Kommentar
08:23 Uhr, 08.08.2011

Peking - macht Euch nicht lächerlich!

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Die Jungs bei Standard & Poor’s haben doch wirklich ein exzellentes Timing, oder? Aber sei‘s drum, jetzt haben sie das auch erkannt, dass es um die Bonität der USA nicht mehr um das Beste bestellt ist. China nutzte über am Wochenende die Chance, um sich mal wieder darüber zu beklagen, dass die Abstufung den US-Dollar auf den Weltmärkten beschädigen werde. Der Euro sprang zum Dollar Sonntagnacht auf 1,4430 – nachdem er am Freitag bei 1,4280 geschlossen hatte – ein Sprung um 1,5 Cents.

In einer eilig am Sonntagnacht einberufenen Pressekonferenz hat die Europäische Zentralbank dann bekannt gegeben, dass sie das umstrittene Anleihenaufkaufprogramm beginnen und italienische und spanische Bundesanleihen kaufen wird, um die Märkte zu stabilisieren. Das belastet den Euro zum US-Dollar, der zwischenzeitlich in der Nacht wieder fast alle Gewinne abgegeben hat und mittlerweile nur noch gut 0,3% im Plus notiert.

In der Schweiz, wo man in der vergangenen Woche schon mal vorsorglich zum drohenden Downgrade des US-Kreditratings am Währungsmarkt intervenierte, dürfte sich heute Morgen Unruhe breit machen. Der Schweizer Franken steigt gegenüber dem US-Dollar heute Morgen auf neue historische Höchststände. Interessant geht es heute Morgen weiter an den Währungsmärkten. China, die sich am Wochenende lauthals über die ach so miserable Lage des US-Haushalts beschwerten und die Aussichten über die Zukunft des Dollars beklagten, lassen heute Morgen eine Aufwertung des Yuan gegenüber dem Dollar um homöopathische 0,23% zu – das ist zumindest der festgesetzte Wechselkurs für den US-Dollar gegenüber dem Yuan, den die chinesische Zentralbank für den heutigen Montag bestimmte. Während dieser kolossale Anstieg zu gering sein mag – er setzt den Yuan zum Dollar auf einen historischen Höchststand und kann daher auch als politische Botschaft Pekings nach Washington verstanden werden.

Dabei sollte China nicht mit Steinen werfen, denn es sitzt in einem Glashaus: Der Großteil des eigenen Währungsschatzes in Höhe von über 3 Billionen Dollar, mit dem sich Peking so brüstet, besteht aus US-Dollars. 1,16 Billionen Dollar hält China in US-Staatsanleihen und ist damit auf dem weltweit zweiten Platz nach der US-Notenbank in Sachen Gläubiger-Status der USA. Meine Damen und Herren - das ganze Gemeckere aus China an der Stabilität des Dollars ist langsam nicht mehr glaubhaft: Wenn Peking was gegen den Dollar hat, dann sollen sie ihn doch fallenlassen oder sich eine Alternative überlegen. Und ich glaube dass es hier jetzt auch ans Eingemachte gehen wird – denn rausreden können sie sich jetzt nicht mehr, ich glaube das werden sie jetzt langsam auch begreifen. Denn jetzt wird es Ernst: Entweder sie machen sich lächerlich und zeigen, dass sie zahnlose Tiger sind, oder sie handeln jetzt wirklich. Wie dieses Handeln aussehen wird – wir werden es sehen. Es ist aber schon lange bekannt, dass China in wenigen Jahren zum weltgrößten Goldproduzenten aufgestiegen ist und trotzdem noch große Mengen Gold vom Weltmarkt importieren muss. Man muss sich da schon fragen, wer das ganze Gold in China kauft? Ich glaube, dass die Zentralbank fast das ganze Gold selbst einsackt, um sukzessive mehr Devisenreserven gegen Gold zu tauschen. Die Zentralbank Chinas hat zuletzt im Jahr 2009 ihre Goldreserven ausgewiesen und jetzt wäre doch wieder ein guter Zeitpunkt, die Welt wissen zu lassen, dass man ja jetzt noch viel mehr Gold hat, als damals. Die bisher schon starken Währungen – der Yen, der Schweizer Franken – und insbesondere Gold – steigen heute Morgen weiter an. Gold steht kurz vor der 1700-Dollar-Marke. Goldman Sachs haben heute Morgen ihr Kursziel für Gold von 1735 auf 1830 Dollar angehoben – die werden wissen, warum sie das tun. Das Edelmetall profitiert von seinem sicheren-Hafen-Status.

Die Süddeutsche titelt: „Der Aufbruch in den Krisensommer“ – und sieht die Ereignisse in der vergangenen Woche erst als den Anfang einer ganzen Kette von Ereignissen an, wobei die Schuldenprobleme in den USA und Europa zu innenpolitischen Kampfplätzen werden. Das ist gut formuliert – zeigt es doch, was uns an den Börsen in den kommenden Wochen erwartet: Unsicherheit, Unsicherheit und nochmals Unsicherheit. Und diese Unsicherheit wird von schwer einschätzbaren politischen Entscheidungen erzeugt – nicht von der Gewinnentwicklung von Unternehmen, nicht von Bewertungen, nicht von Saisonalitäten – die Börsen werden volatil sich an das politische Tagesgeschäft anpassen.

Der Vermögensverwalter Jens Erhart sagte vor Kurzem in der Börse Online, dass dies die schwierigste Börsenphase sei, in der er sich je befunden habe. Wenn schon Urgesteine der Börse wie er solche Aussagen vom Stapel lassen, da muss man als Kleinanleger schon einmal innehalten und das eigene Risiko am Markt überprüfen. Denn wie heißt es so schön: Wer sich auf die Politik verlässt, ist verlassen. Was war denn die Reaktion der Politiker am Freitag, als sich Gerüchte breit machten über eine Abstufung des US-Kreditratings und als die Börsen wieder einbrachen? Nun, da hieß es aus dem Kanzleramt, Bundeskanzlerin Merkel gedenke, ein Telefonat mit Sarkozy zu führen. Außerdem sollten die Finanzminister mal miteinander telefonieren. Und die G8-Finanzminister sollten sich mal treffen. Oder zumindest telefonieren. Und was hat die Telefoniererei gebracht? Nix. Es muss eine schmerzhafte Erfahrung für die Politiker in diesen Tagen sein, zu erfahren, dass die Finanzmärkte solche Bluffs nicht kaufen. Investoren haben mittlerweile mitbekommen, dass der Cocktail aus Konjunkturpaketen, Niedrigzinsen, außerordentlichen geldpolitischen Maßnahmen und sonstigen Stimuli nicht das Wirtschaftswachstum erzeugt hat, was man eigentlich relativ zu den massiv gestiegenen Schulden erwarten könnte. Und wie es zu erwarten war schreiten die Politiker jetzt zu einer härteren Gangart.

Am Sonntag gab es eine gemeinsame Erklärung der G7-Industrienationen. Darin hieß es: Es werde jeder Schritt unternommen, um die Finanzmärkte zu stabilisieren. Die Liquidität an den Märkten werde sichergestellt. Die G7-Notenbanken würden engmaschig in Sachen Währungsinterventionen kooperieren. In den kommenden Wochen würden die G7-Industriestaaten engmaschig in Kontakt stehen und sich abstimmen. Die unkontrollierten Bewegungen an den Kapitalmärkten würden das Wirtschaftswachstum schädigen. Das Plunge Protection Team, das in den USA einmal eingerichtet wurde, um Kursabstürze an den Börsen aufzuhalten, ist damit jetzt auf die ganze Welt ausgeweitet worden. Also hier wird jetzt massiv an den Märkten interveniert und die Kurse werden manipuliert. Und die G7-Staaten sind genau die Staaten, die uns diese Misere durch die massive Überschuldung erst beschert haben.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Öl kostet mittlerweile nur noch 83 Dollar – bzw. 106 Dollar – je nachdem, welche Ölsorte man hernimmt. Das stimuliert das Wachstum und wenn die gemeinsamen Interventionen jetzt irgendwie dazu führen können, dass die Märkte sich beruhigen, dann werden wir es mit einer Weltwirtschaft zu tun haben, die getrieben vom chinesischen Wachstum immer noch expandiert, mit einer Börse, die sich an das schwächere Wachstumsumfeld in Europa und den USA mit weitaus niedrigeren Bewertungen eingestellt hat und wir haben es zu tun mit einem niedrigeren Ölpreis, was wie eine Steuersenkung für alle Bürger in Öl konsumierenden Nationen wirkt. All das ist positiv. Punkt, Aus.

Erschreckend finde ich die Bilder aus Tottenham in England, wo plötzlich große Menschenmassen einen ganzen Stadtteil überranten, brandschatzten und brutal gegen die Polizei vorgingen. In Israel gingen 300.000 (!) Menschen auf die Straße, um gegen zu hohe Mieten und soziale Ungerechtigkeit zu protestieren. Ich hatte in diesem Artikel (Link) den einzigartigen Gerald Celente zitiert. Er rechnete vor Wochen bereits damit, dass die MENA-Demonstationen (MENA = Middle East, North Africa) im Herbst auf der ganzen Welt stattfinden werden. Das scheint immer mehr Realität zu werden.

Autor: Jochen Stanzl, Chefredakteur Rohstoff-Report

Der Rohstoff-Report ist eine Publikation der BörseGo AG

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