K: Politik im Fokus
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Externe Quelle: HVB
Politik im Fokus
Die Rahmenbedingungen für neue Jahreshöchstkurse im weiteren Jahresverlauf sind intakt. Unsere positive mittelfristige Markteinschätzung wird von der erwarteten Aufhellung der Konjunkturperspektive im zweiten Halbjahr getragen. In den kommenden Wochen dürften politische Faktoren den Markt beeinflussen: (1) durch einen schwächeren Euro als Folge der Diskussion um die EU-Verfassung (2) durch neue Reformphantasie in Deutschland.
Europa
Die Verfassung prägt die längerfristigen Erwartungen hinsichtlich wichtiger ökonomischer und politischer Größen. Am 29. Mai findet das französische Referendum zur EU-Verfassung statt, am 1 Juni führen die Holländer eine Volksabstimmung durch. Eine Ablehnung der Verfassung kann Meinungsumfragen zu Folge nicht ausgeschlossen werden. Der jeweilige rechtliche Rahmen prägt die längerfristigen Erwartungen wichtiger ökonomischer Größen, die wiederum die Kursentwicklung an den Finanzmärkten beeinflussen:
Maastricht-Vertrag: Mit dem Vertrag haben die Mitgliedsländer ihre Politiken auf die Verwirklichung der Europäischen Währungsunion ausgerichtet (stabilitätsorientierte Geldpolitik, Abbau der Staatsdefizite). Als die Verwirklichung der EWU durch die Ablehnung der Dänen in Frage gestellt wurde, war auch das Vertrauen in die Fortsetzung der stabilitätsorientierten Politiken in Frage gestellt und die zuvor positiven Trends an den Finanzmärkten drehten sich um.
Nizza-Vertrag: Dieser Vertrag war von Anfang an nur ein „Vertrag des Übergangs“. Bereits bei der Einigung auf diesen Vertrag wurde beschlossen, einen Konvent für die Ausarbeitung einer Verfassung einzuberufen. Die Ablehnung des Vertrags durch das Referendum in Irland hatte demzufolge keine besonderen Auswirkungen. Zudem war die Währungsunion bereits verwirklicht und der institutionelle Rahmen damit stabiler als zu Zeiten des EWS.
EU-Verfassung: Diese soll u. a. die Handlungsfähigkeit der erweiterten Union sicherstellen (neue Stimmengewichte der Länder, Mehrheitsentscheidungen bei einer größeren Zahl von Politikbereichen). Sie bedeutet zudem neue Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung zu einer „immer engeren politischen Union“. Bei einem endgültigen Scheitern wäre die zentrale Frage, ob die Integration zum Stillstand kommen und sich die EU/die EWU womöglich wirtschaftlich und politisch wieder auseinander entwickeln könnte.
Der direkteste „Link“ zwischen diesem Thema und dem Aktienmarkt verläuft über den Euro-Wechselkurs. Eine Ablehnung der Verfassung würde zu einer Verunsicherung über den weiteren Kurs der europäischen Integration führen. Dies dürfte in den kommenden Wochen den Euro gegenüber dem USD belasten. Möglicherweise könnte ein Konflikt unter den EU-Ländern über die Frage, ob die Ratifizierung trotzdem in anderen Ländern fortgesetzt wird, die Verunsicherung zunächst zusätzlich schüren. Letztlich sollte es der Politik jedoch auf Sicht der kommenden Wochen gelingen, das Vertrauen in die europäische Integration zu bewahren (EU-Gipfel Mitte Juni). Die (vorübergehende) Abschwächung des Euro sollte vor diesem Hintergrund per Saldo eine positive Wirkung auf den Aktienmarkt entfalten.
Deutschland
Die Ankündigung von Neuwahlen wird die Phantasie auf neue Reformen wieder beflügeln und positiv auf den Aktienmarkt wirken. Nach den bislang bekannten Überlegungen wird der Bundeskanzler am 1. Juli die Vertrauensfrage im Bundestag stellen, um den Prozess zu Neuwahlen einzuleiten. Die Bundestagswahl könnte dann am 18. September stattfinden (Für mögliche noch offene verfassungsrechtliche Fragen sollte eine Lösung gefunden werden). In den kommenden Wochen und Monaten dürften aus dem Blickwinkel des Aktienmarktes folgende Fragen im Mittelpunkt stehen und für Kursphantasie sorgen:
Regierungswechsel: Die aktuellen Umfragen zeigen einen deutlichen Vorsprung von CDU/CSU und FDP (zusammen 50% der Stimmen) gegenüber den bisherigen Regierungsparteien SPD und Die Grünen (zusammen 39% der Stimmen). Nach diesen Umfragen wird es zu einem Regierungswechsel auf Bundesebene im Herbst kommen.
Neue Linkspartei: Oskar Lafontaine, ehemaliger Parteivorsitzender der SPD, hat gestern erklärt, die neue Linkspartei „Arbeit und soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative“ (WASG) zu unterstützen. Damit zählt diese Partei zu den Einflussfaktoren für den Aktienmarkt. Die WASG und die PDS könnten sich zusammenschließen, um ihre Chancen zu erhöhen. Unsere Arbeitshypothese ist, dass der sich abzeichnende „Lagerwahlkampf“ eher zu Lasten der SPD gehen wird, als dass er eine CDU/CSU/FDP Mehrheit verhindern wird.
Politische Handlungsfähigkeit: Eine CDU/CSU/FDPRegierung hätte sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Mehrheit. Sie würde damit für alle Politikbereiche über vollen Gestaltungsspielraum verfügen. Zustimmungspflichtige Gesetze könnten ganz alleine von den Regierungsparteien verabschiedet werden. Für die Phantasie am Aktienmarkt ist es wesentlich, dass eine neue Regierung diese Handlungsmacht hätte und weniger wichtig, jetzt schon „Gewissheit“ über Details des Reformprogramms zu haben. Die neue Regierung hätte mehr Gestaltungsmacht als die Regierungen der letzten mindestens 20 Jahre – u. E. ist die logische Arbeitshypothese, dass sie diese auch nutzen wird.
Lohnnebenkosten: Die CDU spricht sich dafür aus, die Finanzierung künftiger Kostensteigerungen in der Sozialversicherung von den Lohnnebenkosten zu entkoppeln. Dies würde eine bedeutende strukturelle Veränderung darstellen, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen weiter verbessern und den Gewinntrend der Unternehmen stärken würde.
Arbeitsmarkt: Die Opposition hat in den vergangenen Monaten eine weitere Liberalisierung des Arbeitsmarktes gefordert (insbesondere eine Lockerung des Kündigungsschutzes). Eine größere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes würde die Möglichkeiten der Unternehmen, im Konjunkturzyklus flexibel zu agieren, erhöhen und die mittelfristigen Chancen auf ein höheres Wirtschaftswachstum und einen stabilere Entwicklung der Unternehmensgewinne stärken.
Steuern: Die Opposition hat sich für eine „radikale“ Vereinfachung des Steuersystems, Abbau von Subventionen und Absenkung der Steuersätze ausgesprochen. Auch dies ist eine positive Perspektive für den Aktienmarkt.
Das Indexpotenzial für den DAX erhöht sich auf 4800 Punkten auf Sicht von 6-12 Monaten. Die Umsetzung von Reformen in den angesprochenen Politik-Bereichen wird den mittelfristigen Gewinntrend der Unternehmen stärken. Dies ist ein strukturell positives Argument für den deutschen Aktienmarkt, das sich jedoch noch nicht in den 2006er Gewinnen nennenswert niederschlagen dürfte. Die Perspektive auf positive strukturelle Verbesserungen sollte sich jedoch in einer höheren Bewertung des Aktienmarktes niederschlagen und damit das mittelfristige Indexpotenzial erhöhen. Auf Sicht von 6-12 Monaten sehen wir das DAX-Ziel bei 4800 Punkten. Der DAX sollte sich zudem kurzund mittelfristig besser als der Euro STOXX 50 entwickeln. Wir haben den DAX von Neutral auf Outperform gegenüber dem Euro STOXX 50 hochgestuft.
Fazit: Unser 6-Monatsziel für den Euro STOXX 50 lautet 3200 Punkte. Für den DAX erwarten wir auf Sicht von 6 Monaten 4575 Punkte und für die Zeit danach (6-12 Monate) 4800 Punkte. Wie schnell dieses Ziel erreicht wird, wird auch von dem Tempo der Umsetzung neuer Reformen bestimmt werden.
Sektor Allokation
Wir haben die Marktverunsicherung Ende April dazu genutzt, unsere Sektor Allokation zyklischer auszurichten. Auslöser war, dass einige Sektoren eine Bewertung erreicht hatten, die der zum Höhepunkt der Baisse in 2003 nahe waren. Einen weiteren zentralen Faktor stellte unsere Erwartung einer Stabilisierung bzw. Erholung der Frühindikatoren in den Sommermonaten dar. In Zusammenhang mit stabilen, jedoch weiter hohen Rohstoffkosten werden hiervon die von uns übergewichteten STOXX 600 Sektoren Automobiles, Basic Resources, Chemicals und Construction & Materials profitieren. Telecommunications als ebenfalls übergewichteter Sektor, wird durch die aktuell wieder zunehmende Dynamik in den Gewinnerwartungen Unterstützung erfahren. Untergewichtet sind Banks, Food & Beverage, Industrial Goods & Services, Media und Retail.
Unsere Sektor Allokation ist u. a. auf ein Drehen der Frühindikatoren in den Sommermonaten ausgerichtet. Neben günstiger Bewertung bei stabilem Gewinnwachstum ist ein zentraler Punkt für die Auswahl der von uns übergewichteten Sektoren die bevorstehende Stabilisierung bzw. Verbesserung der Frühindikatoren. Dies erwarten wir in den Sommermonaten. Bereits im Zeitraum ab 2 Monate vor dem tatsächlichen Tiefpunkt in einem Zyklus der Frühindikatoren zeichnete sich in der Vergangenheit auf breiter Front eine Outperformance der Industriesektoren ab (Automobiles, Basic Resources, Chemicals, Construction, Ind. Goods & Services). Bis auf Industrial Goods & Services geben wir aktuell allen Industriesektoren eine Übergewichtung. Der übergewichtete Telecom-Sektor zählt ebenfalls zu den Hauptprofiteuren im Vorfeld des Tiefpunktes in den Frühindikatoren.
STOXX Technology ist in der Auswertung mit einer Outperformance von +5,1% im Bereich von 2 Monaten vor dem Tiefpunkt in den Frühindikatoren ein weiterer Profiteuer. Aktuell geben wir dem Sektor jedoch nur eine neutrale Gewichtung, da das Umfeld angesichts hohen Preisdrucks und rückläufiger Nachfrage bei den Halbleitern sowie einem Book-to-Bill Ratio von unter 1 u. E. unter quantitativen Gesichtspunkten noch nicht für eine nachhaltige Outperformance spricht. Die Auswertung bestätigt zudem die mangelnde Nachhaltigkeit in der zu erwartenden Outperformance (1 Monat vor dem Tiefpunkt nurmehr 0,2% Outperformance, im Monat nach dem Tiefpunkt sogar eine Underperformance).
Retail ist weiterhin von negativen Gewinnrevisionen geprägt. Der Retail Sektor zählt zu den eher defensiv ausgerichteten Sektoren, die erst in der Endphase einer Konjunkturerholung zu den Hauptprofiteuren zu zählen sind. Vor diesem Hintergrund ist auch in den kommenden Monaten noch nicht mit einer Outperformance des Sektors zu rechnen. Erst mit einer Stabilisierung des unverändert negativen relativen Earnings Revisions Ratios gegenüber dem STOXX 600 ist mit einer Stabilisierung der Sektorperformance zu rechnen.
Die Outperformance von STOXX Automobiles & Parts wird sich in den kommenden Wochen fortsetzen. Die fundamentalen und quantitativen Faktoren sprechen in den kommenden Wochen eindeutig für eine Fortsetzung der Outperformance von STOXX Automobiles. Wir gehen von einer Stabilisierung bzw. Erholung der Frühindikatoren in den Sommermonaten aus. Im Umfeld ab 2 Monaten vor einer Bestätigung des Tiefpunktes in den Frühindikatoren haben Automobiles i.d.R. eine Outperformance erzielen können. Zusätzlich wirkt sich gegenwärtig positiv aus, dass die Belastungen seitens steigender Rohstoffpreise angesichts der gegenwärtigen Stabilisierung bei den Stahlpreise zunächst auslaufen, die Ölpreisentwicklung hat deutlich an Momentum verloren. Der wieder stärkere USD gibt weitere positive Impulse. Unter saisonalen Gesichtspunkten haben die Monate April und Mai das höchste Momentum in den Zulassungsstatistiken, was in den kommenden Wochen für einen positiven Newsflow sorgen dürfte. Per saldo sehen wir für Automobiles mit dem Auslaufen der Belastungsfaktoren in einem Umfeld niedriger Bewertung, positivem relativen Gewinnmomentum sowie einem saisonal günstigen Quartal die Grundlagen für eine Outperformance des Sektors gegeben.
Für den Sektor Oil & Gas erwarten wir keine neuen Impulse mehr. Wir haben den Sektor vor 3 Wochen von Übergewichten auf Neutral zurückgestuft, da wir davon ausgehen, dass die wesentlichen treibenden Impulse für die in den vergangenen 12 Monaten gezeigte Outperformance weitestgehend eingepreist sind. Das erwartete Gewinnwachstum für 2005 wurde in den vergangenen Monaten von -1,2% Mitte Dezember 2004 auf mittlerweile +8,7% angehoben. Nachdem der Ölpreisanstieg zunächst gestoppt ist und damit der für die Gewinnentwicklung wesentliche treibende Faktor eines hohen Ölpreismomentums entfällt, wird die Outperformance sich in den kommenden Monaten nicht weiter fortsetzen lassen. Erst mit wieder zunehmendem Momentum im Ölpreis besteht die Chance für eine Wiederaufnahme der Outperformance.
Die Grundlage für eine Outperformance von STOXX Industrial Goods & Services ist noch nicht gelegt. Die relative Performance von Industrial Goods & Services ist eng korreliert mit der Entwicklung der längerfristigen Kapitalmarktzinsen in den USA. Dies ist Ausdruck der hohen Abhängigkeit des Sektors von der Entwicklung der Weltwirtschaft und der Möglichkeit zur Überwälzung von Preiserhöhungen auf Seiten der Rohstoffe. Das aktuelle Umfeld spricht zwar für eine weltweit solide Konjunkturentwicklung, das Momentum wird jedoch verhalten bleiben. Ebenso ist der Überwälzungsspielraum der Inputpreiserhöhungen (Rohstoffe, Energiekosten) auf die Abnehmer gegenwärtig nicht gegeben. Erst in einem Umfeld, in dem sich die Verzinsung der US Staatanleihen wieder deutlich erhöht, dürften die Chancen für eine nachhaltige Outperformance von Industrial Goods & Services wieder zunehmen.
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