Russland: Der Bär ist momentan in voller Fahrt
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Externe Quelle: Deutsche Bank
Russland steht hinter Präsident Putin – diesen Eindruck vermitteln zumindest die offiziellen Ergebnisse der jüngsten Parlamentswahlen vom 2. Dezember. Im Nachgang der Wahl hatte Putin Anfang der Woche Licht ins Dunkel hinsichtlich seiner Amtsnachfolge gebracht, indem er Dmitri Medwedew seine Unterstützung bei der Kandidatur für das Präsidentenamt zusicherte. Der „Putin-Bonus“ wird dem als liberal geltenden Medwedew bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden März mit Sicherheit helfen, auch tatsächlich ins höchste Staatsamt gewählt zu werden. Medwedew verkündete bereits einen Tag nach seiner Nominierung durch Putin, dass er sich Putin nach Ablauf von dessen Amtszeit als neuen Premierminister wünscht. Bezüglich einer solchen Konstellation besteht im Rahmen der Verfassung durchaus Spielraum für eine Kompetenzverschiebung vom Präsidenten zum Ministerpräsidenten. Daneben käme Putin in der Position des Ministerpräsidenten die konstitutionelle Duma-Mehrheit der Partei „Einiges Russland“ zugute.
Rohstoffpreise beflügeln
Die offensichtliche Beliebtheit Putins resultiert nicht nur aus einer im Vergleich zur Jelzin-Ära höheren politischen Stabilität. Auch die russische Wirtschaft hat seit Putins Amtsantritt im Jahr 2000 in bemerkenswerter Weise an Fahrt gewonnen. Dank hoher Rohstoffpreise konnte Russland seit 1999 ein BIP-Wachstum von über 6% pro Jahr verzeichnen. Mit einem für 2007 auf eine Billion US-Dollar geschätztem BIP ist der rechtliche Nachfolgestaat der Sowjetunion inzwischen zur weltweit elftgrößten Volkswirtschaft aufgestiegen. Das BIP pro Kopf hat sich seit 2003 mehr als verdoppelt und wird sich 2007 auf 8700 US-Dollar belaufen. Als eine Hauptstütze des Wirtschaftswachstums erwies sich der Konsum, den wiederum steigende Reallöhne in Folge des Ölpreisbooms angetrieben haben. Auch die Exporte sind deutlich angestiegen, wenn auch in geringerem Maße als die Importe, wobei vor allem der Handel mit Deutschland eine zentrale Rolle spielt: Mit 14 Prozent der Importe im Jahr 2006 stellt Deutschland den wichtigsten Handelspartner Russlands dar, bei den Exporten belegt es aus russischer Sicht immerhin den dritten Platz. Zunehmend stützt sich die positive Wirtschaftsentwicklung auch auf Investitionen, die im vergangenen Jahr einen höheren Beitrag zum BIP-Wachstum geleistet haben als in den Perioden zuvor. Mit einem Anteil von 18 Prozent des BIP bewegten sie sich in 2006 dennoch nach wie vor auf einem vergleichweise niedrigen Niveau. Um das Wirtschaftswachstum langfristig zu stützen, wäre ein wesentlich höheres Investitionsvolumen notwendig: Längst bewegt sich die russische Wirtschaft am Rande ihrer Kapazität, deren Auslastung von knapp zwei Dritteln im Jahr 1999 auf 80 Prozent 2006 gestiegen ist. Darüber hinaus ist der Kapitalstock stark überaltert, die Hälfte der Ausrüstung ist seit über 20 Jahren im Einsatz, nur 9 Prozent sind jünger als fünf Jahre. Den dringenden Handlungsbedarf hat der Staat jedoch inzwischen erkannt und bereits mehrere Projekte zur Modernisierung und Erhöhung des Kapitalstocks angestoßen.
Wettbewerbsfähigkeit steht unter Druck
Sorgen bereitet den Behörden dagegen eine alte Bekannte: Die Inflationsrate hat in den vergangenen Monaten erneut den zweistelligen Bereich erreicht. Wohl auch im Hinblick auf die anstehenden Wahlen ließ die Regierung daraufhin Ende Oktober die großen Lebensmittelproduzenten und Einzelhandelsketten ein freiwilliges Abkommen unterzeichnen, nach dem die Preise für bestimmte Produkte bis Ende Januar eingefroren werden. Unter anderem die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) fühlte sich durch diese Reaktion prompt an planwirtschaftliche Zeiten erinnert und äußerte ihre Kritik in ihrem jüngsten Transition Report. Generell stellen Preissteigerungen eine ernstzunehmende Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit der russischen Wirtschaft dar. Eine zweite Gefahr ist in diesem Zusammenhang der Aufwertungsdruck auf die russische Währung, der aus hohen Exporterlösen und stark angewachsenen Kapitalzuflüssen in Folge der 2006 eingeführten Rubelkonvertibilität resultiert. Nur aufgrund von Zentralbankinterventionen konnte der nominale Wechselkurs des Rubel gegenüber einem Währungskorb aus Dollar und Euro weitgehend konstant gehalten werden. Die Konsequenz dieser geldpolitischen Massnahme ist jedoch nicht nur ein Anstieg der Währungsreserven, die mit 463 Mrd. US Dollar inzwischen nach China und Japan das weltweit drittgrößte Volumen ausmachen, sondern auch ein rasantes Wachstum der inländischen Geldmenge. Ein Angebotsüberhang der Geldmenge führt früher oder später zu steigendem Preisniveau, was gleichbedeutend ist mit einer realen Aufwertung des Rubels –und wiederum der Wettbewerbsfähigkeit einen Dämpfer verpasst. In diesem Zusammenhang ist auch die neuerliche Tendenz der Regierung, die fiskalpolitischen Zügel zu lockern, sehr kritisch zu beurteilen. Mildernd könnte sich dabei auswirken, dass in diesem Jahr erstmals der Planungshorizont des Budgets von einem auf drei Jahre erweitert wurde.
Institutionen noch schwach
Der Anstoß verschiedener Reformprojekte, wie beispielsweise die bis 2011 geplante Liberalisierung von Gas- und Elektrizitätspreisen, und die gegenwärtig günstige Entwicklung vieler gesamtwirtschaftlicher Schlüsselgrößen sollten jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass noch einige institutionelle Mängel vorherrschen: Neben der noch unvollständig entwickelten Demokratie stellt die Rechtsstaatlichkeit, die sich laut Weltbank seit 2004 verschlechtert hat, sowie die nach Einschätzung von Transparency International wieder zunehmde Korruption weiterhin nicht zu unterschätzende Risiken für Investoren dar. Darüber hinaus sticht neben den Streitigkeiten um die Erschließung des Sakhalin-Gasfelds der jüngste Konflikt um Überflugrechte über russisches Territorium als Beispiel wirtschaftspolitischer Einflussnahme ins Auge. Zu Transparenz hinsichtlich ausländischer Investitionsmöglichkeiten soll das mittlerweile für das kommende Jahr geplante Investitionsgesetz beitragen, dass Höchstgrenzen für den Anteil ausländischer Investoren in 39 strategisch wichtigen Bereichen festlegt.
Großes Potenzial für Investoren
Und dennoch - trotz der Unwägbarkeiten des russischen Marktes erreicht die ausländische Investitionsbegeisterung neue Höhen: Allein 2006 ist das Volumen ausländischer Direktinvestitionen auf 28.7 Mrd. US Dollar von 12.7 Mrd. US Dollar in 2005 gestiegen, ein Boom, der auch im laufenden Jahr mit 36.7 US Dollar von Januar bis September anhält. Mit einem Anteil an den Direktinvestitionen von nur rund 5% im vergangenen Jahr spielt Deutschland hier allerdings eine deutlich weniger bedeutende Rolle als beim Handel. Ein Großteil der Direktinvestitionen fließt in den Energiesektor, auch der Anteil des verarbeitenden Gewerbes und des Einzelhandels hat mittlerweile jedoch stark zugenommen: Wie beispielsweise vor wenigen Tagen bekannt wurde, wird sich ein französischer Autobauer beim grössten russischen Automobilhersteller mit einer Sperrminorität beteiligen. Auch an weitereren Zukunftsperspektiven mangelt es nicht: Unter Beteiligung privater Investoren soll die beachtliche Summe von einer Billion US Dollar in den kommenden zehn Jahren in die marode Infrastruktur gesteckt werden. Zahlreiche Investitionsmöglichkeiten dürfte außerdem die Wahl Sotschis als Austragungsort der Olympischen Winterspiele im Jahr 2014 eröffnen. Daneben locken vor allem das im Vergleich mit der EU wesentlich stärkere ökonomische Wachstum und die geringere Marktsättigung in vielen Bereichen, welche trotz sinkender Tendenz wesentlich höhere Margen als der europäische Markt bieten, ausländische Investoren nach Russland. Für die in- und ausländische Konsumgüterindustrie und die Finanzbranche ist beispielsweise das lukrative Geschäft mit den zahlreichen russischen Millionären von besonderem Interesse. 2006 verzeichnete Russland nach Singapur, Indien und Indonesien mit 15,5 Prozent das stärkste Wachstum von sogenannten High Net Worth Individuals mit einem liquiden Vermögen von mehr als einer Million US-Dollar, deren Zahl auf 119000 angewachsen ist. Auch der Konsum der weniger wohlhabenden Russen hat stark zugenommen, die Finanzierung erfolgt hier vermehrt über Kredite. Von einem Konsumwachstum von etwa 82 Mrd. US-Dollar im Jahr 2006 finanzierten russische Haushalte schätzungsweise 32 Mrd. US-Dollar über Bankkredite. Auch ausländische Banken wollen an diesem Boom teilhaben: Ihre Anzahl ist seit Januar 2006 um rund ein Drittel gestiegen, ihr Anteil an den Vermögenswerten des Bankensektors wuchs im gleichen Zeitraum von 8,3 auf 12,3 Prozent. Das Aufholpotential des russischen Bankensektors ist damit jedoch noch lange nicht ausgeschöpft, dessen zukünftige Entwicklung insbesondere für das langfristige Wirtschaftswachstum und die Bereitstellung von langfristigem Kapital für Unternehmen eine wichtige Rolle spielt. Auch anspruchsvollere Finanzprodukte wie Derivate oder Verbriefungen zur Risikodiversifikation von Banken und Unternehmen gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Doch auch am russischen Finanzmarkt war das Bild in den vergangenen Monaten nicht gänzlich ungetrübt: Die Krise am amerikanischen Hypothekenmarkt ist auch hier nicht unbemerkt vorübergegangen. Ähnlich wie in Europa und den USA sind die Zinsen auf dem Interbankenmarkt stark angestiegen, was die russische Zentralbank dazu veranlasst hat, die Situation mit der verstärkten Bereitstellung von Liquidität zu beruhigen. Aufgrund der insgesamt positiven wirtschaftlichen Entwicklung, der hohen Devisenreserven und der geringen Staatsverschuldung konnten die Folgen der Krise bisher jedoch wirkungsvoll abgefedert werden.
Anlass für Zuversicht
Auch der Blick in die Zukunft bietet weiterhin Anlass zu Optimismus: Für das Wirtschaftswachstum sind weiterhin Wachstumraten von rund 6 Prozent pro Jahr zu erwarten, Triebfeder sind neben dem Konsum zunehmend Investitionen. Da die Ölpreise aufgrund von Angebotsknappheit, Nachfrageboom und anhaltender Instabilität im Nahen Osten vermutlich auch weiterhin hoch bleiben werden, sind auch die Aussichten für den von Energieunternehmen dominierten Aktienmarkt positiv. Für private Anleger bestehen zahlreiche Möglichkeiten, an dieser Entwicklung teilzuhaben: Einige Banken bieten inzwischen rein russische Aktienfonds oder Zertifikate auf den russischen Aktienindex RTS an. Für besonders risikofreudige Investoren ist auch der Erwerb von Aktienanteilen über Global Depository Receipts möglich. Am russischen Anleihenmarkt kann man ebenfalls über Fonds partizipieren, jedoch meist im Rahmen von breiter gestreuten Osteuropa- anstatt reinen Russland-Anleihefonds. Auch hier können Anleger Einzeltitel erwerben. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Staat zur Zeit keine Anleihen in Euro ausstehen hat und beim Erwerb von Dollaranleihen das Wechselkursrisiko bedacht werden muss. Bei einigen Unternehmensanleihen ist darüber hinaus die Mindestanlage beträchtlich. Die Liquidität der Anleihen ist für Anlagevolumina bis 100 Tausend Euro bei staatlichen Anleihen sowie bei grossen Unternehmen verhältnissmässig gut, jedoch noch geringer als in weiter entwickelten Märkten. Ein Engagement am lokalen Anleihenmarkt ist für Privatanleger hingegen bislang noch kaum möglich, was sich allerdings unter anderem aufgrund des zunehmenden Interesses internationaler Investoren an lokalen Schwellenländermärkten in naher Zukunft ändern könnte.
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