Mikado in Hokkaido: kleine, vorsichtige Schritte nach vorne
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Externe Quelle: Deutsche Bank Research
Autoren: Klaus Deutsch / Tobias Just
Gipfeltreffen der G7/G8 in Japan hatten in der Regel eine ordentliche Bilanz vorzuweisen. 1979 hatte man den zweiten Ölpreisschock auf der Tagesordnung, 1986 die makroökonomische Überwachung der koordinierten Abwertung des US-Dollar, 1993 die Uruguay-Runde und 2000 die Einbeziehung der Schwellenländer. Kein schlechtes Omen also für Premier Fukuda. Es steht auch genug auf der Agenda dieses Jahr: steigende Öl- und Nahrungsmittelpreise, die Finanzkrise in den USA und auf den globalen Finanzmärkten, eine Eintrübung der Konjunktur in wichtigen Ländern, der Rattenschwanz der Energie- und Klimaprobleme, die Hilfe für Afrika, das Verhältnis zu den Schwellenländern. Drei Tage lang Konferenzen in wechselnden Formationen unter 23 Staats- und Regierungschefs und sieben Chefs internationaler Organisationen – da darf die Weltöffentlichkeit wohl klare Botschaften erwarten. Oder gerade dann nicht?
Die schönen Worte der Staats- und Regierungschefs – verstreut über Dutzende von Seiten von Gipfeldokumenten – dürften dieses Jahr jedoch im Wald verhallen. In der Weltwirtschaftserklärung sind die gängigen Probleme und Herangehensweisen aufgelistet, aber man sucht ohne Erfolg nach einer Botschaft, die über weich gezeichnete Formulierungen hinausginge. Das mag auch daran liegen, dass viele Probleme wie bei einem Haufen Mikado-Stäbchen Rückwirkungen andernorts bewirken können.
Dabei kann man den Regierungschefs nicht vorwerfen, dass die Problemanalyse unzureichend wäre. Am deutlichsten wird dies bei der bisher im Schatten des Klimathemas stehenden Ernährungssicherheit. Das präsentierte Maßnahmenbündel ist stimmig, in einigen Punkten sogar bemerkenswert. Die angekündigten Sofortmaßnahmen sind zwar angesichts der Dringlichkeit des Problems gerechtfertigt, wichtiger sind jedoch die langfristig angelegten Strukturreformen. Hierbei geht es u.a. um das Schaffen eines robusten Weltagrarmarktes, den Abbau von Handelshemmnissen oder das Steigern der landwirtschaftlichen Produktivität in Entwicklungsländern genauso wie um das Etablieren funktionierender lokaler Agrarmärkte. Hierbei könnten die steigenden Agrarpreise sogar zu einem entscheidenden Katalysator werden. Die Liberalisierung der Weltagrarmärkte, ja allein die der nationalen Agrarmärkte, erwies sich in der Vergangenheit freilich als Herkulesaufgabe. Die Absichtserklärungen sind noch weit von einer tatsächlichen Umsetzung entfernt. Wer hier auf eine rasche Lösung hofft, wird wohl enttäuscht werden.
Interessanterweise wird die Konfliktbeziehung zwischen Nahrungsmittelproduktion und Biokraftstoffen außerordentlich vage und wenig prominent skizziert. Eine klarere Botschaft hier wäre sinnvoll gewesen, denn das Thema wird derzeit intensiv und leider sehr häufig einseitig diskutiert.
Beachtlich scheint nun die Einlassung bislang skeptischer G8-Regierungen zu sein, dem Ziel der Halbierung der weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 zuzustimmen. In Heiligendamm hatte man dies noch nicht geschafft. Die wirkliche politische Arbeit liegt beim größten Emittenten der G8, den USA, zu Hause auf Eis.
Die G8 wollen Standards für Biokraftstoffe setzen, die eine Nutzungskonkurrenz zu Nahrungsmitteln mindern, und bis übernächstes Jahr weltweit 20 Kraftwerke mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung gebaut sehen: sicherlich sinnvolle Ziele. Die unübersehbare Flut von bi- und multilateralen Klima- und Energieforen und -finanzierungsmechanismen wird jedoch nicht einmal sinnvoll kanalisiert. Alles fließt, alles geht. Mehr Kernkraft (nicht in Deutschland), mehr Erneuerbare, mehr Effizienz, mehr Zusammenarbeit, mehr Geld auf vielen Wegen. Das ist grundsätzlich auch richtig, nur steigt die Gefahr, sich zu verzetteln.
Zudem hinken die G8-Staaten hinter ihren Verpflichtungen (Gipfel von Gleneagles 2005, Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen) hinterher, die Entwicklungshilfe insgesamt bis 2010 um 50 Mrd. USD p.a. und für Afrika um 25 Mrd. USD p.a. aufzustocken. Die meisten G8-Staaten verzeichneten zuletzt Rückgänge der Geberleistungen, während Deutschland knapp auf Kurs liegt und die Vereinigten Staaten zumindest die Mittel für Afrika erhöhten. Die G8 liegen jedoch bereits knapp 10 Mrd. USD p.a. hinter den Plan zurück.
Muss der Gipfel somit als Misserfolg verbucht werden? Nicht unbedingt. Konkrete Fortschritte im tatsächlichen Politikgeschehen sind nicht das Salz der Suppe solcher Treffen, vielmehr kommt es auf die gemeinsame strategische Orientierung der wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt an. Hier kommt der Heiligendammprozess ins Spiel – die Konsultation der G8-Staaten mit den überaus bedeutsamen fünf anderen Schwergewichten der Weltwirtschaft – China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika. Die konkrete Arbeitsagenda reicht vom Schutz geistigen Eigentums bis zur Energieeffizienz und der Politik gegenüber Afrikas Rohstoffreichtum. Italien wird nächstes Jahr die Aufgabe haben, Erfolge zu präsentieren. Man kann nur hoffen, dass der Zug der Zusammenarbeit auf feste Gleise gesetzt wird. Nicht nur im weltweiten Klimaschutz – das Treffen der Großen Volkswirtschaften auf Initiative von Präsident Bush ist nun in die Gipfelagenda integriert worden – spielen China, Brasilien und Indien eine große Rolle. Auch in Fragen der weltwirtschaftlichen Entwicklung – Wachstum, Inflation, Währungen, Ressourcennutzung - wird an den asiatischen und lateinamerikanischen Wirtschaftsriesen kein Weg vorbeiführen. Insofern liegt der Wert von Hokkaido wohl mehr in der Kontinuität der Arbeit, weniger im wenig Spektakulären der Beschlüsse. Mitunter ähnelt die internationale Politik wohl tatsächlich einem Mikado-Spiel, dem Spiel der vorsichtigen Hand und der kleinen Schritte.
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