Leichte Entspannung des Inflationsdrucks – Konjunkturängste steigen
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1. Der EZB-Kompass, der die wichtigen makroökonomischen Einflussgrößen auf die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank zusammengefasst darstellt, ist im Juli nochmals deutlich von revidierten 59,6 auf 56,9 Punkte gefallen. Wir hatten im Vorfeld einen Rückgang bereits vorhergesehen. Allerdings kam er nun noch stärker als erwartet. Das bedeutet, dass sich die EZB von den betrachteten Makroindikatoren keinen so deutlichen Zinserhöhungsanforderungen mehr gegenüber sieht wie noch im vergangenen Monat. Allerdings deutet der Kompass auch noch nicht auf die Notwendigkeit von Zinssenkungen hin. Dies wäre bei Werten unter 50 der Fall. Trotz weiterhin rückläufigen Scores erwarten wir solche Werte in diesem Jahr nicht mehr. Erst im kommenden Jahr wird unserer Meinung nach diese Grenze unterschritten werden.
2. Bei einer Reihe von für den Inflationsdruck in Euroland maßgeblichen Daten gab es Entlastungen. Die Konjunkturdaten setzten wie erwartet ihren Rückgang fort. Angefangen von Stimmungsindikatoren wie dem Economic Sentiment über die Outputlücke, welche ein Maß für die Auslastung der Wirtschaft ist, bis hin zu harten Daten wie der europäischen Industrieproduktion deuteten die Indikatoren auf eine Verlangsamung der Konjunkturdynamik und damit abnehmenden Inflationsdruck hin. Zusammen mit dem in jüngster Zeit rückläufigen Rohölpreis - dessen Auswirkungen noch nicht vollständig in den bislang vorliegenden Zahlen enthalten sind – deuten diese Entwicklungen darauf hin, dass der lange erwartete Rückgang der Inflationsrate in Euroland nach dem Hochpunkt im August ab dem Herbst tatsächlich kommt.
3. Die langsame Entschärfung des Inflationsklimas wird bereits seit Jahresanfang von dem monetären Indikator innerhalb der Komponenten des EZB-Kompass unterstützt. Nachdem die Buchkreditvergabe bereits im Juni unter die 10-Prozent-Marke (yoy-Rate) gesunken war, setzte sich diese Abnahme nach unseren Berechnungen im Juli fort, was darauf hindeutet, dass auch die monetäre Expansion, die in der Vergangenheit ein steter Quell der Inflationsbeunruhigung gewesen ist, sich normalisiert. Abgesehen von den Erzeugerpreisen entspannten sich erstmals seit langem auch die im Kompass enthaltenen direkten Inflationsmaße etwas. Zwar blieben die unten links dargestellten Inflationsprognosen der Analysten für Euroland auf dem gleich hohen Niveau, und bei den Konsumenten machte sich nur eine geringe Erleichterung in den Inflationserwartungen bemerkbar (Schaubild unten rechts). Allerdings ging die Steigerung der Importpreise zum ersten Mal in diesem Jahr wieder etwas zurück. Unter den heute angelegten Umfeldbedingungen eines merkbaren Abschwungs in Euroland rechnen wir damit, dass der Scheitelpunkt der gegenwärtigen Inflationswelle unmittelbar bevorsteht oder sogar schon vorüber ist. An den Finanzmärkten sind die Inflationsbefürchtungen weiterhin sichtbar, wie etwa an den forward-Breakeven Inflationsraten französischer inflationsindexierter Anleihen (5J-5J forward, s. Schaubild), einem Maß für die Inflationserwartungen, dem auch die EZB viel Beachtung schenkt. Trotzdem rechnen wir auch hier im weiteren Jahresverlauf mit einer leichten Entspannung.
4. Die EZB hat in den vergangenen Monaten eine Steuerung der Inflationserwartungen betrieben. In der ersten Jahreshälfte hat sie insbesondere durch Kommunikationsmittel die Glaubwürdigkeit ihrer Inflationsnorm zu verteidigen gesucht. Als dies angesichts immer weiter steigender Inflationsraten Gefahr lief zu scheitern, griff sie im Juli zum Zinsinstrument, um ihre Entschlossenheit zu unterstreichen. Dies war jedoch nicht der Beginn eines zweiten Zinsstraffungszyklus, der über eine Einbremsung der Konjunktur die Inflationsrate drücken soll. Es wäre allenfalls noch vorstellbar, dass die EZB eine weitere Geste der Entschlossenheit liefern müsse, bevor der Inflationsdruck nachlässt. Gegenwärtig sieht es jedoch so aus, als käme die EZB um einen weiteren Zinsschritt im Herbst sogar herum. Die Märkte sehen dies gegenwärtig ähnlich und haben weitere Zinserhöhungen ausgepreist. Wir rechnen damit, dass die EZB am Donnerstag diese leichte Entspannung an der Inflationsfront erwähnt, aber trotzdem ihre Entschlossenheit zu Gegenmaßnahmen unterstreicht, sollten die Inflationserwartunen wieder ansteigen. Ebenso dürfte sie die Zunahme der Konjunkturrisiken nicht unerwähnt lassen. Dass sich das Konjunkturumfeld in der zweiten Jahreshälfte verschlechtern würde, war dem Zentralbankrat bereits in den vergangenen Monaten bewusst. Spannend wird es sein, ob Präsident Trichet Andeutungen macht, dass die Abkühlung, wie sie sich gegenwärtig abzeichnet, über das hinausgeht, was die EZB ohnehin erwartet hat.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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