Fundamentale Nachricht
15:46 Uhr, 07.10.2020

Ist das der Anfang vom Ende für Aktien?

Die Kursanstiege an den Aktienmärkten sind im September zum Stillstand gekommen. Ist der große Aufschwung seit März nun vorbei? Das StrategieTeam der Danske Bank zieht am Anfang des letzten Quartals 2020, das unter anderem im Zeichen der US-Präsidentschaftswahl steht, Bilanz.

Aktien haben seit den heftigen Kurseinbrüchen im Frühjahr ein großartiges Comeback gefeiert, doch im September ist die Party zu einem Ende gekommen. Zuletzt erlebten globale Aktien erhebliche Kursschwankungen und einen leichten Rückgang, während sich verschiedene Risiken abzeichnen. In Europa greift das Coronavirus wieder um sich, und in den USA können sich die Politiker immer noch nicht auf ein neues Konjunkturpaket einigen. Dazu kommen andere Unsicherheitsfaktoren wie die weiterhin unklare Brexit-Situation und die Präsidentschaftswahl in den USA, wo sich Donald Trump mit dem Coronavirus infiziert hat.

Ist vorerst Schluss mit steigenden Aktienkursen?

„Das kommt auf den Zeithorizont an. In den kommenden Monaten können die Unsicherheit und die Volatilität durchaus steigen, aber auf etwas längere Sicht sehen wir Potenzial für weitere Kursanstiege an den Aktienmärkten. Insgesamt gehen wir davon aus, dass die allmähliche Normalisierung der Weltwirtschaft andauern wird – und dies wird die Aktienmärkte unserer Ansicht nach weiter in die Höhe treiben. Deshalb behalten wir in unseren Portfolios eine moderate Übergewichtung in Aktien und eine entsprechende Untergewichtung in Anleihen bei“, meint Henrik Drusebjerg, Chefstratege der Danske Bank.

Welche Bedeutung hat es, dass sich Donald Trump mit dem Coronavirus infiziert hat?

„Die Märkte reagierten zunächst mit einem kleinen Ausverkauf bei US-Aktien aufgrund der höheren Unsicherheit. Wir erwarten jedoch, dass die Gesamtauswirkung auf die Finanzmärkte begrenzt sein wird. Eine andere Frage ist, welche Bedeutung dies für den Wahlkampf hat. Unser Hauptszenario ist, dass sich Donald Trump relativ schnell wieder erholen wird und den Wahlkampf wiederaufnehmen kann. Als sich Boris Johnson in Großbritannien mit dem Coronavirus infizierte, führte die öffentliche Anteilnahme sogar zu einem starken, wenn auch nur kurzfristigen Anstieg seiner Popularitätswerte. Das Gleiche könnte auch bei Donald Trump passieren.“

Welche Gefahr stellt eine zweite Infektionswelle für die Finanzmärkte dar?

„Eines ist klar: Je mehr sich das Coronavirus im Herbst und im Winter ausbreitet, desto stärker kann sich die Erholung des Wirtschaftswachstums in die Länge ziehen. Wir erwarten aber keine erneuten flächendeckenden Lockdowns, sondern eher lokale und zielgerichtete Einschränkungen, die das Wirtschaftswachstum nicht so stark beeinträchtigen. Außerdem rückt ein Impfstoff täglich näher. Deshalb gehen wir nicht davon aus, dass sich der große Einbruch vom Frühjahr wiederholt. Nichtsdestotrotz könnte das Coronavirus an den Finanzmärkten weiterhin seine Spuren hinterlassen – im Guten wie im Schlechten.“

Was sind die wichtigsten Faktoren für die Finanzmärkte im letzten Quartal des Jahres?

„Neben dem Coronavirus haben wir natürlich auch die amerikanische Präsidentschaftswahl genau im Blick, die kurzfristig für Unruhe sorgen kann. Insgesamt erwarten wir aber nicht, dass das Wahlergebnis für das Wirtschaftswachstum und die Finanzmärkte von besonders großer Bedeutung ist. Trotzdem gibt es natürlich politische Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten. Joe Biden will unter anderem die Körperschaftssteuer anheben, was am Aktienmarkt nicht gut ankommen wird. Andererseits gilt Joe Biden als vorhersehbarer und kooperativer, was positiv ist. Deshalb kann das Wahlergebnis auch Auswirkungen auf den Handelskonflikt zwischen den USA und China haben, der unentwegt unter der Oberfläche schwelt.

Zudem sollte man die bevorstehende Berichtssaison im Blick haben, die in den USA Mitte Oktober beginnt. Gemessen am KGV sind Aktien aktuell teuer. Das liegt daran, weil die Aktienkurse seit dem Tiefpunkt im März stark gestiegen sind, ohne dass die Unternehmensgewinne mitgezogen haben. Deshalb sind gute Gewinnzahlen und positive Unternehmensmeldungen, die die hohen Bewertungen rechtfertigen können, von großer Bedeutung. Es lässt sich aber auch beobachten, dass die Unternehmen ihre Kosten während der Coronakrise im Allgemeinen gesenkt haben. Dies wird die Gewinne zusätzlich in die Höhe treiben, wenn die Umsätze wieder steigen.

Zu guter Letzt verfolgen wir die makroökonomischen Kennzahlen. Hier wird sich die Konjunktur vermutlich weiter erholen, auch wenn es unterwegs Rückschläge geben wird. Zuletzt enttäuschte die Schaffung von Arbeitsplätzen in den USA in der letzten Woche, wo nicht so viele neue Jobs entstanden sind wie erwartet. Vor allem die Arbeitslosigkeit ist ein guter Indikator dafür, wie hart das Coronavirus die Wirtschaft getroffen hat. In den USA stieg die Arbeitslosigkeit im Frühjahr von jetzt auf gleich von unter 4 % auf fast 15 %. Und obwohl die Hälfte aller verlorenen Jobs bereits wieder zurückgewonnen wurde, ist es immer noch ein langer Weg bis zur Normalisierung. Dies wird ein langer, steiniger Weg. Darüber hinaus gehen wir nicht davon aus, dass die Politiker in den USA sich noch vor der Wahl im November auf das lang erwartete neue Konjunkturpaket einigen können. Dies könne die Märkte kurzfristig belasten.“

Welchen Anlageschwerpunkt haben Sie derzeit?

„Obwohl wir die kurzfristigen Unsicherheitsfaktoren im Blick haben, ist es wichtig, dass man als Anleger längerfristig ausgerichtet ist und auch daran denkt , wie die Welt nach der US-Wahl, einer Klärung des Brexits und der Einführung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus aussehen wird. Wenn die Wirtschaft weiter an Schwung gewinnt, können zyklischere Sektoren, die unter der Coronakrise gelitten haben, ein Comeback erleben. Zyklische Sektoren wie Finanzdienstleister und Industrie entwickeln sich in der Regel in Zeiten eines Konjunkturaufschwungs am besten. Im Laufe des kommenden Jahres wird es unserer Ansicht nach einen Konjunkturaufschwung geben, der insbesondere im Finanzsektor attraktive Renditechancen eröffnen kann. Wir empfehlen, dass Anleger bereits jetzt schrittweise damit beginnen, ihre Portfolios auf dieses Szenario auszurichten.

Darüber hinaus sehen wir weiterhin attraktives, langfristiges Renditepotenzial bei Technologieaktien, die von einem hohen strukturellen Wachstum profitieren, auch wenn es sicherlich Zeiten geben wird, in denen andere Aktien besser abschneiden. Die Kursrückgänge in den USA im September wurden beispielsweise großenteils durch eine Rotation weg von Technologieaktien, die am US-Aktienmarkt stark vertreten sind, hin zu zyklischeren Aktien verursacht.

Trotz der aktuellen Unsicherheit in Bezug auf das Konjunkturpaket in den USA gehen wir generell davon aus, dass die Zentralbanken und die Politiker für weitere Konjunkturspritzen bereit sind, falls dies nötig sein sollte. Die extrem lockere Geldpolitik der Zentralbanken hat der Weltwirtschaft so viel Liquidität wie noch nie zu vor zur Verfügung gestellt. Diese Gelder müssen irgendwo hin – und da viele Anleihen sehr niedrige oder negative erwartete Renditen haben, werden die Aktienmärkte unserer Ansicht nach neue Zuflüsse verzeichnen. Dies trägt dazu bei, dass Aktien auf Sicht von zwölf Monaten voraussichtlich vernünftige Renditen erzielen werden.“

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