Kommentar
13:11 Uhr, 24.05.2011

Real existierende Euro-Krisenpolitik oder das Prinzip des Durchwurstelns

Politiker brauchen vielfach ein dickes Fell, da sie sich mit unpopulären Entscheidungen im Zweifelsfall den Unmut der Wähler zuziehen. Die Amerikaner sagen aber „If you can’t stand the heat, stay out of the kitchen“. Niemand ist also gezwungen, Politiker zu werden. Hat man sich allerdings dazu entschlossen, erwarte ich eine eindeutige und transparente Lösungsbereitschaft. Dies gilt insbesondere für epochale Probleme, wie die derzeit dramatisch unter den Nägeln brennende Euro-Schuldenkrise. So weit die Theorie.

Politik als die Kunst des Möglichen

In der Praxis stelle ich jedoch Abweichungen von dieser Ideallinie fest. Griechenland liegt auf der Intensivstation und die behandelnden Ärzte haben nichts Besseres zu tun, als sich am Krankenbett lautstark in kakophonischen Therapiestreitigkeiten zu ergehen, sich gegenseitig Kompetenzen abzusprechen und sich damit überhaupt vor einer einvernehmlichen Diagnose zu drücken.

So spricht der Chef der Euro-Gruppe, dass man bei ernsten Problemen in der Eurozone lügen müsse. Das ist Beweisunterdrückung, um die Finanzmärkte nicht auf den Plan zu rufen. Oder er verwendet den Begriff „Reprofiling“ von Griechenland. Was meint er mit diesem (Un)-Wort des Jahres 2011? Reifenrunderneuerung? Oder ist es der Versuchsballon, wie die Finanzmärkte auf eine mögliche Umschuldung reagieren. Vorbeugend hat direkt im Anschluss der vielstimmige Chor der Euro-Politiker unter dem Chorleiter EZB schon einmal jede Art der Umschuldung als Beginn des Anfangs vom Ende des christlichen Abendlandes gebranntmarkt. Wissen Sie jetzt wohin die Reise in Euroland geht?

Übrigens wie hilfreich kann es zur Krisenlösung sein, wenn die Chefin der Bundesregierung die notleidende Gegenseite wenig diplomatisch auffordert, mehr zu arbeiten. Sie muss dann nur noch sagen wo. Worte zerstören, wo sie nicht hingehören. Man ist sich nicht wirklich grün, sondern denkt in nationalen Farben. Jeder für sich.

Gesundbetung statt klarer Lösungsansätze

Das sind insgesamt kaum die Idealbedingungen für eine gemeinsame und nachhaltige Lösung der euroländischen Schuldenkrise. So hat man kaum eine Chance, die Fehlentwicklungen in den wettbewerbsunfähigen EU-Ländern mit klaren, wenn auch harten politischen Entscheidungen an der Wurzel zu packen. Ohnehin haben bereits einige nationale Regierungen mit Blick auf den Unmut der Bevölkerung den europäischen Rückwärtsgang eingelegt. Damit ist die Gefahr groß, dass sich die Politik wieder mal für den Weg des geringsten Widerstands entscheidet und sich mit keynesianischer Gesundbetung kunstvoll durchwurstelt. Der Klingelbeutel geht weiter durch die Reihen der Steuerzahler, die Transferunion wird festgeschrieben und die eigentliche Problemlösung in eine Zukunft verschoben, in der man nicht mehr regieren muss.

Zu dieser Verhaltensweise passt auch, dass sich Euroland bei der Neubesetzung des Chefpostens des IWF mit Inbrunst für eine Kandidatin oder einen Kandidaten aus Euroland stark macht, damit auch ja die Apanagen für Griechenland & Co. wie bisher munter durchgewunken werden. Ein Vertreter aus den Schwellenländern würde hier sicherlich weniger unreflektiert Mutter Theresa spielen.

Und da prangert doch tatsächlich die volkswirtschaftliche Abteilung der EZB die konspirativen Attacken der angelsächsischen Finanzwelt auf den Euroraum an. Was sollen denn wohl die Finanzmärkte von dieser wenig prickelnden Gemengelage halten? Wer die Tür zum Hühnerstall nicht sichert, darf sich nicht wundern, wenn der Fuchs zuschlägt.

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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