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14:49 Uhr, 10.10.2024

Lindner sieht Ampel für FDP-Umfragen verantwortlich

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sieht die Ampel-Regierung als entscheidende Ursache für die schlechten Umfragewerte seiner Partei, will daraus aber kurzfristig keine Konsequenzen ziehen. "Niemals würde ich eine Entscheidung über eine Regierung treffen, weil ich zuerst Wohl und Wehe meiner Partei im Blick habe", erklärte Lindner im Fernsehsender Phoenix nach dessen Angaben und fügte hinzu: "Aus staatspolitischer Verantwortung sind wir in dieser Regierung, aber es ist kein Konjunkturprogramm für meine Partei." Oft müsse man Kompromisse schließen, "die die Wähler der FDP nicht begeistern, obwohl sie für das Land mindestens verantwortbar sind".

Jetzt komme es darauf an, angesichts der großen Herausforderungen in den kommenden Wochen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zunächst gelte es, Steuerschätzung und Konjunkturprognose für das kommende Jahr abzuwarten. "Dann werden wir Ende Oktober sehen, was der weitere Handlungsbedarf ist - ohne Steuerhöhungen und ohne an der Schuldenbremse zu manipulieren", sagte Lindner. Wer die Handlungsfähigkeit des Staates vergrößern und Investitionen erhöhen wolle, dürfe nicht an neue Verbindlichkeiten denken. "Die Lösung liegt nicht in Schulden, sondern darin, den Sozialstaat auf diejenigen Menschen zu konzentrieren, die ihn wirklich brauchen", meinte der FDP-Vorsitzende. Der deutsche Sozialstaat sei derzeit "nicht hinreichend treffsicher".

Wegen irregulärer Migration, unzureichender Beschäftigungszahlen ukrainischer Geflüchteter im deutschen Arbeitsmarkt und zu vieler arbeitsfähiger Menschen im Bürgergeldbezug müsse man Milliarden Euro aufwenden, so Lindner, der hinzufügte: "Der Regelsatz des Bürgergelds ist zu hoch, gemessen an der Inflation ist er überveranschlagt." In diesem Zusammenhang distanzierte sich Lindner nicht wie Kanzler Scholz und Teile der SPD von einer sogenannten Anschubprämie für Langzeitarbeitslose bei einer Jobaufnahme, die in der vergangenen Woche vom Bundeskabinett verabschiedet worden war. Der Beschluss gehöre zu insgesamt 120 Maßnahmen, die von der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Wachstumsinitiative auf den Weg gebracht worden seien.

Richtig sei, dass diejenigen, die zwölf Monate arbeiteten und dabei weder Bürgergeld bezögen noch Kosten für die Unterbringung geltend machten, diese Unterstützung erhielten. "In der Gesamtschau spart das dem Steuerzahler Geld. Die Idee der 1.000 Euro ist auch eine Lösung. Wir müssen es aber erklären", sagte Lindner, der betonte, dass er persönlich einen anderen Weg bevorzugt hätte, nämlich den Menschen, die neben dem Bezug von Bürgergeld arbeiteten, einen höheren Selbstbehalt einzuräumen. Bei Fragen der Migration mahnte Lindner rasche Maßnahmen an, weil dies die Bürger endlich erwarteten. Einwanderung nach Deutschland sei notwendig, doch die Regeln müssten geschärft werden.

Gerade bei dem Themenkomplex Migration und Sicherheit müssten rasch Antworten gegeben werden, darin sei man sich im Bundeskabinett einig gewesen. "Aber es ist ausgesprochen schwierig. Jetzt nehme ich wahr, dass aus der SPD und insbesondere bei den Grünen sehr viele Politiker gegen die Verabredung im Kabinett mobil machen", monierte Lindner. Notwendig sei im Übrigen, der deutschen Wirtschaft Zuversicht zu geben und bremsende Faktoren, auf die man Einfluss habe, auszuschalten. "Die Regierung ist bis dato nicht in der Lage, eine Richtung aufzuzeigen, wohin wir die deutsche Wirtschaft entwickeln wollen", erklärte der Bundesfinanzminister.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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