Stream vorbei, da gab es gerade eben einen kleinen Bonus in Form eines passenden Handelssystems :)
sehr informativer Artikel! Danke dafür :)