EZB zuversichtlicher bezüglich Inflation trotz höherer Prognosen
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Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones) - Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat seine Zinsen im Juni vor allem wegen anhaltender Fortschritte bei der Inflationsentwicklung gesenkt. Wie aus dem jetzt veröffentlichten Protokoll der Beratungen vom 6. Juni hervorgeht, äußerte sich der Rat auch zuversichtlich bezüglich der weiteren Inflationsaussichten, obwohl die Inflationsraten im Mai entgegen den Erwartungen gestiegen waren und der volkswirtschaftliche Stab, auch basierend auf der Inflationsentwicklung der Vormonate, seine Inflationsprognosen für 2024 und 2025 angehoben hatte.
"Auf der Grundlage der aktualisierten Bewertung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission wurde es als angemessen angesehen, den Grad der geldpolitischen Restriktion nach neun Monaten konstanter Zinssätze zu mildern", heißt es im Protokoll. Zu den oben genannten drei Kriterien finden sich im Protokoll folgende Punkte:
1. Inflationsausblick
Die Stabsprognosen für die Inflation 2024 und 2025 wurden zwar etwas angehoben, es wurde aber trotzdem erwartet, dass die Inflation in der zweiten Hälfte 2025 in Richtung des EZB-Ziels von 2 Prozent sinken würde. Grund: Ein schwächerer Anstieg der Arbeitskosten, die Wirkungen der EZB-Geldpolitik und die nachlassenden Auswirkungen der Energiekrise sowie der Pandemie. Zudem seien die langfristigen Inflationserwartungen mehr oder weniger bei 2 Prozent geblieben - zuletzt allerdings mit Ausnahme marktbasierter Erwartungen.
Die Ratsmitglieder äußerten sich zuversichtlich hinsichtlich des Inflationsausblicks, auch wenn die jüngsten Daten darauf hindeuteten, dass die Inflation hartnäckiger sein könnte als zuvor erwartet, und die genaue Geschwindigkeit, mit der sie zum Ziel zurückkehren würde, ungewiss sei. Ferner sahen die Ratsmitglieder in der Tatsache, dass die Inflationsprognosen des Stabs für Ende 2025 im vergangenen Jahr zwischen 2,0 und 2,2 Prozent geblieben seien, als ein Indiz für deren höhere Verlässlichkeit.
1. Unterliegende Inflation
Die meisten Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation waren im April, dem letzten Monat, für den endgültige Daten vorlagen, weiter zurückgegangen, was laut Protokoll das Bild eines allmählich nachlassenden Preisdrucks bestätigte. Gleichzeitig verwies der Rat auf den wegen des hohen Lohndrucks starken inländischen Preisdruck. Zudem seien die Prognosen für die Kerninflation 2024 und 2025 angehoben worden. Die Dynamik sowohl bei der Dienstleistungs- als auch bei der Kerninflation sei recht stark geblieben.
"Es wird daher noch einige Zeit dauern, bis mehr Klarheit über die Dynamik der wichtigsten Inflationsfaktoren besteht", heißt es im Protokoll. Abzuwarten bleibe überdies inwieweit die Stückgewinne den Inflationsdruck durch höhere Löhne auffangen würden und ob sich das Produktivitätswachstum wie erwartet erholen würde.
3. Geldpolitische Transmission
Die EZB-Ratsmitglieder waren sich allgemein einig darin, dass die geldpolitische Transmission weiterhin stark sei. Die realen Zinssätze befänden sich in der Nähe ihres Höchststandes in diesem Zyklus. Die Geldpolitik bleibe damit eindeutig restriktiv und würde dies auch bei weiteren Zinssenkungen noch einige Zeit bleiben. Dies gelte selbst dann, wenn man eine Aufwärtsverschiebung des natürlichen Zinses in Betracht ziehe.
4. Kommunikation
Trotz der oben erläuterten Unsicherheit bezüglich der weiteren Inflation beschloss der Rat in Bezug auf die Kommunikation, der Öffentlichkeit ein gestiegenes Vertrauen in den Disinflationsprozess zu vermitteln, das die Zinssenkung gerechtfertigt habe. Gleichzeitig sollten aber die Notwendigkeit anhaltender Vorsicht und Geduld im Hinblick auf den künftigen Disinflationspfad sowie die Entschlossenheit betont werden, die Inflation rechtzeitig auf das Ziel zurückzuführen.
Entsprechend beschloss der EZB-Rat, seine Zinsen um 25 Basispunkte zu senken, aber zunächst keine weitere Zinssenkung in Aussicht zu stellen. Vielmehr wurde bekräftigt, über die Zinsen weiterhin von Sitzung zu Sitzung und auf Basis der hereinkommenden Daten zu entscheiden.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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