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12:18 Uhr, 04.10.2018

Mit variabel verzinsten Anleihen von steigenden Zinsen profitieren

Mit Anleihen, deren Verzinsung regelmäßig an die Entwicklung der Marktzinsen angepasst wird, können sich Anleger Degroof-Petercam-Anleihenexperte Steven Decoster zufolge für steigende Zinsen in Europa positionieren.

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Brüssel (GodmodeTrader.de) - Wer im extremen Niedrigzinsumfeld mit Anleihen Geld verdienen will, ist gezwungen ins Risiko zu gehen. Im Gegensatz zu den meisten Staatsanleihen bonitätsstarker Industrieländer lassen sich mit höher bis hoch verzinsten Emissionen von Unternehmen oder Schwellenländern attraktive Renditen erzielen. Jedoch passen die Risikoprofile solcher Anleihen nicht immer zu den Risikopräferenzen der Anleger, wie Steven Decoster, Senior-Portfoliomanager Fixed Income bei Degroof Petercam AM, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Außerdem erforderten Hochzinsportfolios eine gute Marktkenntnis und die Fähigkeit, Staats- und Unternehmensrisiken zu beurteilen sowie Laufzeiten aktiv zu managen – vor allem für viele Privatanleger keine einfache Angelegenheit. Mit Blick nach vorne ergäben sich mit variabel verzinsten Anleihen – sogenannten Floating Rate Notes (Floatern) – gute Alternativen. Floater zeichneten sich im Allgemeinen dadurch aus, dass ihre Grundverzinsung regelmäßig an das aktuelle Marktniveau, wie zum Beispiel den Euro-Geldmarktsatz EURIBOR, angepasst werde. Je nach Anleiheemission erhielten Anleger zusätzlich einen Aufschlag. Dieser ergebe zusammen mit der Geldmarktverzinsung die Gesamtverzinsung eines Floaters, heißt es weiter.

„Mit variabel verzinsten Anleihen profitieren Anleger ganz automatisch von steigenden Marktzinsen“, sagt Decoster. „Ein Umfeld steigender Zinsen erhöht die Attraktivität von Floatern im Vergleich zu herkömmlichen Anleihen mit fixem Kupon. Der Spread europäischer Floater gegenüber sicheren Staatsanleihen liegt aktuell durchschnittlich bei ca. 0,7 Prozent.“

Während die Preise von Anleihen mit fixem Kupon mitunter stark schwanken könnten, wenn sich die Marktzinsen änderten, zeigten sich die Kurse von Floatern mit gleicher Laufzeit deutlich robuster. Zur geringen Volatilität von Floatern trügen die vierteljährliche Anpassung der Grundverzinsung an das kurzfristige Marktniveau – entsprechend einer Duration, die quasi bei Null liege – sowie die kurzfristigen Laufzeiten der Papiere bei, deren Endfälligkeiten in der Regel zwischen einem und fünf Jahren lägen, heißt es weiter.

„Die geringere Anfälligkeit von Floatern lässt sich anhand eines Extrembeispiels verdeutlichen: Zwischen August und Oktober 2008, also unmittelbar nach Ausbruch der Finanzkrise, büßten festverzinsliche Investment Grade-Unternehmensanleihen acht Prozent an Wert ein, während variabel verzinste Anleihen von Emittenten guter Bonität im gleichen Zeitraum nur vier Prozent verloren“, so Decoster.

Neben der relativ geringen Preissensitivität trage auch die geringe Korrelation mit dem gesamten Anleihenmarkt zum Diversifikationseffekt bei, den Floater als Bausteine in einem Bondportfolio böten, heißt es weiter. Der Rentenexperte verweist in diesem Zusammenhang auf die geringe Korrelation mit dem JPM EMU Govt Index, der den breiten europäischen Anleihenmarkt repräsentiert. Sie habe zwischen 2005 und 2018 bei nur sieben Prozent gelegen. Zum Vergleich: Euro-Staatsanleihen mit fünf bis sieben Jahren Laufzeit hätten in diesem Zeitraum zu 94 Prozent mit dem Index korreliert, während in Euro begebene inflationsindexierte Anleihen eine Korrelation von 68 Prozent sowie Euro-Investment Grade-Unternehmensanleihen von 62 Prozent aufwiesen, heißt es weiter.

Der Markt für variabel verzinste Anleihen sei in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Habe das Volumen an ausstehenden, von Investment Grade-Emittenten begebenen Floatern im Euro-Raum 2013 erst bei etwa 15 Milliarden Euro gelegen, so seien es Ende 2017 bereits gut 70 Milliarden Euro gewesen. „2017 kamen über 170 Neuemissionen auf den Markt, darunter von bekannten europäischen Unternehmen wie Inbev, Daimler, Vonovia und Philips“, erläutert Decoster.

Für Emittenten erschienen Floater bei steigenden Marktzinsen zunächst unrentabler, da die Zinslast schließlich steige. Im Werben um die Gunst der Investoren sei dies jedoch ein Vorteil, der die Attraktivität des Emittenten im Anleihenmarkt insgesamt erhöhen könne. Umgekehrt könnten Floater den Emittenten Vorteile bringen, wenn sich der Wind an den Zinsmärkten wieder drehe und sinkende Zinsen zu einer geringeren Zinslast führten, heißt es weiter.

„Während das Volumen sukzessive gestiegen ist, hat sich in den vergangenen Jahren die Struktur des Marktes für variabel verzinste Anleihen in Europa weiterentwickelt. 2012 beschränkte sich das europäische Floater-Universum ausschließlich auf das Geldmarktsegment mit Laufzeiten bis maximal zwei Jahren. Mittlerweile erstreckt sich das Spektrum auf Laufzeiten bis zu sieben Jahren. Der Löwenanteil (etwa 80 Prozent) liegt aber nach wie vor im Bereich kurzer Laufzeiten bis zu vier Jahren“, so Decoster.

Strukturell lasse sich darüber hinaus beobachten, dass der Floatermarkt kontinuierlich ausgewogener geworden sei in Bezug auf die Emittentengruppen. Während vor zehn Jahren noch über 90 Prozent der Floater-Emissionen von Unternehmen der Finanzbranche getätigt worden seien, seien es aktuell nur noch gut 57 Prozent. Wichtige Emittentengruppen seien mittlerweile auch die Sektoren zyklische (14 Prozent) und nicht-zyklische Konsumgüter (neun Prozent), heißt es abschließend.

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Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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