Analyse
16:58 Uhr, 12.09.2007

Großer, wachstumsstarker Markt an der Südostflanke der EU

Externe Quelle: Deutsche Bank Research
Autor: Bernd Klett

Großer, wachstumsstarker Markt an der Südostflanke der EU

Am 1. Januar 2007 knallten in Bukarest die Sektkorken. Gefeiert wurde die Aufnahme Rumäniens in die Europäische Union (EU). Mit einem dynamischen Wirtschaftswachstum von 7,7% im Jahr 2006 und einer Durchschnittsrate von 6,0% p.a. im Zeitraum 2001-2006 war der Einstand beeindruckend. Allerdings hat das Land erheblichen Aufholbedarf. Eine falsche Entwicklungsstrategie, politische Wirren und ungünstige globale Einflüsse hatten die Wirtschaft in den achtziger Jahren aus der Bahn geworfen. Binnen vier Jahren schrumpfte sie um ein Drittel. Inzwischen geht es wieder steil aufwärts. Trotz gewisser Stabilitätsrisiken sind die Entwicklungsaussichten viel versprechend.

Der seit Beginn dieses Jahrzehnts laufende Wirtschaftsaufschwung wird von der Inlandsnachfrage getragen. Die im zweistelligen Bereich liegende durchschnittliche jährliche Zuwachsrate der Investitionen spiegelt den enormen Nachholbedarf bei der Modernisierung der rumänischen Wirtschaft. Aber auch der private Konsum kam in den letzten Jahren auf Touren. Wesentlichen Anteil daran hat der steigende Wohlstand der Bevölkerung (das rumänische Prokopfeinkommen nach Kaufkraftparitäten betrug 2006 etwa ein Drittel dessen in Euroland, gegenüber erst einem Viertel im Jahr 2000). Außerdem haben die Rumänen den Kauf auf Pump entdeckt. Denn seit der rumänische Geschäftsbankensektor im Zuge der Privatisierung größtenteils in westliches Eigentum überging, hat er mit Unterstützung der ausländischen Mutterbanken die Kreditvergabe an private Haushalte und Unternehmen stark ausgeweitet. Trotz Gegenmaßnahmen sank die entsprechende Zuwachsrate (real rund 50% gg. Vj.) bislang nicht signifikant. Der Kreditboom – vor allem der überproportionale Zuwachs der Konsumentenkredite, von denen ein großer Teil in ausländischer Währung gewährt wurde – hat die Gefahr verbreiteter Kreditausfälle deutlich erhöht. Allerdings wird die so gestiegene Krisenanfälligkeit des rumänischen Bankensystems dadurch gemildert, dass die Institute in ausländischem Eigentum notfalls wohl mit Finanzspritzen ihrer westlichen Mutterhäuser rechnen können.

Der durch den Investitions- und Konsumboom ausgelöste Importsog hat zu einem starken Anstieg des Leistungsbilanzdefizits geführt. 2006 erreichte es mit 10% des BIP einen zweistelligen Wert. Angesichts der neuerdings betriebenen pro-zyklischen Fiskal- und Lohnpolitik der Regierung (2008 ist Wahljahr) ist ein weiterer Anstieg – bis auf 15% im Jahr 2008 – zu erwarten. Darüber hinaus erschwert der neue Kurs weitere Fortschritte bei der bislang sehr erfolgreichen Bekämpfung des Preisauftriebs (Rückgang der Inflationsrate von 46% gg. Vj. im Jahr 2000 auf zuletzt 4% gg. Vj.).

Probleme bereitet Rumänien außerdem nach wie vor die Erfüllung gewisser Verpflichtungen aus dem sogenannten acquis communautaire, dem für alle EU-Staaten verbindlichen Gesamtbestand an Rechten und Pflichten. So monierte die EU-Kommission kürzlich insbesondere fortbestehende gravierende Mängel bei der Bekämpfung der Korruption. In diesem Zusammenhang forderte die Kommission strikte Gewaltenteilung sowie stabile politische Verhältnisse. Hier liegt ein weiterer Schwachpunkt Rumäniens: Die innenpolitische Situation ist instabil, die amtierende Minderheitsregierung ist von der Unterstützung der größten Oppositionspartei abhängig, und Regierungschef und Präsident sind zerstritten. Dabei ist eine rasche Aufarbeitung der Reformversäumnisse dringend geboten, drohen dem Land andernfalls doch Einbußen bei den insgesamt 30 Mrd. Euro an EU-Mitteln, die im Rahmen der EU Finanzplanung 2007-13 als Nachbeitrittshilfen aus den EU-Strukturfonds für Rumänien vorgesehen sind.

Auch ohne solche Kürzungen wird Rumänien zur Finanzierung der hohen Leistungsbilanzdefizite 2007 und 2008 stärker als zuvor die internationalen Kapitalmärkte in Anspruch nehmen müssen. Angesichts Rumäniens Investment Grade-Status (Moody’s: Baa3, Standard and Poor’s: BBB-) sind dabei keine Finanzierungsprobleme zu erwarten. Belastend wirkt allerdings, dass die Wirtschaftspolitik der Regierung für 2007/08 keine Erfolg versprechenden Maßnahmen zur Verringerung des Defizits vorsieht. Das macht das Land außenwirtschaftlich anfälliger; widrige weltwirtschaftliche Einflüsse könnten zu einer Abschwächung des Leu gegenüber dem Euro führen. Aber auch ohne eine solche Entwicklung ist der Leu noch immer fundamental unterbewertet. Deshalb und weil den Anlegern der Leu noch bis mindestens 2014 erhalten bleibt (Rumänien plant, in jenem Jahr der Eurozone beizutreten), dürfte die seit Jahren zu beobachtende reale Aufwertung der rumänischen Währung gegenüber dem Euro noch für geraume Zeit anhalten.

Der Kapitalverkehr zwischen Rumänien und seinen EU-Partnern ist neuerdings praktisch frei. Schon lange vor der Aufnahme in die EU war das Land im Visier westlicher Investoren. In den letzten Jahren flossen im Zuge der Privatisierung Direktinvestitionen in Milliardenhöhe zu, die zur Deckung der Leistungsbilanzdefizite verwendet wurden. Künftig wird sich das Gewicht der Direktinvestitionen auf Greenfield-Investitionen verlagern. Ihr Volumen dürfte dank einer Reihe von Standortvorteilen kräftig steigen: a) Rumänien repräsentiert mit 22 Millionen Verbrauchern einen relativ großen, noch wenig erschlossenen Markt; b) die Arbeitskosten sind noch vergleichsweise niedrig. Der durchschnittliche Monatslohn (4.Quartal 2006: rund 415 Euro) liegt noch immer deutlich unter dem Niveau der meisten regionalen Konkurrenten; c) auch bei der Besteuerung von Gewinnen ist Rumänien mit einem Satz von 16% international sehr konkurrenzfähig. Gemeinsam mit weiteren im Vorfeld des EU-Beitritts durchgeführten Strukturreformen sorgen diese Faktoren für ein günstiges Investitionsklima.

Interessante Möglichkeiten zu Direktinvestitionen bieten in Rumänien vor allem die Bauwirtschaft (wegen Infrastrukturprojekten), die Baustoffindustrie, der Maschinenbau (Ausrüstungen und Anlagen), die Kfz- und Kfz-Zulieferindustrie, die chemische und pharmazeutische Industrie, der Energiesektor, das Versicherungswesen und der Tourismus. Auch der über sehr gut ausgebildete Fachkräfte verfügende IT-Sektor ist eine leistungsstarke Wachstumsbranche. International wettbewerbsfähig ist außerdem der Schiffbau, traditionell einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes. Sein Zentrum, der Schwarzmeerhafen Konstanza, ist dank des durchgängigen Wasserwegs zur Nordsee für alle EU-Staaten ein wichtiges Tor zu den immer wichtiger werdenden Märkten der benachbarten Türkei und Russlands sowie zu den aufstrebenden Volkswirtschaften am Golf und in Ostasien (Indien, China).

Was Portfolioinvestitionen betrifft, können westliche Kleinanleger bei ihrer Bank auf Euro lautende Staatsanleihen kaufen. Am lokalen rumänischen Kapital- und Geldmarkt agieren praktisch ausschließlich institutionelle Anleger. Wichtige Gründe dafür sind die geforderte hohe Mindestanlage sowie die geringe Liquidität der lokalen Märkte. Für Kleinanleger, die in Leu-Anleihen investieren möchten, empfiehlt sich der Erwerb von Investmentfonds-Anteilen, wie sie bei Banken und Fondsgesellschaften erhältlich sind. Für Investitionen in rumänische Aktien bietet sich entsprechend die Beteiligung an einem auf Osteuropa spezialisierten Aktienfonds an; zum Erwerb von Einzelwerten ist in der Regel die Einschaltung einer lokalen rumänischen Bank mit Broker-Lizenz erforderlich.

Dieser Artikel wurde auf http://www.boerse-go.de veröffentlicht.

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Über den Experten

André Rain
André Rain
Technischer Analyst und Trader

André Rain ist seit dem Jahr 2000 im Aktienhandel aktiv. Hier startete er bereits mit seiner autodidaktischen Ausbildung in Chartanalyse. Die Faszination für die Charttechnik führte ihn im Mai 2005 zu GodmodeTrader, dem Vorgänger-Portal von stock3.com, wo er als Technischer Analyst mit Schwerpunkten auf Aktien- und Indexanalysen tätig ist. Seit 2004 handelt er privat intensiv Aktien und Hebelzertifikate im kurzfristigen Zeitfenster von wenigen Minuten bis mehreren Stunden. Dabei hat er sich auf den Handelsstil des Ausbruchstradings spezialisiert, mit dem er an kurzen, dynamischen Marktbewegungen partizipiert. Seiner Meinung nach ist der Chart das beste Instrument zur Auswertung und Prognose von Bewegungen an den Finanzmärkten.

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