Kommentar
11:39 Uhr, 21.02.2014

Schon der kleinste Konjunkturzweifel muss geldpolitisch im Keim erstickt werden

Der von der HSBC Bank veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in China hat sich auf 48,3 eingetrübt und liegt insofern unter der Expansion anzeigenden Schwelle von 50. Für die chinesische Volkswirtschaft wird es entscheidend sein, den Übergangsprozess von einer export- und immobilienseitig gestützten zu einer stärker binnenwirtschaftlich nachhaltig wachsenden Volkswirtschaft zu beschreiten.

Auch Euroland kann sich den zuletzt verhaltenen weltwirtschaftlichen Stimmungsindikatoren nicht entziehen. So hat sich der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in Euroland leicht auf 53 verringert, liegt damit jedoch noch immer komfortabel in expansivem Terrain. Mit einem Wert von 54,7 - nach 56,5 im Vormonat - zeigt sich die Wirtschaftsstimmung in Deutschland zwar nach wie vor optimistisch. Die leichte Stimmungseintrübung verdeutlicht aber die große, auch mental empfundene Abhängigkeit der exportlastigen deutschen Wirtschaft von der Weltkonjunktur, speziell von den Schwellenländern. Eurozonales Problemkind bleibt Frankreich, dessen Einkaufsmanagerindex sich mit 48,5 weiter im Schrumpfung anzeigenden Bereich aufhält.

Auch die vom ZEW befragten Finanzanalysten zeigen sich zuletzt leicht kritischer, was insbesondere auf die Unsicherheiten einzelner Schwellenländer zurückzuführen ist. Die Konjunkturerwartungen sind im Vergleich zum Vormonat etwas schwächer ausgefallen, liegen mit einem Wert von 55,7 jedoch noch immer auf vergleichsweise hohem Niveau. Immerhin schlägt sich der von den Finanzanalysten seit Monaten erwartete Aufschwung in der optimistischsten Lageeinschätzung seit August 2011 nieder.

Internationale Geldpolitik - Wehret den konjunktureintrübenden Anfängen

Die leicht verschlechterte Stimmung in der Weltwirtschaft darf zu keiner nachhaltigen Eintrübung der harten Wirtschaftsfakten führen. Denn ansonsten würden typische konjunkturelle Multiplikatoreffekte zu ernsten Verwerfungen der Weltwirtschaft und speziell in Deutschland führen. Angesichts dieser latenten Gefahr bleibt der internationalen Geldpolitik keine andere Wahl, als ihre Liquiditätsoffensive zur Stabilisierung von Real- und Finanzwirtschaft fortzuführen.

Nach der Stimmungseintrübung in der euroländischen Industrie verdichten sich die Anzeichen, dass die EZB zu einer Anpassung ihrer Konjunktur- und Inflationsprojektionen auf der Zinssitzung am 6. März gezwungen ist. Angesichts der Gefahr einer Disinflation in der Euro-Peripherie ist eine weitere Notenbankzinssenkung auf 0,1 Prozent und eine Senkung des Einlagenzinssatzes auf negatives Niveau sehr wahrscheinlich. Und nach einem zu erwartenden positiven Votum des Europäischen Gerichtshofs in punkto Staatsanleihenaufkäufen steht der EZB auch dieses quantitative Instrument grundsätzlich zur Verfügung.

Und auch die US-Notenbank bleibt expansiv. Gemäß Protokoll der letzten Fed-Sitzung spielt die bisher als Schwellenwert für ein zinspolitisches Handeln herangezogene Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent de facto keine Rolle mehr. Denn sollte dieser Wert erreicht werden - wenn auch nur durch den technischen Umstand, dass sich tatsächlich arbeitslose Amerikaner nicht arbeitslos melden - würde die Fed ihre Glaubwürdigkeit bei ausbleibenden Zinserhöhungen gefährden. Die Hinzunahme weiterer Indikatoren als geldpolitisches Alibi zur Beibehaltung der Niedrigzinsen wäre eine Möglichkeit. Sie könnten als „Gummiparagraphen“ der Fed jede Möglichkeit bieten, die Zinsen auch langfristig auf niedrigstem Niveau zu belassen. Die Radikalmöglichkeit wäre die Komplettaufgabe der Bindung der Zinspolitik an fundamentale Bedingungen. So hat es bereits die Bank of England beschlossen. Es ist zu erwarten, dass die US-Notenbank auf absehbare Zeit keine restriktive Zinspolitik betreiben wird.

Bank of Japan wird zur weltweit offensivsten Notenbank

In Japan will die Bank of Japan offensichtlich keine konjunkturellen Risiken eingehen. Um einer negativen Konjunkturentwicklung vorzubeugen, weitet sie vorsorglich das Volumen ihrer regelmäßigen Kreditvergabegeschäfte an Geschäftsbanken aus. Zwar ist der Umfang dieser Maßnahmen vorerst noch gering. Ihr kommt es aber vor allem auf die Signalwirkung an, dass sie auf negative Konjunkturüberraschungen - sollte z.B. die anstehende Mehrwertsteuererhöhung die japanische Wirtschaft stärker bremsen als gedacht - schnell reagieren wird. Unabhängig davon muss die Bank of Japan im Kampf gegen das japanische Deflationsgespenst die Erreichung ihres Inflationsziels von zwei Prozent sicherstellen.

Ein weiteres Problem, dass die japanische Notenbank im Auge behalten muss, ist der Zins- und Tilgungsdienst auf die dramatische japanische Schuldenquote. Angesichts weiterer Konjunkturpakete ist sogar von einer weiter zunehmenden Staatsverschuldung auszugehen. Ein markanter Anstieg der Zinszahlungen würde Japans Finanzstabilität ernsthaft gefährden. Insofern ist die Bank of Japan gezwungen, die Renditen japanischer Staatsanleihen weiter extrem zu drücken. Dabei treibt diese ultralockere Notenbankpolitik absurde Stilblüten. Trotz einer immer weiter ansteigenden japanischen Staatsverschuldung seit 1990 von etwa 70 Prozent bis 2015 auf ca. 270 Prozent der Wirtschaftsleistung verringerten sich die jährlichen Zinszahlungen als Anteil an den Staatsausgaben von 15 auf unter zwei Prozent. Zur Aufrechterhaltung der japanischen Zahlungsfähigkeit gibt es für die Bank of Japan kein Entkommen aus dieser geldpolitischen Rettungsnummer.

Grafik der Woche: Japanische Staatsschulden in Prozent des BIP und Anteil der japanischen Zinszahlungen, in Prozent der Staatsausgaben

Die Erwartungshaltung auf eine Aufrechterhaltung der ultralockeren Geldpolitik in Japan hat bereits zu massiven kreditfinanzierten, japanischen Aktienkäufen geführt. Investoren verschulden sich zu aktuell niedrigen Zinsen und legen das Geld in Aktien an. Das Volumen von Wertpapierkrediten an den japanischen Börsen ist auf das höchste Niveau seit Ende 2007 gestiegen. Insofern ist eine Verstetigung japanischer Aktien nach der Korrektur der letzten Wochen zu erwarten.

Sofern sich die Yen-Abschwächung - die die Bank of Japan massiv betreibt - fortsetzt, ist mit weiteren, auch deutlichen Kurssteigerungen im Nikkei 225 zu rechnen. Schließlich dürften auch die Unternehmensgewinne in Folge zunehmender Exporterlöse weiter steigen. Beginnend mit der Diskussion über die japanische Liquiditätsoffensive im Jahr 2012 hat sich die Gewinnentwicklung der japanischen Industrie im Trend bereits spürbar erholt.

Grundsätzlich ist kein anderer Aktienmarkt aus den Industrieländern von seinem historischen Höchststand so weit entfernt wie der japanische Leitindex. Aktuell notiert er bei etwa 15.000 Punkten. Ende 1989 notierte er noch bei ca. 39.000.

Aktuelle Marktlage und Charttechnik

Die Lage an den Finanzmärkten zeigt sich nach den Stimmungsschwankungen der Weltwirtschaft weiterhin volatil. Dies signalisiert im Rahmen der Berichtsaison auch Henkel. Das Unternehmen gibt nach einem Gewinnanstieg 2013 von gut sechs Prozent zum Vorjahr einen zurückhaltenderen Ausblick: Die Wechselkursverwerfungen in wichtigen Auslandsmärkten sowie ein grundsätzlich schwierigeres Konjunkturumfeld könnten nur noch zu einem hohen einstelligen Gewinnwachstum führen.

Es wird weiter entscheidend sein, dass eine großzügig bleibende Geldpolitik die konjunkturellen, aber vor allem auch finanzpsychologischen Wogen glättet. Für das 1. Halbjahr 2014 ist mit erhöhten Kursschwankungen zu rechnen. Im 2. Halbjahr wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass sich die konjunkturelle Lage der Schwellenländer - zumindest im harten Kern - festigt.

Aus charttechnischer Sicht liegt die erste Hürde im DAX auf dem Weg nach oben bei 9.672 Punkten. Wird diese Marke dynamisch überwunden, verläuft der nächste Widerstand am bisherigen Jahreshoch bei 9.794 Punkten. Darüber bietet die obere Begrenzung des Aufwärtstrendkanals bei derzeit 9.954 und die Marke bei 10.000 Punkten Widerstand.

Im Falle einer kurzfristig möglichen Konsolidierung findet der DAX dagegen bei 9.582 und darunter bei 9.478 Punkten erste Unterstützungen. Bei einer stärkeren Korrektur dürfte der Bereich um 9.340 Punkte Halt geben.

Das passiert in der 9. Kalenderwoche

Auf Unternehmensebene dürfte das Pharmaunternehmen Bayer dank einer soliden Entwicklung in der Pharma- und Agrarsparte ein ebenso solides Ergebnis vorweisen. Fresenius und Fresenius Medical Care werden aufgrund des Wachstumskurses in den Bereichen Infusions- und Ernährungstherapie robuste Zahlen präsentieren. Der Chemiekonzern BASF dürfte sein Ergebnis-Tief durchschritten haben. Entscheidend bleibt der Ausblick.

Auf Makroebene stehen in den USA die Auftragseingänge langlebiger Güter erneut unter dem negativen Einfluss des kalten Winters. Die Konjunkturstimmung, gemessen am Einkaufsmanagerindex der Industrieregion Chicago, signalisiert jedoch einen anhaltenden Expansionskurs der US-Konjunktur. Dazu trägt auch das solide Konsumentenvertrauen der Universität von Michigan bei.

In Euroland richtet sich der Fokus der Anleger auf die Inflationsdaten für Januar. Ein erneuter Rückgang der Inflationsrate würde der EZB weitere Munition für eine noch expansivere geldpolitische Ausrichtung geben.

Das Hauptinteresse der Finanzmarktteilnehmer fokussiert sich auf die ifo Geschäftsklimadaten. Welchen Einfluss hat die Unsicherheit der Schwellenländer insbesondere auf die Geschäftserwartungen des verarbeitenden Gewerbes? Der GfK Konsumklimaindex dürfte sich weiter robust zeigen.

Halvers Woche: Edelmetalle - Sie glänzen, sie glänzen nicht, sie glänzen…

An Edelmetallen scheiden sich die Geister. Für die einen ist es nur eine Anlageform für Endzeitbeschwörer. Für die anderen ist es das einzig Wahre in krisenhafter Zeit. Immerhin führen Gold und Silber - nach einem glanzlosen Jahr 2013 - die Performance-Hitliste aller wichtigen Anlageklassen mit jeweils ca. 10 Prozent Kursgewinnen an.

Als Gründe dafür werden zunächst die sattsam bekannten, alten Krisensymptome in Euroland - Überschuldung, Euro-Politik - und die neuen z.B. in den Schwellenländern genannt. Ein Begründungs-Evergreen ist natürlich weiterhin die blutarme Alternativanlageform „Zinsvermögen“. Dort bleibt nach Preissteigerung nix oder sogar noch weniger als nix übrig. Und als „Dankeschön“ zahlen wir oben drauf auch noch Abgeltungssteuer. Überhaupt, die Diskussion, wie Anleger in Sparbüchern, Festgeldern und Staatspapieren im Bedarfsfall an der Kernsanierung der überschuldeten Staatsfinanzen beteiligt werden können, hält sich hartnäckig. In Zypern hatte man bereits 2013 einen Versuchsballon in der Disziplin „Umgekehrter Banküberfall“ gestartet.

So hat der Zinssparer ein doppeltes Anlageproblem: Keine Rendite in guten Zeiten und in schlechten Zeiten geht es auch noch ans Eingemachte, an die Substanz. Trotzdem legen wir Deutschen unser Geldvermögen ironischerweise treu wie Gold zu etwa 80 Prozent in Zinsvermögen an. Wer hat eigentlich behauptet, wir Deutschen hätten keinen Humor?

Geld schmiert zwar Gold

Die entscheidende Backhefe für Edelmetalle ist Geld, das Geld der Notenbanken. Unsere EZB bleibt der hochprofessionelle Schuldenmanager der Eurozone. Mit Blick auf das Schulden- und Wirtschaftselend in Euro-Süd soll ihre Wunderheilung möglichst nach dem Mond-Prinzip verlaufen: Die Krise darf sich kurz am Abend zeigen, spätestens am nächsten Morgen muss sie aber verschwunden sein. Ohnehin will man mit Blick auf die Europawahl am 25. Mai 2014 den Euro-kritischen Parteien auf keinen Fall Wasser auf ihre politischen Mühlen leiten. Was könnten die ansonsten im Europaparlament so alles anrichten! Mit einer Alles wird gut-Beruhigungsstrategie will man sozusagen eine vermeintliche Unterwanderung der linientreuen Metzgerinnung durch subversive Vegetarier behindern.

Gegenüber Japans Staatsverschuldung von weit über 200 Prozent der Wirtschaftsleistung ist Griechenland ein Stabilitätsanker. In Nippon werden schon 25 Prozent der Steuereinnahmen für Zins- und Tilgungsleistung verwendet. Die Bank of Japan ist gezwungen, mit geldpolitischer Zinsdrückung das Leben des japanischen Finanzministers - sein Schuldenmanagement - zu vereinfachen. Zuletzt hat sie ihrer Freude an geldpolitischer Offensivkraft noch etwas mehr Nachdruck verliehen.

Und die Geldpolitik in den USA? Nun, seit dem ersten offiziellen Auftritt von Janet Yellen als Notenbankchefin wissen wir, dass die geldpolitischen Falken bei der Fed Hausverbot haben und für die geldpolitischen Tauben der permanente Tag der offenen Tür ausgerufen wurde. Wie anderenorts Mutti, hat Mum in Amerika alles im Griff.

Frei nach Marlene Dietrich könnte man sagen: Die Notenbanken sind von Kopf bis Fuß auf Rettung eingestellt. Wenn das mal keine solide Glanzpolitur für Gold und Silber ist.

Aber die Geldpolitik kann vorerst keine Ersatzwährung zu Geld zulassen

Da mag es zunächst wie ein Widerspruch klingen, dass sich die Notenbanken aktuell einem dramatischen Anstieg von Gold und Silber entgegen stellen. Denn ihre Finanzweltrettung ist auf Dollar, Yen und Euro, also auf Geld gebaut. Harte und steigende Ersatzwährungen gegenüber Geld? So begründet dies fundamental auch wäre, es kann nicht sein, was nicht sein darf. Man stelle sich vor, der Friseur um die Ecke käme auf die Idee, als Lohn für Kurzharrschnitte oder Dauerwellen statt Euro als Papiergeld Edelmetallunzen zu verlangen. Würde dieses Beispiel einer Alternativwährung Schule machen, wäre die bislang tatsächlich funktionierende „Geld“-politische Finanzweltrettung zukünftig ungefähr so erfolgreich wie Heizen im Winter bei offenen Fenstern. Also halten die Notenbanken - obwohl die physische Goldnachfrage grundsätzlich robust ist - die Kurse von Gold und Silber mit ihrer Liquiditätskeule über die Terminmärkte unten. Ende des Jahres könnte Gold daher „nur“ bei ca. 1400 stehen und Silber Richtung 25 US-Dollar gehen.

Gold und Silber werden früher oder später glänzen

Beim Kurspotenzial von Gold und Silber ist also Geduld gefragt. Immerhin aber erfüllen Gold und Silber schon heute ihre Werterhaltungsfunktion. Denn die langfristige Perspektive sollte nicht ignoriert werden. Früher oder später werden wir für die geldpolitisch gekünstelte Stabilität der in Schuldenschönheit erstarten Finanzwelt einen hohen Preis zahlen müssen. Leistung ohne Gegenleistung funktioniert in der Finanzwirtschaft nicht. Die Inflation wird irgendwann zuschlagen und die Sicherheit der Staatspapiere neu definiert. Und genau dann wird aus dem schönen deutschen Volkslied „Gold und Silber lieb' ich sehr…“ein Evergreen.

Übrigens, die Notenbanken kaufen zu den von ihnen subventionierten Preisen physisches Gold regelmäßig selbst. Sie werden wissen warum. Gegen einen Edelmetallanteil am Gesamtvermögen von bis zu 10 Prozent ist nichts einzuwenden.

Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick

Kapitalmarkt auf einen Blick

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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