Kommentar
09:19 Uhr, 26.10.2011

Immer wieder sonntags…

Schlagerfreunde der 70er Jahre werden sich wohl gerne an das deutsche Sänger-Duo Cindy & Bert erinnern. „Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung“ war einer ihrer großen Hits.

Auch wenn man kein Schlagerfan ist, zumindest dem Titel des Schlagers kann man nicht entrinnen. Denn auf den regelmäßig auch sonntags stattfindenden Gipfeltreffen kommt eben immer wieder sonntags die Erinnerung, dass die Probleme der Eurozone noch ungelöst sind. Und jedes Mal – nämlich immer wieder sonntags - hofft man, dass dieses Mal ein nachhaltiger Lösungsweg betreten wird.

Es kreiste der Berg und gebar eine Maus

Ehrlich gesagt konnte ich diesen Fortschritt bislang nicht erkennen. Ich weiß auch nicht, warum ein ums andere Mal vor diesen sonntäglichen Treffen mit viel Bohei die Erwartungshaltung himmelhoch angesetzt wird und anschließend der kontrollierte Rückzug nach dem TTV-Prinzip - Täuschen, Tarnen, Verstecken - angetreten wird. Zumindest fehlt nie die Verbalerotik, dass der Euro und die Eurozone stabil sind. Worten muss man aber auch Taten folgen lassen. Ich würde zu gern einmal Mäuschen spielen, was da besprochen wird, wenn man doch weiß, dass man nichts Konkretes entscheiden wird. Übt man sich in euroländischer Selbstfindung, in Gruppentherapie? Ist es vielleicht ein internationaler Frühschoppen? Und da wundert man sich noch über die anschließend enttäuschten Reaktionen der Finanzmärkte, die wie Kinder vorher auf die Bescherung euphorisch eingestimmt werden und am Ende mit unmodischen Socken abgespeist werden.

Und auch am kommenden Sonntag gibt es den nächsten Gipfel, dieses Mal ein EU-Gipfel der Regierungshäuptlinge. Vor zwei Wochen haben Frau Merkel und Herr Sarkozy auch dieses Aufeinandertreffen als epochal mit weitreichenden Entscheidungen angekündigt. Drei Dinge harren dabei dringenden Lösungen. Erstens der Haircut griechischer Schulden, dem kein fehlerfrei bis drei zählender Politiker mehr widersprechen kann, zweitens die Bankenbeteiligung am Schuldenschnitt, verbunden mit der Frage, wie man einige von ihnen anschließend vor dem Umkippen rettet und drittens wie man den bestehenden Rettungsschirm „hebelt“, um Spanien und Italien in Watte zu packen, ohne jedoch die mittlerweile aufmüpfigen und renitenten Steuerzahler in den Geberländern erneut zur Kasse bitten zu müssen.

Halbgare politische Lösungen sind gar keine Lösungen

Anscheinend wurde den Damen und Herren Politikern die Aussage, am kommenden Sonntag Nägel mit Köpfen zu machen, dann doch zu heiß. Man solle keinen Paukenschlag erwarten. So ist die Entscheidung bezüglich der Weiterentwicklung des Rettungsschirms nicht zu erwarten. Während die Deutschen die Versicherungslösung favorisieren, streben die Franzosen die unendlichen Rettungswelten der Bankenlösung an. Was heißt das also? Gibt es am Sonntag wieder nur die leisen Töne der Triangel? Übt man sich stattdessen eher wieder in „Hau den Banker“? Das ist keine Lösung, sondern nur Populismus. So mancher aktuell mit entzückenden Vorschlägen zur Bankenregulierung aufwartender europäischer Politiker hat noch zur Jahrtausendwende die Deregulierung der europäischen Finanzmärkte als Waffengleichheit mit den angelsächsischen Banken gefeiert. Heute wollen sie offenbar glauben machen, damals unter geistiger Umnachtung gestanden zu haben.

Mit halbgaren Lösungen werden die Politiker die Finanzmärkte ähnlich beeindrucken wie der Haartrockner, der versucht, gegen den Herbststurm anzupusten, also gar nicht. Die Rating-Agenturen werden die Euro-Länder und europäischen Banken weiter im Visier behalten wie die Klingonen die Enterprise. Ich bin kein großer Freund der Rating-Agenturen. Aber der Vorschlag der EU, ihre Länder-Herabstufungen zu verbieten, ist lachhaft. „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ passt eher zu einer planwirtschaftlichen EUDSSR, aber nicht zu der freiheitlichen Grundordnung der EU.

Ihr Politiker, macht endlich Politik, gerne auch sonntags

Nein, es bleibt dabei: Der große Paukenschlag für die Eurozone muss her. Dazu gehört auch eine verstärkte Führungsrolle Deutschlands, dass die EU-Musik zwar bestellt hat, also maßgeblich bezahlen muss, dann aber auch maßgeblich bestimmen darf, was gespielt wird. Dies gilt insbesondere in Richtung von so manchem euroländischen Partnerland, das keine Hemmungen hat, noch die letzten Stabilitätsresiduen zu opfern, um keinen Reformwillen zeigen zu müssen. Wir können uns keinen lauwarmen Gipfeltourismus mehr leisten. Sonst müssen Cindy & Bert einen neuen Song schreiben, diesmal einen Blues: „Immer wieder sonntags kommt die Ernüchterung“.

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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