Rechnungshof: Budget 2023 verfassungsrechtlich äußerst problematisch
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Der Bundesrechnungshof hält den Nachtragshaushalt der Bundesregierung für das Jahr 2023 für möglicherweise verfassungswidrig. "Aus Sicht des Bundesrechnungshofs bleibt der Bundeshaushalt 2023 auch unter Berücksichtigung der Entwürfe eines Nachtragshaushaltsgesetzes 2023 und eines Notlagenbeschlusses ... verfassungsrechtlich äußerst problematisch", erklärte die Behörde in ihrer Stellungnahme für eine Anhörung im Bundestag. "Dies ergibt sich bereits daraus, dass - anders als es das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorgibt - nicht die Kreditaufnahme für sämtliche der Schuldenregel unterfallende Sondervermögen in die Berechnung des nach der Schuldenregel Zulässigen einbezogen wird."
Hinzu komme, dass eine rückwirkende Legitimation bereits getroffener Entscheidungen sowohl im Hinblick auf den vorgesehenen Nachtragshaushalt als auch den vorgesehenen Notlagenbeschluss nach Auffassung des Bundesrechnungshofs "mit dem parlamentarischen Budgetrecht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise in Konflikt stehen könnte". Umso mehr sei nach Auffassung des Bundesrechnungshofs nunmehr sicherzustellen, dass die Planung des Haushalts 2024 "über jeden verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben" sein sollte.
Der Rechnungshof betonte, hinsichtlich der Sondervermögen WSF-Energiekrise und Aufbauhilfe 2021 verhalte sich die Bundesregierung im Hinblick auf deren Einbeziehung in die Schuldenregel "folgerichtig". Die anderen der Schuldenregel unterworfenen Sondervermögen wolle die Bundesregierung dagegen weiterhin nicht bei der Berechnung der in die Schuldenregel einzubeziehenden Kreditaufnahme berücksichtigen. "Dies wäre aus Sicht des Bundesrechnungshofes jedoch geboten", betonten die Prüfer. "Die Berechnung der Bundesregierung hinsichtlich der für die Schuldenregel maßgeblichen Kreditaufnahme ist nach Auffassung des Bundesrechnungshofs deshalb unvollständig."
Auch der Vorsitzende des Unabhängigen Beirats des Stabilitätsrats, der Finanzwissenschaftler Thiess Büttner, äußerte sich kritisch zum Vorgehen der Regierung. Die Ermittlung der Nettokreditaufnahme folge weitgehend unverändert der im Zuge des Zweiten Nachtragshaushalts 2021 eingeführten geänderten Buchungsregel, was "mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht sachgerecht" sei, monierte er. "Aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Einheit von Kernhaushalt und unselbständigen Sondervermögen ... müssen Defizite in den Sondervermögen vielmehr auf die Nettokreditaufnahme des Bundes angerechnet werden, wie es vor dem Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 stets praktiziert wurde", stellte Büttner fest.
Mit dem Nachtragshaushalt will die Regierung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Finanzierung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) sowie des Sondervermögens "Aufbauhilfe 2021" sichern. Vorgesehen ist eine Einnahme aus Krediten in Höhe von 43,2 Milliarden Euro für aus dem WSF gezahlte Mittel und eine Zuweisung von 1,6 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt an das Sondervermögen für die Flut-Aufbauhilfe. Damit liegt die für die Schuldenregel relevante Kreditaufnahme bei 70,61 Milliarden Euro - also 44,8 Milliarden Euro über der zulässigen Kreditaufnahme. Diese erhöhte Schuldenaufnahme soll mit einem Notlagenbeschluss des Bundestags zur Ausnahme von der Schuldenbremse ermöglicht werden.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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