Kommentar
15:15 Uhr, 11.11.2010

Kredit-Ratings – China-Style

In China kennt man das Geschäftsmodell von Standard & Poor’s, Fitch Ratings und Moody’s genau und weiß auch, dass das Dreiergespann die Welt der Kreditratings beherrscht. Was wären die Chinesen wenn nicht gute Geschäftsleute, wenn sie nicht einfach ihre eigene Kreditratingagentur gründen würden? Falls Sie es nicht mitbekommen haben: Chinas Kreditratingagentur heißt Dagong Global Credit Rating Group und hat schon im Juli für Furore im Westen gesorgt, als sie die AAA-Ratings von sieben Industriestaaten strich und abstufte. Die Ratings von Großbritannien oder Frankreich sind heute unter jenen Chinas - zumindest aus Sicht von Dagong.

Jetzt ist die chinesische Agentur erneut in den Schlagzeilen: Die erneute Runde billigen Geldes der US-Notenbank hat Dagong dazu bewogen, das Kreditrating der USA erneut zu senken – auf „A+“ von zuvor „AA“. In der Begründung hauen die Chinesen richtig auf den Putz:

„Schwere Defekte der wirtschaftlichen Entwicklung der Vereinigten Staaten und die Schritte, die zum Management selbiger verwendet werden, werden zu einer langfristigen Rezession der Wirtschaftsleistung führen, was die Zahlungsfähigkeit der Regierung fundamental senken wird.“

Überaus deutlich geht der Bericht weiter: „Ganz offensichtlich hat die neue Runde quantitativer Lockerung einen Abwertungstrend für den US-Dollar heraufbeschworen und spricht für eine Fortsetzung und sogar Vertiefung der Kreditkrise in den USA. Eine derartige Entscheidung geht auf Kosten der Gläubiger, da sie vermuten lässt, dass die Bereitschaft der USA, die Schulden zurückzuzahlen, gesunken ist. Im Gegenteil – durch die Dollar abwertende Politik der US-Regierung könnte eine Krise ausgelöst werden, die noch weitere Bereiche tangiert.

(…)

Der gesamte Produktionswert der US-Finanzindustrie besteht aus zwei Dingen: Eine ist der transferierte Wert hergestellter Produkte, der sich vor allem aus der Verteilung von Werten international hergestellter Produkte speist. Ein weiterer Teil ist der aufgeblähte Wert, der sich aus innovativen Kreditprodukten speist. Das ist eine Spekulationsblase. Der Glaube der Amerikaner an den Finanzsektor bedingt, dass mehr als die Hälfte der Gewinne in der realen Wirtschaft aus den Erlösen aus Finanzgeschäften kommt. Wenn wir den Faktor der virtuellen Wirtschaft ausklammern, liegt das tatsächliche Bruttoinlandsprodukt der USA bei fünf Billionen Dollar oder 15,000 Dollar pro Kopf.“

Das US-BIP liegt aktuell bei 14 Billionen Dollar. Dass solche Berechnungen im Westen und besonders in den USA für nichts mehr als ein müdes Lächeln sorgen, ist verständlich. Die US-Börsenaufsicht SEC lehnte zumindest einen offiziellen Antrag der Dagong Global Credit Rating Group ab, in die Riege der offiziell in den USA erlaubten Rating-Agenturen aufgenommen zu werden.

Selbst Japan ist ein derartiger Abschwung wie von Dagong für die USA prognostiziert erspart geblieben. Auch erwähnt Dagong nicht das Nettovermögen der Amerikaner, das bei 53,5 Billionen Dollar liegt. Dieser Wert liegt um ein Vielfaches über der Verschuldung der Regierung. Langfristig könnte den USA auch die Veränderung der demographischen Strukturen zu Gute kommen – eine Entwicklung, die in China vermutlich die gegenteilige Richtung einschlagen wird.

Offenbar schießt China während des laufenden G20-Wirtschaftsgipfels in Seoul einfach nur scharf, um politisch zu taktieren und möglichst ungeschoren davonzukommen.

Autor: Jochen Stanzl – Chefredateur Finanznachrichten BoerseGo.de

BoerseGo.de ist ein Service der BörseGo AG : http://www.boerse-go.ag

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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