Kommentar
10:46 Uhr, 17.01.2014

Jetzt kommen die harten Fundamentaldaten

In diesem Jahr kommt es zu einem gewissen Strukturbruch an den Aktienmärkten. Zwar bleibt die internationale Geldpolitik - EZB und Bank of Japan werden vermutlich noch offensiver werden - die Aorta der Märkte. Daneben werden aber die Fundamentaldaten eine bedeutendere Rolle für die Aktienmärkte, und zwar eine positive, spielen. Die Weltwirtschaft wird stärker.

Zuletzt hat auch die Weltbank ihre Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft von drei auf 3,2 Prozent in 2014 angehoben. In den Schwellenländern, allen voran China, stabilisiert sich die konjunkturelle Lage und in den USA bestätigt sich die fortschreitende Wirtschaftserholung. Dieses Bild zeichnete kürzlich auch die US-Notenbank in ihrem Konjunkturbericht (Beige Book). Sie sieht auch Verbesserungen am Immobilienmarkt sowie im für die USA wichtigen Einzelhandel.

Selbst Euroland stabilisiert sich wirtschaftlich. Strukturreformen zur nachhaltigen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bleiben zwar in der Euro-Peripherie Mangelware. Der weltwirtschaftliche Rückenwind und eine insbesondere sich auf hohem Niveau fortsetzende Staatsverschuldung sorgen aber zumindest für verhaltene Aufschwungsignale.

Neue Staatsschulden mit geldpolitischer Rückendeckung der EZB ohne klare Reformpolitik sind keine nachhaltige Lösung. Selbsttragende, robuste Wirtschaftsaufschwünge werden damit in der Eurozone nicht erzielt.

Ein grundsätzlich vielversprechender Ansatz zur Verbesserung der nationalen Standortqualität sind Steuersenkungen. Neben der Agenda 2010-Politik haben insbesondere die deutlichen Unternehmenssteuersenkungen ab 1999 den Wirtschaftsstandort Deutschland entscheidend aufgewertet. Früher haben auch bereits Margaret Thatcher und Ronald Reagan mit diesem Instrument maßgebliche Wirtschaftsimpulse in Großbritannien und den USA erzielt.

Wenn also schon neue Schulden in den angeschlagenen Euro-Staaten gemacht werden, warum sollten die dann nicht noch höher ausfallen und zur Finanzierung von Steuersenkungen verwendet werden. Im europäischen Vergleich liegen die Unternehmenssteuern in Frankreich und Italien an der Spitze. Senkungen auf ein wettbewerbsfähiges Niveau, wie z.B. in Deutschland, würden endlich einen Ruck auslösen, ein verbessertes Investitionsklima schaffen und schließlich den Arbeitsmarkt beleben. Das sollte auch die Akzeptanz der wählenden Bevölkerung für diese angebotsorientierte Politik erhöhen. Irland hat seine Krise auch wegen geringer Steuern in den Griff bekommen. Es ist zu hoffen, dass der französische Staatspräsident Hollande seinen kürzlichen Steuersenkungsplänen bald Fakten folgen lässt.

Euro-Aktien haben die Nase vorn

Der bis Mitte 2013 zu beobachtende Trend relativer Gewinnschwäche euroländischer zu US-Unternehmen scheint auszulaufen. Während sich eine robuste Gewinnentwicklung von US-Aktienwerten aufgrund des konjunkturellen Vorsprungs der USA längst eingestellt hat, fängt dieser Prozess für die Breite der euroländischen Aktienunternehmen erst an. Wegen der Abarbeitung der Krisensymptome steht die Konjunkturerholung in Euroland im Vergleich zur US-amerikanischen erst noch am Anfang. Dieses Nachholpotenzial verspricht höhere Wachstumsraten bei Unternehmensgewinnen. Diese Perspektive macht sich bereits im Ansatz bei der relativen Wertentwicklung der Aktien bemerkbar: Seit Sommer entwickeln sich euroländische besser als US-Aktien.

Grafik der Woche: Relative Gewinn- und Wertentwicklung von euroländischen zu US-Aktien

Der zunehmende Risikoappetit für euroländische Aktien zeigt sich seit Anfang 2014 nicht zuletzt in einer relativen Stärke der euroländischen Peripherie gegenüber den Kernmärkten. Insbesondere die griechischen, irischen und portugiesischen Aktienmärkte, aber auch italienische und spanische Aktien profitieren von der Krisenentspannung und den Nachholeffekten gegenüber Deutschland und Frankreich.

Dennoch ändert sich an der positiven Gesamteinschätzung deutscher Aktien für 2014 nichts. Denn sie profitieren in besonderem Maße von der sich stabilisierenden Weltkonjunktur.

Mittlerweile knüpfen euroländische Aktien aus Sicht der Ertragsbewertung wieder an die hohen Bewertungsniveaus vor Ausbruch der Euro-Krise an und auch die Substanzbewertung ist nicht mehr günstig. Jedoch werden im Jahresverlauf steigende Unternehmensgewinne, die mit konjunkturellen Verbesserungen einhergehen, diese Bewertungen wieder relativieren.

Ohnehin sind Aktien im direkten Vergleich zur Konkurrenzanlageklasse “Staatsanleihen“ nicht überbewertet. Bei der Bewertungsdifferenz - gemäß KGV-Berechnung - der deutschen Umlaufrendite mit deutschen Aktien, ist zwar eine Konsolidierung zu beobachten. Dennoch sind Renten gegenüber Aktien, gemessen am langjährigen Durchschnitt, nach wie vor zu teuer.

Aktuelle Marktlage und Charttechnik

Zwischenzeitlich kann das Tapering der weltweit führenden Notenbank Fed die positive Aktienstimmung durchaus beeinträchtigen, selbst wenn die EZB und Bank of Japan ihre Offensivstrategie noch weiter ausweiten. Und sicherlich wird der Prozess der weltkonjunkturellen Erholung nicht reibungslos verlaufen. Außerdem müssen politische bzw. wirtschaftliche Probleme u.a. in den Schwellenländern einkalkuliert werden.

Vor diesem Hintergrund sind die aktuell sehr niedrigen Volatilitäten an den Aktien- aber auch Anleihemärkten nicht zu halten. Kursschwankungen, die zu Konsolidierungen bis zu 10 Prozent führen, sind insofern einzukalkulieren.

Insgesamt betrachtet dürften sich die Aktienmärkte in diesem im Vergleich zum Vorjahr zwar weniger stark entwickeln. Dennoch sprechen Geldpolitik, Konjunktur und Gewinnwachstum im Vergleich zu weiterhin unattraktivem Zinsvermögen für einen guten Aktienjahrgang, der den DAX Ende des Jahres auf 10.500 Punkte hieven wird.

Charttechnisch liegt für den DAX der nächste Widerstand bei 9.730 Punkten. Wird dieser dynamisch überwunden, ist der Weg bis zur psychologisch wichtigen Marke bei 10.000 Punkten frei.

Sollte es dem DAX kurzfristig nicht gelingen, Fahrt aufzunehmen, sind aus charttechnischer Sicht kaum weitere Kurssteigerungen zu erwarten. Die erste Unterstützung im DAX liegt dann bei 9.620 und darunter am bisherigen Jahrestief von 9.368 Punkten. Wird sie unterschritten, wartet eine massive Unterstützungszone im Bereich zwischen 9.253 und 9.190 Punkten. Darunter gibt der mittelfristige Aufwärtstrend bei 8.900 Punkten Halt.

Und das passiert in der 4. Kalenderwoche

Auf Unternehmensebene berichten IBM, Microsoft, McDonald’s und Procter & Gamble über das letzte Quartal bzw. Gesamtjahr 2013.

Auf Makroebene dürften die BIP-Zahlen im für die Weltwirtschaft wichtigen Schwellenland China zur Beruhigung der Unsicherheit über die konjunkturelle Entwicklung der Emerging Markets beitragen.

In Japan steht die Zinssitzung der Bank of Japan an. Vorerst werden jedoch noch keine weiteren geldpolitischen Maßnahmen beschlossen.

In den USA verdeutlicht der Index der Frühindikatoren den anhaltenden US-Wirtschaftsaufschwung.

In Euroland kommt es zum konjunkturellen Stimmungstest. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in Euroland weist darauf hin, dass sich die Euro-Konjunkturerholung weiterhin nur in Trippelschritten fortsetzt. Insbesondere die französische Industrie dürfte weiter als Problemfall auffallen. Deutlich besser wird der deutsche Einkaufsmanagerindex ausfallen. Dieses positive Konjunkturbild dürften auch die ZEW Konjunkturerwartungen unterstreichen.

Halvers Woche: Der Stein des Sisyphus oder schon wieder ein neues Börsenjahr

Aus der griechischen Mythologie kennen wir Sisyphus, diesen armen Kerl, der von den Göttern dazu verdammt wurde, einen großen Stein den Berg hinaufzuwälzen. Diesen Frondienst musste er immer wieder tun, da der Stein bei Erreichen des Gipfels sofort wieder in das Tal stürzte. Arbeiten, die trotz großer Anstrengung nie beendet sind, werden daher auch Sisyphus-Arbeit genannt.

Sisyphus-Arbeit ist auch meine Kapitalmarktanalyse. Mit Sylvester sind die alten Jahresprognosen Geschichte. Der Stein ist mit Neujahr wieder auf seinen Ausgangspunkt im Tal zurück gerollt. Jetzt werden die Chancen und Risiken für das neue Börsenjahr eingeschätzt. Ihnen als Anleger geht es auch nicht anders: Auch Sie überlegen, wie sie Ihr Geld im neuen Jahr anlegen.

Die Kraft der drei Herzen für die Aktienmärkte

Für 2014 ist die Palette an Finanzmarktprognosen groß. Von Aktien-Crash bis Dauer-Hausse gibt es alles. Ich persönlich gehe von einem positiven Aktienjahr 2014 aus. Dabei sehe ich drei Argumente.

Erstens die Geldpolitik. Ja, natürlich kann das Tapering der US-Notenbank zwischenzeitlich auf die Aktienstimmung wirken, wie der unerwartete Besuch der Schwiegermutter am Wochenende. Allerdings weiß die Fed auch um ihre Wirkung, vor allem auf die Schwellenländer: Die Gelddiplomatie von Janet Yellen wird an das Gurren von Turteltauben erinnern.

Überhaupt, EZB und Bank of Japan bleiben die offiziellen Maskottchen für Aktien. Beide Notenbankchefs überbieten sich geradezu inflationär mit Aussagen zur unkonventionellen Bekämpfung von Deflationsängsten.

Wenn die Geldpolitik ohnehin dafür sorgt, dass hohe Staatverschuldung von Euro-Staaten zu keinen Reibungsverlusten an den Finanzmärkten führt, was spricht dann eigentlich gegen eine noch höhere Neuverschuldung? Die Bedingung wäre allerdings, dass damit Unternehmenssteuern gesenkt werden.

Damit verbesserten sich die Standortfaktoren eines angeschlagenen Euro-Landes zügig. Investitionen und Arbeitsplätze - der Lustgewinn der Volkswirtschaft - nähmen zu und der Wirtschaftsaufschwung würde selbsttragend. Erinnern wir uns: Die Agenda 2010-Politik von Altkanzler Schröder war sicherlich sinnvoll. Aber die Unternehmenssteuerpolitik „Mehr Netto vom Brutto“ zu Beginn seiner Amtszeit war für die Wiederbelebung des deutschen Industriestandorts mindestens genau so wichtig. Auch Thatcher und Reagan hatten mit dieser Steuerkeule Erfolg. Also die Herren Letta, Hollande oder Rajoy, tun sie es auch.

Zweitens wird die bisherige Liquiditätshausse bzw. Hoffnungs-Rallye immer mehr durch harte Fundamentaldaten, also Substanz unterlegt. Die USA und Japan wachsen und die Schwellenländer sind stabil. Die Weltwirtschaft ist robust und gleichzeitig steigen die Unternehmensgewinne. Von diesem Fundamentalismus haben deutsche Aktien historisch immer profitiert.

Apropos Unternehmen, sie verfügen über viel Liquidität. Was werden sie damit tun? Sie werden ihre Dividenden erhöhen, ihre Aktien zurückkaufen, andere Unternehmen übernehmen oder generell investieren. Alle vier Punkte sind alles andere als schlecht für Aktien.

Drittens sehe ich eine stärkere Rotation von Anleihen in Aktien. Wer 1981 Staatspapiere gekauft hat, profitierte von ihnen bis ins letzte Jahr hinein, ohne dafür einen wirklichen Handschlag tun zu müssen. Doch mittlerweile haben sie ihre besten Zeiten gesehen. Wirkliche Renditeanstiege wird die schnelle Eingreiftruppe der Notenbanken zwar verhindern. Aber schon der geringste Zinsanstieg sorgt für Kursverluste von Staatstiteln.

Aktienjahr 2014: Weniger üppig, volatiler, aber dennoch gut

Natürlich wird auch 2014 nicht krisenfrei sein. Und deutlich höhere Schwankungen als im braven Aktienjahr 2013 mit Kursverlusten von bis zu 10 Prozent sind auch grundsätzlich möglich.

Aber dennoch wird 2014 insgesamt ein guter Aktienjahrgang. Die Frage ist nicht, warum sollten Aktien steigen, sondern warum sollten Aktien nicht steigen. Wegen der Kraft der drei Herzen steht der DAX am Jahresende bei 10.500 Punkten.

Da wälzt man den Stein des Sisyphus doch gerne den Berg hinauf.

Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick

Kapitalmarkt auf einen Blick

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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