Nachricht
10:35 Uhr, 10.07.2024

Ifo: Wiedereinführung der Wehrpflicht könnte bis zu 70 Mrd Euro kosten

BERLIN (Dow Jones) - Die Wiedereinführung der Wehrpflicht könnte die Volkswirtschaft nach Berechnung des Ifo-Instituts bis zu 70 Milliarden Euro kosten und damit fast so viel wie die gesamten Militärausgaben der Bundesregierung in diesem Jahr. Das Institut rät der Bundesregierung angesichts dieser Kosten dazu, den Verteidigungshaushalt finanziell stärker auszustatten, um damit höhere Gehälter an Berufssoldaten zu zahlen. Diese Option wäre laut Ifo kostengünstiger.

Die Studie, die das Institut für das Bundesfinanzministerium angesichts der Diskussionen um die Zukunft der Bundeswehr erstellt hat, untersucht die Kosten der Wehrpflicht in drei Szenarien. Betrifft die Wehrpflicht einen gesamten Jahrgang, wäre mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung (Bruttonationaleinkommen) um 1,6 Prozent oder knapp 70 Milliarden Euro zu rechnen. Falls ähnlich wie bei der alten Wehrpflicht knapp ein Viertel eines Jahrganges eingezogen würde, könnte die Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent oder 17 Milliarden Euro zurückgehen, so die Studie. Werden nur 5 Prozent eines Jahrganges eingezogen (ähnlich wie in Schweden), beträgt der Rückgang laut Ifo 0,1 Prozent oder 3 Milliarden Euro.

"Eine Wehrpflicht im Rahmen eines sozialen Pflichtjahres würde jährlich wirtschaftliche Kosten verursachen, die in etwa so groß sind, wie die Mittel aus dem Verteidigungshaushalt und dem Sondervermögen Bundeswehr im Jahr 2024 zusammen", sagte Ifo-Militärexperte Marcel Schlepper.

Die Kosten entstünden vor allem, weil junge Menschen erst später mit dem Aufbau von Humankapital und Vermögen beginnen würden. "Als Alternative zur Wehrpflicht wäre es sinnvoller, die Bundeswehr mit mehr Mitteln auszustatten, um sie als Arbeitgeber attraktiver zu machen. Denkbar wäre, den Wehrdienstleistenden höhere Gehälter zu bezahlen", sagte Ifo-Forscher Panu Poutvaara.

Dies würde zwar den Staatshaushalt stärker belasten, die gesamtwirtschaftlichen Kosten fielen aber um fast die Hälfte geringer aus als bei der Wehrpflicht: 37 statt 70 Milliarden Euro (im 100-Prozent-Szenario), 9 statt 17 Milliarden Euro (im 25-Prozent-Szenario) und 2 statt 3 Milliarden Euro (im 5-Prozent-Szenario). Die militärischen Fähigkeiten der Bundeswehr würden bei der Marktlösung in jedem Szenario im gleichen Maße wie bei der Wehrpflicht wachsen.

Die Kosten einer Wehrpflicht wären zudem nicht gleichmäßig in der Gesellschaft verteilt, sondern fielen primär bei den Wehrpflichtigen selbst an, so Ifo. Der Wehrdienst zwingt die Wehrpflichtigen, ihre Bildungs- und Berufsplanung anzupassen. In der Studie können negative wirtschaftliche Folgen bei Einkommen und Konsum bis zum Lebensende festgestellt werden.

Wenn nur ein kleiner Anteil eines Jahrgangs verpflichtet werde, werfe das angesichts der ungleichen Verteilung der Lasten erhebliche Zweifel an der Wehrgerechtigkeit auf, sagte Poutvaara. Bei einer Marktlösung mit höheren Gehältern müssen dagegen alle gleichermaßen die höheren Staatsausgaben finanzieren. "Bei einer Wehrpflicht entstehen für die Nicht-Wehrpflichtigen kaum Kosten. Das mag erklären, warum eine Wehrpflicht insbesondere bei jenen Altersgruppen so beliebt ist, die nicht selbst betroffen wären", sagte Ifo-Militärexperte Schlepper.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/sha

Copyright (c) 2024 Dow Jones & Company, Inc.