Kommentar
19:00 Uhr, 14.08.2008

Nimbus des „sicheren Hafens“ schwindet - Schweizer Franken büßt an Beliebtheit ein

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Der Nimbus des Schweizer Frankens als „sicherer Hafen“ zeigte sich zuletzt deutlich angekratzt. Legte die schweizerische Valuta früher in Zeiten fallender Aktienmärkte stets merklich zu, so war von dieser Korrelation in den vergangen drei Monaten rein gar nichts zu sehen. Auch von der im Zuge der Pleitegerüchte um die beiden US-Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac wieder eskalierten US-Finanzmarktkrise zeigte sich der Franken unbeeindruckt und musste statt dessen sogar Kursverluste gegenüber dem Greenback hinnehmen.

Die Zeiten einer „automatischen“ Umschichtung von Investorengeldern in den CHF in Krisenzeiten sind offensichtlich vorbei, womit sich der Blick auf die schweizerischen Zins- und Konjunkturdaten verschiebt. Und diese sind so berauschend nicht, was die jüngsten Kursverluste des Franken erklärt. Dem relativ niedrigen schweizerischen Leitzins von 2,75%, bei dem zudem keine Fantasie für baldige Anhebungen besteht, gesellen sich tendenziell schwächer werdende Wirtschaftsdaten hinzu.

So haben die schweizerischen KoF-Frühindikatoren im Juli weiter nachgegeben und sind auf 0,90 Punkte zurückgefallen. Die Konsensschätzung, die das Stimmungsbarometer für das künftige Wirtschaftswachstum bei 0,95 Zählern erwartet hatte, wurde somit verfehlt. Zugleich wurde der Vormonatswert von 1,01 auf 0,99 Punkte abwärts revidiert. Auch der schweizerische SVME-Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes enttäuschte und ist im selben Zeitraum von 54,9 auf 54,1 Punkte gesunken. Zwar bleibt das Stimmungsbarometer noch oberhalb der durch die 50-Punkte-Marke definierten Expansionsschwelle, trotzdem geht die Tendenz weiter nach unten. Besonders deutlich fiel die schweizerische ZEW-Konjunkturerwartung zurück, die im Juli mit -76,9 Zählern die Konsensschätzung von -67,0 Punkten völlig verfehlte und klar unter den Vormonatswert von -63,8 Zählern rutschte.

Etwas besser sah es zuletzt noch bei der schweizerischen Verbraucherstimmung aus. Hier hat sich der UBS-Konsumindikator im Juni auf 2,246 Punkte verbessern können, nachdem er im Vormonat noch bei 1,948 (nach oben revidiert von 1,910) Punkten gelegen hatte. Auch die eidgenössische Handelsbilanz präsentierte sich weiter solide. Hier ist der Überschuss im Juni überraschend deutlich auf 2,41 Milliarden CHF gestiegen. Ökonomen hatten im Konsens lediglich mit einem Plus von 1,60 Milliarden CHF gerechnet, nachdem der Aktivsaldo in der schweizerischen Handelsbilanz im Mai 1,87 Milliarden CHF betragen hatte.

Zwar signalisieren die Daten zur Preisentwicklung einen sich stetig aufbauenden Inflationsdruck, trotzdem macht die Schweizerische Nationalbank (SNB) keine Anstalten, mit Zinserhöhungen dagegen tätig zu werden. Die Verbraucherpreise in der Schweiz haben im Juli mit 3,1% nach zuvor2,9% im Jahresvergleich zugelegt (Konsens 3,0%). Der schweizerische Erzeuger- und Importpreisindex ist im Juni mit 4,5% deutlich stärker als im Vormonat gestiegen, wo die Teuerung bei lediglich 3,9% gelegen hatte (Konsens: 4,4%). Die Zurückhaltung der SNB mit Blick auf eine mögliche geldpolitische Straffung hängt unmittelbar mit der von den USA ausgehenden Kredit- und Hypothekenkrise zusammen, die gerade auch schweizerische Banken in arge Bedrängnis gebracht hat. SNB-Direktoriumsmitglied Philipp Hildebrand betonte zuletzt, die Finanzmarktkrise sei noch keinesfalls zu Ende. Man befände sich jetzt in der zweiten Phase dieser Krise, so Hildebrand weiter, in der die Folge der realwirtschaftlichen Abschwächung besonders deutlich werde. Zugleich wirke der Konjunkturrücksetzer wieder negativ auf die Finanzmärkte zurück.

Da überrascht es nicht, dass sich auch die charttechnische Situation für den Schweizer Franken deutlich eingetrübt hat. USD/CHF hatte im März und April eine länger andauernde Bodenbildung knapp unterhalb der 1,00er-Marke vollzogen und nach Überwinden der Oberseite der Konsolidierungsspanne bei 1,0230-50 bis knapp über die 1,06er-Marke zugelegt. Daraufhin schwenkte das Währungspaar in eine typische Konsolidierungsflagge ein, deren leicht fallende obere Begrenzung durch die beiden Hochpunkte bei 1,0624 und 1,0535 definiert wurde. Nach dem Anfang August erfolgten Ausbruch aus der Flaggenformation nach oben ergab sich sofort massives neues Aufwärtspotenzial, das den Kurs von USD/CHF in der Spitze bis 1,0978 zulegen ließ.

Da zugleich auch der seit August 2007 etablierte längerfristige Abwärtstrend durchbrochen wurde, spricht nun alles für fortgesetzte Kursgewinne des Duos und damit für einen noch schwächeren Franken. Aufgrund der überkauften Situation des Währungspaares ist eine kurze Seitwärtsbewegung um die 1,08er-Marke wahrscheinlich, bevor es weiter Richtung 1,1000 gehen sollte. Zum Jahresende erwarten wir USD/CHF in der 1,16er-Kursregion und damit auf dem Niveau der Höchststände von Dezember 2007.Volker Zenk FXresearch

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Über den Experten

Jochen Stanzl
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Chefmarktanalyst CMC Markets
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Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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