EZB: Unternehmen rechnen mit langsamerem Lohnwachstum
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Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones) - Unternehmen im Euroraum sehen nach Erkenntnissen der Europäischen Zentralbank (EZB) Anhaltspunkte für eine leichte, vom Konsum gestützte Konjunkturerholung und rechnen damit, dass sich der Lohndruck im laufenden und nächsten Jahr abschwächen wird. Wie die EZB im Ergebnis einer im Vorfeld der jüngsten EZB-Ratssitzung durchgeführten Umfrage mitteilte, erwarten die Unternehmen im Durchschnitt, dass sich der Lohnanstieg von 5,4 Prozent im vergangenen Jahr auf 4,3 Prozent in diesem und 3,5 Prozent im nächsten Jahr abschwächen wird.
"Der Rückgang der Gesamtinflation führt viele Unternehmen zu der Erwartung, dass das Lohnwachstum im nächsten Jahr eher den historischen Normen entsprechen wird, aber andere sagen, dass die Gewerkschaften weiterhin hohe Lohnerhöhungen anstrebten, um die vergangene Inflation auszugleichen", heißt es in der EZB-Mitteilung. Deshalb hänge der erwartete Lohnzuwachs für 2025 auch vom Zeitpunkt und Umfang der bereits vereinbarten Lohnerhöhungen ab.
Die EZB macht sich besonders wegen des hohen binnenwirtschaftlichen Preisdrucks Sorgen, dessentwegen sie ihre Geldpolitik weiterhin restriktiv halten will. Wichtigster Treiber dieses Preisdrucks ist der Dienstleistungssektor, in dem wiederum die Lohnentwicklung die Preise maßgeblich beeinflusst.
Der stärkste Preisanstieg war nach Angaben der EZB nach wie vor im Bereich der Unternehmens- und Konsumentendienstleistungen zu verzeichnen, was sie auf die Löhne und die steigende Nachfrage zurückführte. Bei den Transportdienstleistungen führe die Umleitung von Schiffen aus dem Gebiet des Roten Meeres zu einem Anstieg der Frachtraten, da die Kapazitäten effektiv reduziert würden und die Kunden ihre Bestellungen vorzögen, um die längeren Lieferzeiten zu kompensieren, was auch die Lagerkosten erhöhe.
Bei den Reise- und Fremdenverkehrsdienstleistungen sagten die Gesprächspartner laut EZB, dass die Verbraucher preissensibler geworden seien. Dies habe bereits zu einem gewissen Abwärtsdruck auf die Flugpreise geführt und schränke den Spielraum für weitere Erhöhungen der Hotelpreise ein. Die Ansprechpartner im Einzelhandel, wo der Wettbewerb stark sei und die Kunden weiterhin preissensibel blieben, berichteten demnach in der Regel über stabile oder leicht sinkende Preise und einen Druck auf die Gewinnspannen.
Die Kontaktpersonen berichteten laut EZB-Bericht von einer allmählichen Belebung der Wirtschaftstätigkeit im zweiten Quartal, wobei sich die Anzeichen für eine bescheidene, vom Konsum getragene Erholung mehrten. Das Wachstum sei nach wie vor von den Dienstleistungen getragen, aber das verarbeitende Gewerbe erreiche die Talsohle und das Baugewerbe zeige erste Anzeichen einer Stabilisierung. Die Aussichten für die Investitionen blieben jedoch gedämpft, und die Unsicherheit sei hoch.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/apo
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