Kommentar
12:05 Uhr, 23.10.2014

Märkte werden offenbar vom Herdentrieb bestimmt

Die Verunsicherung der Märkte in den letzten paar Wochen lässt sich nur schwer deuten. Der Versuch einer Erklärung muss bei den markttechnischen Daten ansetzen. Hier fällt auf, dass die extrem niedrigen Zinsen neue Anlegergruppen hin zu risikoreicheren Assets lenken: Anleger, denen es an Erfahrung mit Aktienanlagen mangelt. Als Marktneulinge stoßen sie bei schwieriger Marktlage alsbald ihre Positionen ab und verabschieden sich aus dem Markt.

Dabei wird ihr Verhalten offenbar vom Herdentrieb bestimmt.

Zugleich sprechen die Daten für eine weltweit anhaltende Wachstumsdynamik. Wir halten daher an unseren Positionen bei Aktien (leicht übergewichtet) und Immobilien (moderat übergewichtet) fest. Aber auch Sorgen im Hinblick auf die zugrunde liegenden Rahmendaten haben zur Unruhe am Markt beigetragen. Auf diese Sorgen werden wir im Folgenden eingehen. Ferner skizzieren wir die Gründe für unsere positive Einschätzung von Aktien und Immobilien.

1. Weiterhin Verzerrungen in der Weltwirtschaft
Die globale Finanzkrise wirft immer noch ihre Schatten und belastet die Wachstumsdynamik. Das zeigt sich vor allem bei den Bilanz- und Wettbewerbsproblemen, mangelnder Profitabilität, hoher Arbeitslosigkeit, stagnierendem Lohnwachstum usw. Diese Verzerrungen betreffen die verschiedenen Regionen in ganz unterschiedlichem Maße. Insofern fragt sich, ob diese Faktoren insgesamt noch für eine Fortsetzung des moderaten Konjunkturaufschwungs weltweit sprechen.

2. Künftiges Nominalwachstum u. Umständen schwächer
Das Nominalwachstum könnte schwächer sein als derzeit ein-gepreist. Diese Sorge bezieht sich darauf, dass Fed und BoE offenbar der Ansicht sind, sie könnten die durch schleppende Nachfrage verursachten Engpässe bei Arbeitsmarkt und Produktivität wieder gutmachen. Es ist indes völlig ungewiss, ob sie mit ihrem Instrumentarium auf der Angebotsseite etwas ausrichten können. Hier wurde der unerwartet starke Rückgang der Arbeitslosenquote wohl als Signal gedeutet, das kurzfristige Angebot könne nicht so stark ausgeweitet werden, wie zunächst erhofft.

3. Risiko niedriger Realverzinsung
Mit der aktuellen Kombination aus Nullzinspolitik und Inflationserwartungen ist Vollbeschäftigung nicht zu erreichen. Stattdessen könnten die niedrigen Realzinsen zu Kursblasen an den Finanzmärkten führen.

4. Märkte könnten sich von der Realwirtschaft abkoppeln
Trotz aller Unsicherheit ist eines völlig klar: Die Rahmendaten werden von vielerlei Variablen beeinflusst und Investoren fällt es schwer, hier den Überblick zu behalten. Insofern ist im aktuellen Umfeld mit zunehmender Marktvolatilität zu rechnen. Bislang hatte die weltweit lockere Zinspolitik die Volatilität noch weitgehend gezügelt. Doch in Zeiten, wenn dieser Mechanismus weniger gut funktioniert, mehren sich die Befürchtungen, der Markt könne sich von der tatsächlichen realwirtschaftlichen Lage abkoppeln. In der Tat eine heikle Debatte.

Heikle Debatte: Märkte können eigene Realität schaffen
Märkte können in erheblichem Maße ihre eigenen Realitäten schaffen. Verbreitet sich also zunehmender Pessimismus, dann wird die damit einhergehende Verschärfung der Finanzierungsbedingungen – im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung – das Wachstum lähmen.

Globale Aktien, Immobilien und Treasury-Renditen 2014

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Überbewertung risikoreicher Assets begrenzt
Zwar verfügen Märkte durchaus über die Fähigkeit, ihre eigenen Realitäten zu schaffen. Dennoch sehen wir keine weitverbreitete Überbewertung risikoreicher Assets. Im Folgenden skizzieren wir einige der Gründe für unsere anhaltend positive Einschätzung von Aktien (leicht übergewichtet) und Immobilien (moderat übergewichtet).

Globale Wachstumsdynamik ungebrochen
Die Daten sprechen für eine weltweit ungebrochene Wachstumsdynamik. Der globale PMI deutet weiterhin auf ein moderat über seinem Potenzial liegendes Wachstum hin. In den letzten Monaten haben sich auch die globalen Einzelhandelsumsätze lebhafter entwickelt; der starke Rückgang der Rohstoffpreise wird hier für weitere Dynamik sorgen.

Vermögenseffekte: Aktien- und Immobilienmärkte
Die Vermögenseffekte von den Aktien- und Immobilienmärkten sind trotz des jüngsten Kurseinbruchs bei risiko-reichen Assets überwiegend positiv (oder jedenfalls nicht besonders negativ). Die günstige Entwicklung an den Arbeitsmärkten in den meisten Regionen dürfte die Stim-mung bei den Verbrauchern und damit die Konsumfreude heben.

Unternehmen weiter investitionsbereit
Auch die Unternehmen sind nach wie vor bereit zu investieren. Das zeigt sich auch an den verschiedenen Indikatoren der Investitionstätigkeit. Die Trends bei Aufträgen für langlebige Güter sowie die Produktion im globalen Investitionsgüterbereich deuten auf eine nachhaltige moderate Erholung hin.

Federal Reserve geldpolitisch wieder lockerer
Angesichts der weltweiten Wachstumssorgen, der Dollar-Stärke und der niedrigeren Inflationserwartungen zeigt sich die Fed geldpolitisch wieder lockerer. So signalisierte das Protokoll der letzten Zentralbanksitzung Konsens, dass eine erhebliche Unterauslastung bei Arbeitsressourcen bestehe. Dennoch halten wir eine erste Anhebung des Leitzinses Mitte 2015 für wahrscheinlich.

Dollar, Ölpreis und niedrigere Zinsen günstig
Für die verfügbaren Einkommen der Privathaushalte ist der fallende Ölpreis günstig. Aufgrund der niedrigeren Inputkosten profitieren hier auch die Unternehmen. Niedrigere Zinsen auf US-Anleihen bedeuten eine Verschnaufpause für die Emerging Markets. Und schließlich begünstigt der stärkere Dollar Wirtschafts- und Gewinnwachstum in Europa, Japan und den Schwellenländern.

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