Kommentar
09:05 Uhr, 31.01.2012

Quo vadis, Griechenland?

Denn die Finanzmärkte warten weiter auf eine Lösung der griechischen Frage. Grundsätzlich soll eine Lösung bis spätestens zum 13. Februar feststehen. Bis dato konnte man sich nicht über die konkrete Ausgestaltung der freiwilligen Beteiligung privater Investoren an einem Schuldenschnitt einigen. Bis zu 70 Prozent stehen im Raum. Fraglich ist dabei auch die Verzinsung neuer, dann abgesicherter Anleihen, die weniger attraktiv sind, als das, was bisher für griechische Anleihen gewährt wurde. Und im Grunde ist auch noch offen, welche Investorengruppen sich am Schuldenschnitt beteiligen. Sind es nur die Banken oder auch Hedge Fonds und sogar öffentliche Anleger wie die Länder, die herangezogen werden? Auch die EZB wurde genannt, die mit ins Boot genommen würde, falls mangels Masse freiwillig teilnehmender Banken die Aufnahme einer nachträglichen Umschuldungsklausel für griechische Anleihen erforderlich wäre, die alle Anleger treffen würde. Ansonsten wäre der notwendige griechische Schuldenschnitt nicht erzielbar.

Müsste die EZB vor dem Hintergrund ihres geschätzten Anlagevolumens in griechischen Staatsanleihen von ca. 55 Mrd. Euro teilnehmen, gibt es ernstzunehmende Studien, dass sie die damit verbundenen Abschreibungen ohne Nachschusspflicht von den sie tragenden Länder, also den nationalen Steuerzahlern, tragen kann.

Dieses Opfer der EZB könnte aber kaum als Blaupause für die mögliche Entschuldung Portugals gelten, die fraglos auch Probleme haben, in der Eurozone zu überleben. Denn einerseits müssten dann tatsächlich die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, was vor dem Hintergrund ihres bereits getätigten Engagements bei den Rettungsfonds politisch kaum durchsetzungsfähig wäre. Und andererseits würde die EZB damit ein Signal an die Finanzmärkte ausstrahlen, dass sie im Falle eines Falles die ultimative Rettungsanstalt auch für weitere Länder wäre. Anstrengungen dieser Länder, ihre Reformen umzusetzen, würden konterkariert. Ein Schuldenschnitt mit Hilfe der EZB muss insofern ein einmaliger Vorgang bleiben.

Im Übrigen könnte die grundsätzliche Gefahr bestehen, dass eine Umschuldungsklausel die Kreditausfallversicherungen auslösten, die dann die Finanzmarktstabilität gefährden.

Denn der Markt für Kreditausfallversicherungen (CDS) ist hoch intransparent und es ist auch weiterhin nicht klar, welche Finanzinstitute in welchem Maße als Verkäufer wie Käufer dieser Finanzinstrumente betroffen wären. Allerdings sieht die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) - die Handelsorganisation u.a. für den CDS-Handel, die im Gegensatz zu den Rating-Agenturen bindend festlegt, was als Auslöser für die Kreditausfallversicherungen gilt - offenbar weder eine freiwillige Beteiligung an einem Schuldenschnitt noch die nachträgliche Aufnahme einer Umschuldungsklausel als Auslösungselement für CDS an.

Es ist davon auszugehen, dass Griechenland bankenseitig umgeschuldet wird, ohne einen CDS-seitigen Tsunami an den Finanzmärkten zu riskieren.

Unabhängig von diesem unwürdigen griechischen Schuldendrama ist eine fundamental zufrieden stellende Lösung für Griechenland definitiv nicht in Sicht. Aufgrund der nicht vorhandenen wirtschaftlichen Infrastruktur, die Griechenland eine Schuldenbedienung ermöglicht, wird ein nächster Schuldenschnitt nach etwa fünf Jahren erforderlich sein. Im Status Quo, d.h. im Euro-Korsett, würde Griechenland selbst bei vollständigem Schuldenschnitt ein Haushaltsdefizit von fünf bis sechs Prozent erleiden müssen. Unabhängig davon sind die Reformbemühungen Griechenlands alles andere als zufriedenstellend.

Dieser finanzpolitischen Wahrheit sollte sich die Euro-Politik allmählich stellen. Man tut den Griechen, sich selbst und den Finanzmärkten mit lebensverlängernden Maßnahmen in der Eurozone keinen Gefallen. Ein Marshall-Plan für Griechenland macht nur bei Austritt Sinn. Alles andere trägt die Überschrift Groschengrab.

Geldpolitik und harte Wirtschaftsdaten stützen den deutschen Aktienmarkt

Unbeeindruckt von den offenen Fragen der Causa Griechenland profitiert der deutsche Aktienmarkt weiter von positiv überraschenden Konjunkturdaten und den positiven Entwicklungen bei italienischen und spanischen Staatsanleihen.

Hinzu kommt das Argument der lockeren Geldpolitik in Europa und in den USA. Und nicht nur das: Durch das bis 2014 von den Notenbanken weitgehend eliminierte Zinsrisiko bekommt das bereits üppige wie zinsgünstige Liquiditätsumfeld noch sein I-Tüpfelchen. Von dieser Liquiditätshausse profitieren im Übrigen auch die Edelmetalle.

Und auch die angelaufene Berichtsaison zum IV. Quartal 2010 verläuft weniger kritisch als erwartet. 67 Prozent der Unternehmen aus dem S&P 500 konnten bislang mit ihren Ergebnissen die Erwartungen der Analysten übertreffen. So auch der Konsumgüterriese McDonald’s, der von der Einführung neuer Menüs sowie der Neugestaltung seiner Filialen profitiert und ein Gewinnplus von 11 Prozent im Vorjahresvergleich vorweisen kann. Und der Technologie-Konzern Apple präsentiert erneut Rekordzahlen. Die ungebremste Nachfrage nach iPhone und iPad verdoppeln den Gewinn des Unternehmens im Vergleich zum Vorjahr auf umgerechnet 10,1 Mrd. Euro.

Caterpillar, der größte Baumaschinenhersteller der Welt, legt ein Rekordergebnis vor und konnte im abgelaufenen Quartal seinen Gewinn um 60 Prozent steigern. Insbesondere der positive Ausblick von Caterpillar sollte auch als Frühindikator für die Weltwirtschaft gewertet werden.

Yahoo hingegen kann den Abwärtstrend in seinen Quartalsergebnissen erneut nicht stoppen. So gaben die Erlöse in seinem Kerngeschäftsbereich mit Bannerwerbung weiter nach. Damit fiel das Ergebnis aber immer noch besser aus als von Analystenseite erwartet. Bis auf Yahoo ist der Ausblick der genannten Unternehmen für 2012 solide.

Mit Siemens und SAP hat auch in Deutschland die Berichtsaison gestartet. Für Siemens wirkten vor allem Sonderlasten aus fehlgeschlagenen Projekten im Bereich der Stromübertragung und Zugtechnik sowie der Umbau der Medizintechniksparte belastend. Für das aktuelle Jahr rechnet man mit großen Herausforderungen bei der Erreichung des Gewinnziels für 2012. Jedoch ist Siemens für sein Understatement bekannt. SAP trumpft mit starken Zahlen im Geschäft mit Software-Neulizenzen auf. Auch der Ausblick für 2012 ist solide.

Gestützt von soliden Fundamentaldaten konnte die charttechnische Widerstandszone zwischen 6430 und 6480 Punkten überwunden werden. Ein Anstieg über den Widerstand bei 6600 Punkten macht den Weg frei für weitere Kursgewinne bis zur Marke von 6850 Punkten und danach sogar bis zu 6990 Zählern.

Fällt der DAX allerdings unter die Unterstützung bei 6460, so ist mit einer Korrektur bis hin zu 6380 Punkten und darunter bis zu Marke von 6240 Punkten zu rechnen. Denn mit politischen Unberechenbarkeiten ist stets zu rechnen.

Und was passiert in der nächsten Woche?

Auf der Makroebene dürfte in Euroland auf dem anstehenden EU-Gipfel die Fiskalunion in Vertragsform gebracht werden. Allerdings ist hierbei eine abgeschwächte Form der Schuldenbremse zu erwarten. Ein Ergebnis zum griechischen Schuldenschnitt ist möglich, was die Finanzmärkte beruhigen wird.

In Amerika verdeutlicht der ISM Index die anhaltend stabile Konjunkturstimmung. Die US-Auftragseingänge in der Industrie dürften diesen Trend unterstreichen. Die US-Arbeitsmarktdaten führen allerdings vor Augen, dass die solide Entwicklung in der US-Industrie noch keine durchschlagende Dynamisierung des US-Arbeitsmarktes hervorruft.

Auf Mikroebene präsentieren u.a. der IT-Riese Infineon sowie der Pharma-Hersteller Merck ihre Zahlen. So lassen die besser als erwarteten Ergebnisse des US-Technologiesektors auch auf solide Zahlen für Infineon schließen.

Die Deutsche Bank wird mit ihren Zahlen zeigen, wie sie mit den Kapitalmarktturbulenzen im IV. Quartal 2011 umgegangen ist.

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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