Lindner: Schuldenbremse ist Inflationsbremse in diesen Zeiten
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Bedeutung der Schuldenbremse für die wirtschaftliche Erholung in Deutschland betont, aber Änderungsmöglichkeiten an Einzelpunkten eingeräumt. Die Regelung habe in den vergangenen 15 Monaten einen "wesentlichen Beitrag" zur Stabilität geleistet, sagte Lindner bei einer Diskussionsveranstaltung seines Ministeriums aus Anlass des 15-jährigen Bestehens der Schuldenbremse. "Die Schuldenbremse ist eine Inflationsbremse in diesen Zeiten, wie wir sie hatten, und sie sichert damit das Fundament einer jeden wirtschaftlichen Erholung", erklärte er. "Geldentwertung und Unsicherheit hinsichtlich der Preisentwicklung ist eine der größten makroökonomischen Gefahren, und die hat die Schuldenbremse schon einmal gebannt."
Regelmäßig habe es während der vergangenen 15 Monate eine Diskussion darüber gegeben, "ob Deutschland nicht eine expansive Finanzpolitik verfolgen sollte". Immer wieder, so etwa in der Debatte um einen Industriestrompreis, habe es die Idee gegeben, sehr viele Subventionen an die Wirtschaft auszuzahlen, und der wirtschaftliche Abwehrschirm für die Energie- und Strompreisbremse sollte umgewidmet werden. "Zu all dem kam es nicht, dank der Schuldenbremse", betonte der Finanzminister. Im Vergleich zu den USA sehe man zum Beispiel, "dass sich bei uns durch unsere moderat restriktive Fiskalpolitik aufgrund der Schuldenbremse die Inflation in die richtige Richtung entwickelt", während in den USA enorme Budgetdefizite beständen und die Inflation wieder gestiegen sei.
Lindner betonte, "im Kern" sehe er keine Gründe für eine Infragestellung der grundgesetzlichen Fiskalregel. Allerdings könne man in zwei Bereichen über Änderungen nachdenken, "und das will ich gerne tun". Der erste Bereich sei das Konjunkturbereinigungsverfahren, dessen Reform aber auf wissenschaftlicher Basis erfolgen müsse. "Ich beschütze die Reform der Konjunkturbereinigung vor politischer Einflussnahme", sagte er. "Nicht die Wünsche von Politikern, möglichst schnell populäre Forderungen finanzieren zu können, sollten entscheidend sein, sondern wirklich die langfristigen Interessen unserer Staatsfinanzen."
Schuldenquote noch dieses Jahrzehnt wieder auf Vorkrisenniveau
Als zweiten Bereich für mögliche Veränderungen sah Lindner den Umgang mit Tilgungsverpflichtungen von Notlagenschulden. Er rechne damit, dass Deutschland noch in diesem Jahrzehnt wieder auf dem Vorkrisenniveau bei der Schuldenquote sein werde, und dann sei die Frage erlaubt, ob man die pandemiebedingten Schulden überproportional abbauen müsse, wenn sie in der Schuldenquote nicht mehr sichtbar seien. "Das würde ich gerne diskutieren", sagte Lindner. "Diese Reform, die ohne Grundgesetzänderung passieren könnte, die kann ich mir als eine Modifikation dessen, was wir entschieden haben, vorstellen."
Wenn in der Schuldenquote der Ausnahmefall nicht mehr sichtbar sei, sei ökonomisch der richtige Zeitpunkt für diese politisch-rechtliche Debatte. "Heute muss man das nicht entscheiden", betonte der FDP-Vorsitzende. Er habe sich aber vorgenommen, jetzt diesen Gedanken zu platzieren, weil er vielleicht einen Anreiz beinhalten könnte, noch eine Zeit mit Haushaltsdisziplin durchzuhalten, "weil dann gewissermaßen eine Belohnung winkt, eine Soliditätsdividende in möglicherweise zweistelliger Milliarden-Euro-Größenordnung".
Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts habe die Anwendung der Schuldenbremse sehr verschärft, "auch in einer Weise, die aus meiner Sicht nicht erforderlich gewesen wäre", betonte Lindner zudem. Weil die 2021 erfolgten Notlagenkredite wegen der Ahrtalflut auf Basis des Urteils nichtig gewesen seien, müssten die Verpflichtungen des Aufbauhilfefonds jetzt aus dem laufenden Haushalt finanziert werden. "Das ist eine, ich glaube, vom Senat nicht mitbedachte Folgewirkung", sagte der Finanzminister. "Die dachten, sie urteilen über den zweiten Nachtragshaushalt 2021, aber haben stattdessen die Staatspraxis verändert."
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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