Kommentar
17:10 Uhr, 12.03.2024

Gold und andere Rohstoffe: Heute nicht vergleichbar mit den 70er-Jahren!

In den vergangenen Jahren gab es viele Parallelen zu den 70er-Jahren. Jetzt machen sich die Unterschiede bemerkbar.

Derzeit sieht es nicht danach aus, dass sich die 70er-Jahre wiederholen. Für die Inflationsrate bedeutet dies, dass sich die Teuerung nicht in mehreren Wellen immer weiter in die Höhe schaukelt. Die Inflationsrate kann zwar zukünftig auch nochmals ungemütlich ansteigen, z.B. Richtung 4 %, doch das Hoch des Jahres 2022 sollte weit unterschritten werden.

Dafür gibt es einen guten Grund: Rohstoffe. Rohstoffpreise sind sehr volatil. Langfristig steigen Rohstoffe in etwa mit der Inflationsrate. Seit 1960 trifft dies aktuell exakt auf Nickel, Blei, Kupfer und Eisenerz zu (Grafik 1). Öl ist stärker gestiegen, Aluminium weniger. Dass Rohstoffe und Verbraucherpreise langfristig ähnlich sind, ist kein Zufall. Rohstoffpreise sind Inflation.

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Betrachtet man nicht die Preise, sondern die Veränderungsrate, wird der Zusammenhang offensichtlicher (Grafik 2). Die Inflationsrate steigt, wenn Rohstoffpreise steigen und umgekehrt. Einzelne Rohstoffe können stärker steigen oder fallen als die Inflationsrate. Das ändert am Grundprinzip nichts, dass Rohstoffpreise nun einmal Inflation sind.

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Unsere Wirtschaft ist zwar zum Teil weniger rohstoffintensiv als in den 70er-Jahren, doch das gilt nicht unbedingt für jede einzelne Volkswirtschaft. Zudem steht auch am Beginn der Wertschöpfungskette von Dienstleistungen oft ein Rohstoff. Dass die Inflationsrate derzeit zurückgeht, ist also kein Wunder. Rohstoffpreise haben sich normalisiert. Damit es zu einer zweiten Inflationswelle kommt, braucht es erneut Lieferengpässe. Diese kann man nicht ausschließen, sind aber aktuell nicht absehbar.


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Die Inflationsrate geht zurück, weil Rohstoffpreise sinken oder weniger schnell steigen. Das sollte auch Konsequenzen für den Goldpreis haben. Der Goldpreis bildet zu anderen Rohstoffen keine Ausnahme und steigt und fällt tendenziell mit der Inflation (Grafik 3). Die Gründe sind allerdings andere. Gold ist im Gegensatz zu Rohstoffen wie Eisenerz nicht Inflation, dafür ist Gold ein Inflationsschutz.

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Kaum etwas bringt es so gut auf den Punkt wie die Korrelation zum Realzins. Realzinsveränderungen und Goldpreis sind eng verknüpft (Grafik 4). Derzeit gibt es eine Divergenz. Das unterscheidet die aktuelle Periode von den 70er-Jahren. Gold kann trotz Inflationsrückgang und vergleichsweise hohem Realzins steigen.

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Wer die Hoffnung hegt, dass sich damit vor allem das Ende der 70er und das Jahr 1980 wiederholt, könnte allerdings enttäuscht werden. Der Goldpreis vervielfachte sich innerhalb kurzer Zeit. Das hatte weniger mit der Höhe der Inflationsrate oder dem Realzins zu tun und mehr mit der Spekulation der Hunt Brüder auf Silber, die auf Gold übergriff.

Dennoch ist die Goldpreisentwicklung interessant. Wenn Inflation und Spekulation derzeit kein Katalysator sind und auch eine zweite Inflationswelle nicht absehbar ist, was treibt den Preis dann? Geopolitische Unsicherheit. Der Goldpreis kann sich dadurch vollkommen anders verhalten als damals. Das ist deutlich gesünder. Der Goldpreis steigt in diesem Szenario unabhängiger von der Inflation solide an. Die Goldpreisentwicklung der vergangenen Monate ist jedenfalls kein Hinweis darauf, dass eine neue Inflationswelle droht.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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