Mit Sparen allein ist in der Eurozone das ganze Jahr Fastenzeit
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Seit Frühjahr 2010 wird den angeschlagenen Euro-Ländern immer wieder das Selbe ins Stammbuch geschrieben: Sparen, sparen, sparen. Leider nimmt man aber mit Sparen allein jeder Bevölkerung die Perspektive und damit den Anreiz, wieder anzupacken. Und ohne Perspektive - das weiß schon jeder Trainer einer laienhaften Fußballtruppe - ist Hopfen und Malz verloren.
Nach zu viel Sparen kommt kaputt
Selbst die Rettungsgelder für die schwachen Länder können nur als Notspeisungen gelten, die im Falle Griechenlands gerade eben so ausreichen, um einen konjunkturellen Notbetrieb aufrechtzuerhalten. Und als Gegenleistung muss man dafür auch noch weiter heftig sparen, so dass zukünftig noch mehr Rettungsgeld gebraucht wird, für das dann noch mehr gespart werden muss. Und dieser Teufelskreislauf soll die Wende zum Besseren bringen? Eher melden sich die Frösche freiwillig zum Trockenlegen der Sümpfe an. Schon im deutschen Sprichwort heißt es, man solle in der Zeit sparen, vom Sparen in der Not hat niemand gesprochen.
Die Gesundschrumpfungswelle hat mittlerweile auch die wirklich wichtigen Euro-Länder Spanien und Italien erreicht. Auch dort wird das wirtschaftliche Immunsystem durch Sparen arg gebeutelt. Und wenn es dann vorne und hinten nicht reicht, müssen es halt der mindestens verdoppelte Europäische Rettungsschirm oder sogar Euro-Bonds richten. Man kann es sich ja auch in der euroländischen Reha-Klinik, gesponsert durch Mutter Theresa Merkel, schön gemütlich machen. Das geschähe Streber Deutschland ohnehin recht, oder? Denn wenn es nicht mit der Leistungsbilanzkeule alles dominieren würde, wäre die Euro-Familienwelt so heil wie zur Happy Hour der Euro-Vorzeit, als man der teutonischen Exportorientierung noch mit Abwertungen die kalte Schulter zeigen konnte.
Die Sinnlichkeit von Wachstum
Dem gegenüber vermisse ich in der Lösungsdebatte um die Euro-Krise einen Begriff sehnsüchtig: Wachstum, am besten ein selbsttragendes, mit dem man schließlich auch die Verschuldung bedienen und sogar rückführen kann. Warum wird diese wohl sinnlichste aller volkswirtschaftlichen Vokabeln immer wieder vergessen? Natürlich fällt es nicht vom Himmel. Ohne Fleiß kein Preis. Dazu müssen die nationalen Regierungen den Mut haben, ihren Wachstumskillern, nämlich der mangelnden Wettbewerbsstärke, zu Leibe zu rücken. Gemeinsam mit unbeweglichen Arbeitsmärkten und Verwaltungen, denen gegenüber der Kölner Dom ein Wunder an Beweglichkeit ist, sowie Steuerbehörden, die de facto mit Wattebällchen werfen, sind sie die wahren, die klaren Ursachen der Schuldenkrise. Deren Beseitigung ist sicher nicht angenehm. So war es auch nicht der schmerzliche Umbau des Wohlfahrtsstaates in Schweden oder unsere Agenda 2010 und schon gar nicht für die sie umsetzenden Politiker, die sich teilweise anschließend andere Beschäftigungen suchen mussten. Aber sie hat schließlich Früchte getragen. Investitionen - ein anderer sinnlicher Wirtschaftsbegriff - finden in beiden Ländern wieder statt. Und da beißt die Maus keinen faden ab: Nur mit Investitionen gibt es dieses selbsttragende Wachstum mit Arbeitsplätzen und damit sinnlicher Perspektive. Dafür sollten uns auch unsere englischen Freunde in Davos nicht an den Pranger stellen. Volkswirtschaftlich sollte jeder das tun, was er am besten kann: Die Einen liefern harte Ware im Exportgeschäft und die Anderen setzen einseitig auf Finanzbastelei und Biscuits.
Matthäus, Kapital 11, Vers 28 kein Motto für die Euro-Familie
Im Übrigen versetzt uns das erst in die Lage, den anderen euroländischen Familienangehörigen finanziell die Hand zu reichen. Diese Solidarität sollte von unseren angeschlagenen Partnerländern jedoch nicht karitativ überstrapaziert werden. Die Zeit, die ihnen die wirklich generöse Familienbank EZB durch die Flurbereinigung ihrer angeschlagenen Anleihemärkte und eine de facto risikolose Zinspolitik gekauft hat, ist ausreichend, um ihre Reformhausaufgaben - sozusagen eine Agenda 2020 - mannhaft anzugehen und konsequent zu Ende zu führen. Es bringt nur unnötigen Familienstress, die deutsche Seite permanent an Matthäus, Kapital 11, Vers 28 zu erinnern „Kommet zu mir die ihr mühselig und beladen seid“. Die erforderliche Erquickung müssen Spanien, Italien oder Frankreich ganz allein schaffen, und es ist auch zu schaffen. Denn hier sind genügend Wachstumsfähigkeiten vorhanden, um in der Eurozone zu überleben, ohne nur auf Sparen zu setzen. Man sollte sie allerdings auch heben. Hier muss sich nicht Deutschland bücken. Denn über ernste Rückenleiden bei führenden ausländischen Politikern ist mir nichts bekannt.
Griechenland-Dämmerung
Zur Wahrheit gehört es aber auch, zu erkennen, dass Griechenland ohne nachhaltige fremde Hilfe - selbst bei einem vollständigen Schuldenschnitt - keine Überlebenschance im Euro-Korsett hat. Jeder, der fehlerfrei bis drei zählen kann, wird in Griechenland nicht investieren. Die finanziellen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Risiken sind einfach zu hoch. Auf ein Wunder zu warten, das es nur bei Katja Ebstein immer wieder gibt, ist die eine Lebenslüge der Eurozone, die endlich enttarnt werden muss.
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:
http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/
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