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11:14 Uhr, 23.10.2024

Habeck will Wirtschaft mit "Deutschlandfonds" stützen

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Bundesfinanzminister Robert Habeck (Grüne) hat ein Milliarden-Paket zur Unterstützung der Wirtschaft durch einen "Deutschlandfonds" vorgeschlagen. "Wir sollten Investitionen mit einer unbürokratischen Investitionsprämie von 10 Prozent fördern - und zwar für alle Unternehmen, gerade auch Handwerksbetriebe sowie kleine und mittelständische Betriebe. Auch neu gegründete Betriebe sollten davon profitieren", heißt es in einem Konzept des Wirtschaftsministers mit dem Titel "Update für die Wirtschaft - Impuls für eine Modernisierungsagenda", in das Dow Jones Newswires Einblick hatte.

"Die klimaneutrale Modernisierung, eine neue Innovationsdynamik und eine zukunftsfähige Industrie erfordern massive Investitionen - privat wie öffentlich", so Habeck in dem Konzept. "Dazu gibt es einen breiten Konsens unter Experten - vom BDI über die OECD bis zum Draghi-Bericht." Von einer solchen Investitionsdynamik sei Deutschland aber weit entfernt. "Ein zentraler Grund dafür ist eine restriktive Haushaltspolitik, die uns von den allermeisten anderen erfolgreichen Ländern unterscheidet", monierte Habeck.

Die Einsicht, dass hier etwas geändert werden müsse, wachse an vielen Stellen: BDI, EZB, OECD, Bundesbank und die überwältigende Mehrheit der Ökonomen plädierten für eine zeitgemäße Anpassung der Fiskalregeln. Die Spielräume im Haushalt seien zu gering, um private wie öffentliche Investitionen in einem deutlich größeren Umfang als heute zu ermöglichen. Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form sei eine Investitions- und Wachstumsbremse. "Um das aufzulösen, schlage ich einen Deutschlandfonds von Bund und Ländern für Investitionen und Infrastruktur vor", so Habeck.

"Über Jahrzehnte hat die Kraft unserer Wirtschaft dazu beigetragen, dass Deutschland sicher durch schwierige Phasen gekommen ist - als gefestigte Demokratie im Herzen Europas. Aber angesichts der geopolitischen Herausforderungen und der strukturellen Probleme in Deutschland und Europa müssen wir die Kräfte neu entfesseln", sagte Habeck laut seinem Ministerium. Es sei entscheidend, einerseits die Innovationskraft des Landes zu stärken und die digitale Transformation voranzubringen und andererseits die Industrie wettbewerbsfähig zu machen. "Im Zentrum einer Modernisierung der Wirtschaft muss dabei die Verbindung von Strukturreformen und Investitionsimpulsen stehen."

Vertiefter Austausch Ende November

Die Vorschläge des Impulspapieres werden laut Habecks Ministerium zahlreichen Wirtschaftsverbänden von Startups, Handwerk, Mittelstand, Industrie sowie Gewerkschaften und Ökonominnen und Ökonomen zugesandt, verbunden mit einer Einladung zu einem vertieften Austausch Ende November. "Es braucht jetzt volle Kraft für den Wirtschaftsstandort", sagte Habeck. "Dieser Impuls soll den Anstoß dazu geben."

Konkret sollen laut dem Konzept alle Investitionen der Unternehmen mit Ausnahme der Gebäudeinvestitionen mit einer Investitionsprämie von 10 Prozent im Jahr der Investition gefördert werden. Die Investitionsprämie werde auf die Steuerschuld des Unternehmens verrechnet. Sei sie höher als die Steuerschuld oder macht das Unternehmen gar keine Gewinne, werde die Differenz oder die komplette Prämie ausgezahlt. Im Gegensatz zu einer einfachen Verbesserung der Abschreibung erhielten so auch Unternehmen die Prämie, die gar keine Gewinne erzielten, etwa weil es sich um neu gegründete Unternehmen handelt, die noch nicht in die Gewinnzone gekommen sind. Die Maßnahme sollte zeitlich auf die nächsten fünf Jahre befristet werden.

"Das größere Wirtschaftswachstum würde dafür sorgen, dass die Staatsverschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung nur moderat ansteigen würde", erwartete der Wirtschaftsminister. Eine zweite Säule solle genutzt werden, um die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen und den nötigen Ausbau zu finanzieren. Habeck fordert in dem Plan zudem eine deutliche Senkung der Stromkosten. Er setze sich dafür ein, "dass die Netzentgelte deutlich und verlässlich gesenkt werden und der Ausbau der Netzinfrastruktur perspektivisch über den Deutschlandfonds mitfinanziert wird oder die Kosten über einen langen Zeitraum gestreckt werden".

Die Stromsteuer solle für alle grundsätzlich auf das europarechtliche Minimum reduziert werden. Denkbar wäre darüber hinaus auch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom - dies müsste allerdings auch von den Bundesländern finanziert und deshalb gewollt sein. Die Strompreiskompensation für energieintensive Unternehmen müsse "von der EU-Kommission überarbeitet und dauerhaft aufgestellt werden", verlangte er zudem. Weitere Punkte des Reformkonzepts sind unter anderem eine neue Innovationsdynamik, schnellere und einfachere Genehmigungen, Klimaschutz als Standortfaktor, das Heben von Arbeits- und Fachkräftepotenzialen und eine "Offensive für neue Handelsverträge".

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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