Nahrungsmittelpreise steigen – Ratio statt Reflexe
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An heißen Themen mangelt es derzeit wahrlich nicht: Da plagt die Finanzkrise, da steigen Ölpreise auf Niveaus, die viele von uns für vollkommen unrealistisch hielten. Und nun werden Milch, Reis und Zucker extrem teuer. Und wenn Menschen sich ihre Ernährung nicht mehr leisten können, greift nackte Angst um sich.
Immer wenn Panik eintritt, ist die Gefahr groß, dass der Verstand ausgeschaltet wird und Reflexe die Szene beherrschen. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Länder Preiskontrollen für Lebensmittel verordnen. Andere verbieten den Export von agrarischen Produkten oder belegen ihn mit drakonischen Exportzöllen. In einer Reihe von Fällen wird diskutiert, die Verbrauchssteuern vorübergehend zu senken, um die Preise jedenfalls zeitweise zu drücken. All diese Reaktionen sind angesichts des Aufschreis in der Bevölkerung als politische Reaktion verständlich. Aber die Frage, ob uns solche Maßnahmen weiterhelfen, darf man bezweifeln.
Früher gab es wenigstens in Deutschland noch die Frage, ob eine wirtschaftspolitische Maßnahme marktkonform sei. Wer eine solche Orientierung heute äußert, gilt als kalt und wird als Marktideologe abqualifiziert. Da es aber wegen der Ursachen für den Preisanstieg – nämlich der Entwicklungsdynamik in den Schwellenländern und den armen Ländern und der damit steigenden Nachfrage nach agrarischen Produkten – gerade der Anreize für effizientere und größere Produktion und eine effektivere Nutzung der Produkte bedarf, sind höhere Preise ein äußerst bedeutendes und effektives Instrument. Das aber wird in der internationalen Debatte um das Problem leidenschaftlich ausgeblendet. Damit wird man, wie so oft, durch gut gemeinte (statt guter) Politik das Übel vermehren. Gute Politik wäre es indes, sofort alle Subventionen zur Stilllegung von agrarischer Nutzfläche komplett zu streichen. Landwirte sollten angeregt werden, Brachflächen voll zu nutzen. Landwirtschaftliche Techniken zur Effizienzsteigerung sollten international so umfassend wie möglich angewandt werden. Dazu müssten die Preissteigerungen genau diesen Investoren zugute kommen. Subventionen für die energetische Verwendung von Biomasse sollte auf Abfall konzentriert werden, damit würde einer preiswerten Versorgung mit Nahrungsmitteln ebenso entsprochen wie der Aufgabe, sichere und umweltverträgliche Energieversorgung zu gewährleisten. Wer bei alledem das Soziale nicht vergessen will, kann das, aber auf geeignete Weise, etwa durch eine Erhöhung von speziellen Sozialleistungen (wie etwa Zuschuss für Heizung und Elektrizität). Aber auch Beratung bei der preiswerten und gesunden Ernährung ist offenkundig heute erforderlich. Kochen müsste man können. In kaum einem Land ist es wie in Deutschland möglich, sich preiswert bei einem höchst effizienten Einzelhandel zu versorgen. Selbst Milch gibt es dort, wie man von Bauernprotesten weiß, wieder billiger.
Beitrag für den Rheinischen Merkur, 15. Mai 2008.
Autor: Prof. Dr. Norbert Walter - Deutsche Bank Research
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