Kommentar
10:17 Uhr, 01.02.2019

Neue Finanzkrise: Erleben wir gerade einen "Lehman-Moment"?

Lehman Brothers ist ein Symbol für so ziemlich das Schlimmste, was passieren kann. Jetzt hatten wir gerade so einen Moment und keiner hat es bemerkt.

Die Finanzkrise wütete schon eine ganze Weile, bevor Lehman Brothers bankrott ging. Die große Panik setzte allerdings erst ein als es schon zu spät war. In der Panik wurde alles verkauft, was sich nur irgendwie liquidieren ließ. Das machte auch vor Gold nicht Halt. Gold wurde bis November 2008 verkauft. Erst danach wurde es als sicherer Hafen gesucht. Es dauerte eine ganze Weile, bis Anleger und Wirtschaft den Schock verdaut hatten. An der Börse geht alles etwas schneller als in der Wirtschaft. In der Wirtschaft dauerte es Jahre bis die Überschuldung abgebaut wurde. Haushalte brauchten 6 Jahre, um ihre Bilanz wieder in Ordnung zu bringen.

An der Börse ging das viel schneller. Der große Schock war nach 6 Monaten verdaut. In dieser Zeit bauten Anleger Risiko ab, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Die Margin Schulden, die vor der Krise bei 380 Mrd. lagen, brachen auf 170 Mrd. ein. Der Rückgang lag auf Jahressicht in der Spitze bei 160 Mrd. (Grafik 1).


Allein im Oktober 2008 kam es zu einem Rückgang von 66 Mrd. gegenüber dem Vormonat (Grafik 2). Nicht ganz so hoch war der Rückgang Ende 2018. Es war aber immerhin der größte Rückgang seit Lehman.

In den letzten 4 Monaten wurden 100 Mrd. an Margin Debt abgebaut. Anleger haben im Rekordtempo ihr Risiko reduziert. Das grenzt schon an Panik – und was ist passiert: am Ende relativ wenig. Wir haben Ende 2018 das größte Deleveraging an der Börse seit Lehman gesehen. Es war das zweitgrößte in der Geschichte überhaupt. Trotzdem leben wir alle noch.

So schlimm ist es dann am Ende meist gar nicht, wenn der Trend einmal dreht. Die Angst vor dem Trendwechsel ist häufig schlimmer als der Trendwechsel selbst. Es bleibt natürlich noch die Frage, ob es das jetzt schon war und wir die Korrektur abhaken können.

Aktuell gibt die Risikofreude noch keine Entwarnung. Trotz des Abbaus des Hebels bleiben die Schulden hoch (Grafik 3). In den letzten Bärenmärkten ging es noch deutlicher nach unten. Dabei erscheint die Margin Debt übrigens einfach parallel zum Markt zu verlaufen. Einige Analysten sehen daher wenig Nutzen für Prognosen.

Tatsächlich werden Hochs und Tiefs bei der Margin Debt vor dem Markt erreicht. Kurzfristig gibt es eine Stabilisierung. Das ist nach einer Panikattacke wie Ende 2018 auch üblich. Mittelfristig ergibt sich allerdings noch keine Entwarnung.

Autor: Clemens Schmale

1 Kommentar

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Es ist wirklich beeindruckend, mit welcher Klarheit die Märkte den Anlegern immer wieder bedeutende Signale übermitteln. Die Kunst besteht darin, diese Signale zu erkennen und richtig zu interpretieren. Leider hapert es daran bei vielen Investoren...

    11:24 Uhr, 01.02. 2019

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