Kommentar
12:09 Uhr, 06.03.2015

Klare Ölpreis-Gewinner und Verlierer in den EM

Laut ING Investment Management gibt es im Emerging-Markets-Universum im Hinblick auf die Ölpreisentwicklung klare Gewinner und Verlierer. Für Verbraucher ist der Preiseinbruch jedenfalls positiv, bedeutet er doch niedrigere Preise und höhere Kaufkraft. Unklarheit herrscht indes weiter im Hinblick auf die Ursachen des Preisverfalls und seine Folgen für asiatische Länder mit ausgeprägter Sparkultur und erst kürzlich gestrichenen Treibstoffsubventionen.

Die größten Nutznießer niedriger Ölpreise in den EM sind Thailand, die Türkei, Südafrika, Indien und China, also die größten Einfuhrländer von Erdöl. Die Türkei deckt beispielsweise 90 Prozent ihres Rohölbedarfs durch Importe. Als der Ölpreis pro Barrel noch bei 109 Dollar lag, entsprachen die Einfuhrkosten 5,7 Prozent der türkischen Wirtschaftsleistung. Bei einem Barrel-Preis von nur 50 Dollar sind das nur noch 2,6 Prozent des BIP. Da die meisten Öl importierenden Länder in den letzten Jahren erhebliche Leistungsbilanzdefizite angehäuft haben, dürfte der fallende Ölpreis zu höherer volkswirtschaftlicher Stabilität führen. Denn je stabiler die Außenfinanzierungsposition eines Landes, desto preisgünstiger kann es ausländisches Kapital anziehen und seine Inflation auf niedrigem Niveau stabilisieren.

Am anderen Ende des Spektrums finden sich Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Kolumbien und Malaysia, allesamt bedeutende Ölproduzenten und Nettoexporteure. Russland ist besonders schlimm vom Ölpreisverfall betroffen. Bei einem Preis von 109 Dollar flossen dem Land Erdöleinnahmen von rund 430 Milliarden Dollar zu. 2013 entsprach das noch 16 Prozent der russischen Wirtschaftsleistung. Um den Rückgang der Öleinnahmen auszugleichen, hat das Land den Rubel massiv abwerten lassen. Das belastet die russische Wirtschaft in erheblichem Maße.

Schaut man sich den MSCI Emerging Markets-Index an, so stellt man fest, dass nur knapp 14 Prozent der im Index vertretenen Länder Netto-Erdölexporteure sind. Andersrum sind 70 Prozent der EM-Länder bedeutende Erdölimporteure. Insofern ist der Ölpreistrend für das EM-Universum insgesamt eindeutig positiv. Doch diese Vorteile führen nicht automatisch zu einem proportionalen Konsumanstieg, da viele asiatische Länder eine ausgeprägte Sparkultur pflegen und die Konsumausgaben daher weniger stark steigen. Hinzu kommt, dass Indien und Indonesien erst kürzlich die Benzinsubventionen gestrichen haben. Für die Verbraucher in diesen Ländern bedeutet das, dass die Treibstoffpreise trotz fallender Ölpreise netto leicht gestiegen sind. Insofern ist hier nicht mit einer Ankurbelung des Konsums zu rechnen. Langfristig sind die Reformen indes positiv für die Haushaltslage der betreffenden Länder.

Auch Konsumgüterunternehmen und möglicherweise Finanzdienstleister in Einfuhrländern würden längerfristig von fallenden Ölpreisen profitieren. Die Kehrseite der Medaille ist wiederum, dass die Öl exportierenden Länder sich hohem Druck gegenübersehen, der ihre Volkswirtschaften belastet. Auch im Hinblick auf die Konsequenzen für andere Rohstoffe sowie Unternehmen mit hohen Schulden in US-Dollar sollte man mit der gebotenen Vorsicht abwägen. Im Industriesektor wird es ein paar klare Gewinner geben. In Branchen mit Überkapazitäten dürften die Vorteile indes rasch an die Verbraucher weitergegeben werden.

Im Rahmen unserer Global Emerging Markets-Strategie haben wir eine eindeutige Präferenz für Ölverbraucherländer. Untergewichtet sind wir bei Ölproduzenten wie Russland, den VAE und Kolumbien. Bei Energie und Grundstoffen halten wir Untergewichte. Dabei muss allerdings betont werden, dass es mehrere Gründe für den Verfall der Ölpreise gibt. Wäre dieser Preisverfall allein auf die Angebotsseite zurückzuführen, wie manche Kommentatoren behaupten, dann wäre das eindeutig positiv. Unserer Einschätzung nach sind die Gründe jedoch eher bei Faktoren wie einer schwächeren Nachfrage zu suchen.

Autor: Nathan Griffiths, Portfolio Manager Global Emerging Markets Equities

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