Kommentar
13:42 Uhr, 13.12.2013

Reinen Tisch machen für das Börsenjahr 2014

Zum Jahresende hin zeigt sich die chinesische Wirtschaft standhaft. Der Export konnte sich zuletzt mit 12,7 Prozent gegenüber Vorjahr deutlich von der Schwächephase im Sommer erholen. Dabei weist der chinesische Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe mit seiner Export-Neuauftragskomponente - sie liegt seit vier Monaten stabil über der Expansion anzeigenden Schwelle von 50 - auch weiterhin auf einen robusten Export hin.

Auch in Japan geht es konjunkturell bergauf. Zwar ist die japanische Wirtschaft im vergangenen III. Quartal 2013 mit 0,3 anstatt 0,5 Prozent zum Vorquartal langsamer als geschätzt gewachsen. Allerdings verspricht ein neues von der Regierung beschlossenes Konjunkturpaket über umgerechnet rund 130 Mrd. Euro auch für 2014 Wachstumsimpulse, die der April geplanten Mehrwertsteuererhöhung von fünf auf acht Prozent entgegenwirken.

Ohnehin dürfte die Bank of Japan im Ernstfall einer Wachstumsabschwächung ihre bereits geplante Liquiditätsoffensive im kommenden Jahr noch weiter ausweiten. Eine Hauptstoßrichtung bleibt die geldpolitisch betriebene Abwertung des japanischen Yens. Währungsseitige Verbesserungen der preislichen Wettbewerbsfähigkeit schlagen sich bereits in steigenden Exporten japanischer Produkte und Dienstleistungen auf den Weltmärkten nieder.

Grafik der Woche: Japanischer Yen, handelsgewichtet und japanische Exporte, Prozent zum Vorjahr

Währungsabwertungswettlauf kann die EZB nicht kalt lassen

Auch die EZB ist gezwungen, im Rahmen des globalen Währungsabwertungswettlaufs den Blick auf den Euro zu richten, der seit Mitte 2012 eindeutig Stärke gegenüber den wichtigsten Handelswährungen zeigt. Denn vor dem Hintergrund einer lahmenden Binnenkonjunktur in Euroland sowie schwacher Investitionen ist die Exportwirtschaft ein bedeutender Faktor für die euroländische Gesamtwirtschaft. Allerdings zeigt sich der Export im Trend gehemmt. Offiziell würde das die EZB zwar nie zugeben, aber die letzten geldpolitischen Erleichterungen - z.B. die Zinssenkung auf 0,25 Prozent - zielte auch auf eine Abwertung des Euros ab.

Vor diesem Hintergrund sind 2014 weitere geldpolitische Maßnahmen - u.a. ist eine erneute EZB-Leitzinssenkung und ein negativer Einlagenzins denkbar, um Geschäftsbanken vom Geldparken bei der Notenbank abzubringen - möglich, wenn nicht sogar gerechtfertigt. Und dann sind auch Aufkäufe von Staatstiteln, die aufgrund sinkender Renditen ihre Attraktivität auch für außereuropäische Anleger schmälern, kein Tabu mehr. Zusätzliche Argumente hierfür liefern die abwärts gerichteten Inflationsrisiken in Euroland: Die Teuerungsrate liegt bei 0,9 Prozent.

Dass die geldpolitische Allmacht an den Finanzmärkten grundsätzlich Wirkung zeigt, ist an den Renditeaufschlägen 10-jähriger spanischer und italienischer zu deutschen Staatsanleihen seit dem Rettungsversprechen der EZB im Juli 2012 abzulesen. Sie befinden sich aktuell auf dem niedrigsten Niveau seit Juni 2011.

US-Budgetkompromiss liefert der Fed Tapering-Argumente

Demokraten und Republikaner beweisen mit einer Kompromisslösung im bis dato schwelenden US-Budgetstreit Handlungs- und damit Lernfähigkeit. Der direkte wirtschaftliche Niederschlag für die US-Konjunktur hält sich zwar in Grenzen. Wichtiger ist jedoch die Symbolik dieser Einigung. Der Anhebung des aktuellen US-Schuldenlimits, das nur bis zum 7. Februar 2014 befristet ist, steht nun nichts mehr im Wege. Ein potenzieller Unsicherheitsfaktor für die US-Wirtschaft für das nächste Jahr ist damit vermutlich vom Tisch. Noch wichtiger ist jedoch, dass die im letzten Jahr vom Haushaltsstreit schwer betroffenen Emerging Markets entlastet werden: Kapitalflucht und Investitionszurückhaltung sind nicht mehr zu erwarten. So kann die wichtige Rolle der Schwellenländer für die Weltkonjunktur erhalten werden.

Vor diesem Hintergrund wächst der Druck auf die US-Notenbank, die Drosselung ihres Anleihenaufkaufprogramms bereits auf ihrer Zinssitzung in der nächsten Woche zu beschließen. Denn neben der nicht zu leugnenden Verbesserung der Situation am US-Arbeitsmarkt ist mit der Lösung im US-Haushaltsstreit ein stets von der Fed zumindest inoffiziell betonter zweiter Risikofaktor für die US- und Weltwirtschaft weggefallen. Im vergangenen September noch hat Ben Bernanke einen Rückzieher in punkto Tapering gemacht, um den Budgetverunsicherungen geldpolitisch entgegenzuwirken.

Aktuelle Marktlage und Charttechnik

So hat die US-Notenbank nun in der kommenden Woche eine passende Gelegenheit, mit der Verkündung des Tapering reinen Tisch zu machen. Damit würde sie eine diesbezügliche Verunsicherung - über das Ob und Wie des Tapering - nicht in das Neue Jahr tragen. Es würden klare Fakten geschaffen. Wenn die Fed zusätzlich die Vorabfestlegung auf niedrige Zinsen verlängert, indem sie schwächere Konjunkturprojektionen bis 2016 vornimmt, würde sie möglichen Tapering-bedingten Marktturbulenzen noch mehr Wind aus den Segeln nehmen. Insgesamt wäre ein imaginäres Handicap für weiter steigende Aktienmärkte aus dem Weg geräumt.

Aus charttechnischer Sicht sind im DAX kurzfristig weitere Kursverluste möglich, sollte das kürzliche Korrekturtief bei 9.070 Punkten nicht zurückerobert werden. Dann muss eine Fortsetzung der Korrektur bis zur nächsten Unterstützung bei 8.962 Punkten einkalkuliert werden. Weitere Auffanglinien warten bei 8.770 und 8.750 Punkten.

Stabilisiert sich der DAX, dürfte er aufgrund der überverkauften Lage nach der Korrekturphase erneut einen Anlauf in Richtung Jahreshoch starten. Wird dabei der Widerstand bei 9.070 und 9.253 Punkten überwunden, warten an der Marke bei aktuell 9.363 und darüber bei 9.424 Punkten die nächsten Barrieren. Durchbricht der DAX auch diese Hürden, nimmt er Kurs auf das Jahresendziel bei 9.500 Punkten.

Das passiert in der 51. Kalenderwoche

Alle Aufmerksamkeit gilt der Zinssitzung der US-Notenbank am 17. und 18. Dezember. Nach dem zuletzt starken Arbeitsmarktbericht wird mit Spannung erwartet, ob die Fed die Drosselung ihres Anleihenaufkaufprogramms an diesen Tagen beschließt oder die US-Konjunkturerholung zunächst weiter beobachtet. Beeinflussende Wirkung könnte auch der Bekanntgabe der Inflationsrate zukommen, die keinen signifikanten Anstieg verzeichnen dürfte.

Die US-Konjunkturerholung setzt sich fort. Nach einem schwachen Start in das Schlussquartal 2013 dürfte die Industrieproduktion im November an Fahrt aufgenommen haben und der Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed deutet eine weitere Dynamisierung der US-Industrie an. Wichtige Konjunkturimpulse kommen zudem vom US-Immobiliensektor. Entsprechend robust dürften die Zahlen zu den Baubeginnen und -genehmigungen ausfallen.

Auch in Euroland kommt es zum konjunkturellen Stimmungstest. Ein erneut nur leicht steigender Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in Euroland dürfte eine Euro-Konjunkturerholung nur in Trippelschritten signalisieren. Dabei fällt insbesondere die französische Industrie weiter als Problemkind auf. Deutlich besser wird der deutsche Einkaufsmanagerindex ausfallen. Dieses positive Konjunkturbild dürften sowohl die ZEW Konjunkturerwartungen als auch die ifo Geschäftsklimadaten unterstreichen.

In Japan bestätigt der von der Bank of Japan veröffentlichte Tankan-Index eine verbesserte Stimmung japanischer Großunternehmen.

Wie ein Frosch im Kochtopf der Finanzwelt

Die Wertentwicklungen von DAX, MDAX oder S&P 500 seit 2009 lügen nicht: Wir haben gute Aktienjahre hinter uns. Hinter diesen blendenden Schaufensterauslagen hat sich nicht weniger als eine Finanz-Revolution abgespielt. Wären wir Anleger 2008 vor der Lehman-Pleite wie Dornröschen eingeschlafen und erwachten plötzlich in den heutigen Finanzmarktverhältnissen mit dem Wissen von damals, würde der ein oder andere von uns vermutlich Schnappatmung bekommen.

Dieser epochale Verwandlungsprozess fällt deutlich weniger auf, wenn man ihn Schritt für Schritt erlebt, mäßig, aber regelmäßig. Und zwischenzeitlich kann man sich sogar sehr wohl dabei fühlen. Eigentlich ist es wie beim berühmten Frosch, der in einen Kochtopf gefüllt mit kaltem Wasser gesetzt wird, das auf einer Herdplatte erhitzt wird. Die Kälte lässt den Frosch anfangs frösteln. Durch den langsamen Prozess der Temperatursteigerung fühlt er sich irgendwann sehr wohl, spürt allerdings auch die zunehmende Gefahr der Überhitzung nicht, bis es irgendwann zu spät ist.

Als in Euroland ab 2009 die Stabilitätshüllen zum Zwecke der Rettung der Finanzwelt fielen, die einst eisernen Defizitkriterien marshmallowisierten und die Stabilitätsunion begann, sich in eine Schulden- und Transferunion zu verwandeln, wurden die deutschen Anleger in kaltes Wasser geworfen. Wir vermissten unsere deutsche Stabilitätskultur.

Geldpolitische Wärme für fröstelnde Finanzmärkte

Nach dem ersten stabilitätspolitischen Kulturschock haben wir aber erkannt, dass es ohne diese „Kunstgriffe“ wohl auch unsere Eurozone kalt erwischt hätte. Wir machen es wie Amerika und meistern Krisen mit dem schnöden Mammon: Geld.

Ein Ende dieser international verabreichten Wundermedizin ist nicht in Sicht. Das Tapering - die Drosselung der Liquiditätszuführung - ist ein Etikettenschwindel. Denn selbst wenn es kommt - und es wird kommen - wird in Amerika auch morgen und übermorgen noch jeder Nichtschwimmer in Liquidität ertrinken. Ohnehin, damit die US-Schuldenökonomie und die Schwellenländer nicht kollabieren, bleiben die US-Notenbankzinsen auf niedrigstem Niveau festgetackert. Und auf der Euro-Intensivstation mit dem Namen EZB hat Chefarzt Dr. finanzmed. Mario Draghi doch schon längst die geldpolitischen Segnungen der Fed - Staatsanleihenaufkäufe - als würdige Behandlungsmethoden auch für Euro-Länder entdeckt.

Fast könnte man denken, die Krise ist vorbei. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragt die EZB allerdings nicht ihre Bundesbank. Und hier sind wir wieder beim Wasser im Kochtopf der Finanzwelt. Keine Frage, die geldpolitische Wärme bekommt den Finanzmärkten prächtig. Die Renditeaufschläge Italiens, Spaniens, Portugals oder auch Griechenlands zu Deutschland fallen so rasant, als hätten wir es über Nacht mit Triple A-Ländern zu tun. Ob in diesen Ländern wirklich gespart oder strukturreformiert wird, ist unerheblich. Die EZB ist ein gutmütiger Schuldirektor, der seinen Euro-Schülern durch die Blume mitteilt „Egal was ihr auch anstellt, die schlechteste Note ist maximal eine 3“. Sitzen bleiben, Schulverweis? Nein, wir betreiben antiautoritäre Erziehung. Und wenn dann selbst von der Schulaufsichtsbehörde in Deutschland kein stabilitätspolitischer Zeigefinger mehr gezückt wird, warum sollten dann die Aktienmärkte in Euroland noch Stabilitätsskrupel zeigen? Und? Welcher euroländische Aktienmarkt ist in diesem Jahr wohl der erfolgreichste? Richtig, Griechenland!

Erst warm, dann heiß und irgendwann zerkocht?

Fed, Bank of Japan und auch die EZB arbeiten wie geldpolitische Durchlauferhitzer. Dadurch heizt sich die Temperatur im Kessel immer mehr auf. Es droht Überhitzung in Form von Inflationierung, mangelnder Bonität, Wettbewerbs- und Wirtschaftsschwäche. Am Ende droht unser real existierendes Finanzsystem zu zerkochen.

Müssten wir da als Anleger nicht vorbeugend wie Frösche mit einem kräftigen Satz aus dem Wasser springen? Jetzt noch nicht. Noch sind die Temperaturen gut auszuhalten. Aber sie steigen.

Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick

Kapitalmarkt auf einen Blick

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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