Eurolands Krisenplan B - Nach den Wahlen muss es losgehen!
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Unsicherheit wo immer man in Euroland hinschaut. Verbleibt Griechenland nach den Neuwahlen im Juni in der Eurozone oder steht ein Austritt bevor? Kann der spanische Bankensektor dem Druck ausfallbedrohter Immobilienkredite standhalten? Gelingen Spanien und Italien durch ihre Reformprozesse die Wiedererlangung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und damit die Rückkehr zum Wachstum? Und wer sorgt für Ruhe an den Finanzmärkten: Rettungsschirme, EZB oder doch Eurobonds?
Diese Unsicherheit bleibt nicht ohne Folgen. Die Realwirtschaft bekommt dies ähnlich zu spüren wie im zweiten Halbjahr 2011. So ist der Einkaufsmanagerindex für ganz Euroland mit einem Wert von 45 Punkten auf den niedrigsten Stand seit Sommer 2009 gefallen und liegt nun deutlich unter der Expansion anzeigenden Schwelle von 50. Eine noch deutlichere Stimmungseintrübung wird nur von einem stabilen globalen Konjunkturumfeld verhindert.
„Man spürt wieder Risiko“
Diese Unsicherheit macht sich wieder am Markt für Firmenanleihen bemerkbar. Der Risikoaufschlag 5-jähriger europäischer Unternehmens- zu deutschen Staatsanleihen ist im Trend bereits wieder deutlich aufwärtsgerichtet. Diese zunehmende Risikoaversion lässt sich auch am europäischen Aktienmarkt beobachten. So hat der EuroStoxx seine deutlichen Kursgewinne bis Mitte März bereits wieder vollständig abgegeben und befindet sich im laufenden Jahr sogar knapp vier Prozent im Minus.
„Zins-Sozialismus“
Mit Eurobonds fallen auch die letzten Hemmungen
Zur Unsicherheitsbewältigung sind Eurobonds der falsche Weg. Die Euro-Südzone profitierte aufgrund der Bonitätsstärke vor allem Deutschlands von einem wesentlich geringeren Refinanzierungszinssatz, während Deutschland höhere Zinsen zu zahlen hätte. De facto sprächen wir von einem sozialistischen Durchschnittszins.
Die aktuelle Renditebetrachtung verdeutlicht dies. Die Rendite einer 10-jährigen EFSF-Anleihe, ein Näherungsindikator für die Rendite von Eurobonds der gleichen Laufzeit, ist mit knapp drei Prozent zwar nur halb so hoch wie die Rendite 10-jähriger spanischer oder italienischer Anleihen, aber doppelt so hoch wie die deutscher Staatstitel.
„Leistung ohne Gegenleistung“
Durch die Emission von Gemeinschaftsanleihen mit einem Einheitszinssatz richtet man in Euroland grundsätzlich mehr Schaden als Nutzen an. Denn man hebelt das einzig verlässliche Druckmittel für Staaten zur Durchführung ihrer Strukturreformen - steigende Zinsen am Staatsanleihemarkt - aus und konterkariert damit den gesamten euroländischen Reformprozess, man könnte auch sagen die Marktwirtschaft. Der Reformeifer in den prekären Euro-Staaten geriete ins Stocken, ja versteckte sich hinter dem geringeren Gemeinschaftszins. Und ohne die dringend notwendige Fortführung der Reformprozesse in den angeschlagenen Euro-Ländern führt eine solche Transferleistungsunion angesichts der weiter zunehmenden wirtschaftlichen Ungleichgewichte langfristig sogar zu einer zusätzlichen Destabilisierung Eurolands. Überhaupt hätte Deutschland massive Nachteile zu erwarten. Unsere Zinsen für Staatsanleihen stiegen. Nicht zuletzt wird damit unsere Bedienung der Staatsverschuldung teurer. Und als Gegenleistung hätten wir noch nicht einmal Kontrollrechte in punkto Haushaltspolitik anderer EU-Länder. Im Übrigen verlöre Deutschland die letzte Stabilitätsbastion. Eurobonds sind sinnvoll, aber erst am Ende der euroländischen fiskalpolitischen Integration, nicht am Anfang.
Vor diesem Hintergrund sind auch euroländische Projektbonds - begeben von der Europäischen Investitionsbank zur Beschaffung von Geldern für konjunkturstimulierende EU-Projekte - kritisch zu sehen. Zwar könnte man ihnen zugute halten, dass sie im Vergleich zu allgemeinen Eurobonds aufgrund ihrer Zweckgebundenheit - z.B. für Infrastrukturprojekte - geringere Ausmaße annehmen und in punkto Mittelverwendung gut kontrollierbar sind. Verstärkte Investitionen seitens der Europäischen Investitionsbank über verstärkte Mittelbereitstellung der sie tragenden Länder würden diesem Aspekt jedoch auch gerecht. Hätte man über Projektbonds erst einmal die Tür für Gemeinschaftsanleihen aufgemacht, wäre der Weg zu Eurobonds - beginnend mit zunächst überschaubaren, aber dann immer größer werdenden Volumina - auch nicht mehr weit.
Selbst bei zunächst kleinvolumigen Gemeinschaftsanleihen würden die Finanzmärkte dennoch permanent Indikationen für einen durchschnittlichen euroländischen Gemeinschaftszins erhalten, dem sich der nationale deutsche Zins im Zeitablauf - über zunehmende Haftung - annähern würde.
Das ultimative Instrument zur Befriedung der Euro-Krise bleibt die EZB.
Keine Lust mehr auf halbherzige Lösungsschritte
Neben der Intensivmedizin seitens der EZB muss die Euro-Politik an einer nachhaltigen und klaren Neuausrichtung der Finanz- und Wirtschaftspolitik der Eurozone arbeiten. Eine Abschwächung der strikten Sparauflagen der Euro-Peripherie gekoppelt mit einer Ergänzung des Fiskalpakts um eine Wachstumskomponente muss vom deutsch-französischen Bündnis im Gegenzug für verstärkte Strukturreformen vorangetrieben werden. Ähnliche Stimmen werden auch bei der OECD laut.
Das ehemalige Tabu-Thema eines geordneten Austritt Griechenlands aus der Eurozone hat nach dem griechischen Wahl-Chaos stark an Dynamik gewonnen und besitzt ohnehin den Charakter einer self-fulfilling prophecy, also eines Ereignisses, das eintritt, je öfter man darüber spricht. So entwerfen die Euro-Staaten bereits detaillierte Notfallpläne für einen Griechen-Austritt. Auch hier ist die EZB als Errichter von Brandmauern gefragt, um Ansteckungseffekte auf Spanien und Italien zu verhindern. Insbesondere gilt es, über die Stützung griechischer Banken Ausstrahleffekte auf das euroländische Bankensystem zu verhindern. Nach den griechischen und französischen Parlamentswahlen wird sich die Perspektive eines „Grexit“ verstetigen.
Die Einführung einer Währung in Griechenland, die parallel zum Euro existiert - Beispiel Geuro - ist keine klare Lösung. Sie würde gegenüber dem Euro permanent abwerten, weil ihr Vertrauen nicht durch die Bonität Griechenlands gedeckt wäre. Und wenn kein Vertrauen vorhanden ist, ist eine ähnliche Entwicklung wie in Weichwährungsländern oder wie in der früheren DDR vorgezeichnet. Um die wichtigen Dinge des Lebens kaufen zu können, braucht man harte Währung, also Euro. Man kann niemanden zwingen, den Geuro zu akzeptieren. Mit dem Geuro ist also nichts gewonnen. Dann kann man auch sofort die Drachme wieder einführen. Man sollte klare Lösungen anstreben. Entweder man ist ein Euro-Land oder nicht.
„Immer noch stabil“
Unsicherheit macht auch vor deutscher Konjunktur nicht Halt
Der wieder hoch kochenden Krisenstimmung kann sich selbst die deutsche Wirtschaft nicht entziehen. Das zeigt die aktuelle Konsolidierung der ifo Konjunkturdaten. Neben einer weniger positiven Einschätzung der aktuellen Konjunkturlage sorgen dafür in erster Linie die verhalteneren Geschäftserwartungen. Setzt man die Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung, befinden wir uns, allerdings nur knapp in einer Abschwung-Phase. Insgesamt betrachtet befindet sich die deutsche Wirtschaft weiterhin in stabiler Verfassung.
„Angst frisst realwirtschaftliche Seele auf“
Bislang reagieren die befragten Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland auf die Stimmungseintrübung an den Finanzmärkten gemäß Schwankungsintensität von Aktienkursen jedoch noch weniger stark als im 2. Halbjahr 2011, als die plötzlich auftretende Verunsicherung an den Finanzmärkten infolge der Euro-Krise zu einer schockartigen Wende des bis dato phänomenalen ifo Geschäftsklimas führte. Sicherlich ist man krisenresistenter geworden, weil man die Stärke der Weltkonjunktur sieht. Und die Unternehmensseite vertraut wohl auch darauf, dass den erbärmlichen Versuchen zur Beilegung der Euro-Krise im letzten Jahr jetzt nachhaltige und klare folgen. Diese Hoffnung in die Politik sollte man nicht enttäuschen. Aus Unsicherheit verzögerte Unternehmensinvestitionen, die schnell Mitläufer finden, könnten schließlich in einem deutlichen Abschwung resultieren.
Grafik der Woche: ifo Geschäftsklimaindex und Unsicherheit (Schwankungsstärke bzgl. DAX-Entwicklung)
„Politik bleibt das Zünglein an der Waage“
Aus charttechnischer Sicht konnten die Bullen die Chancen auf eine Erholung zunächst nicht nutzen. Sollte der DAX dabei die Haltezone zwischen 6200 und 6170 Punkten signifikant unterschreiten, drohen Einbußen bis zur Marke bei 6000.
Sollten die Bullen auf dem Weg nach oben jedoch den Widerstand bei 6365 Punkten zurück erobern, so sind weitere Kursgewinne bis zum nächsten Widerstand bei 6420 und darüber bis 6580 sowie bis zum kurzfristigen Aufwärtstrend bei 6723 Punkten ins Auge zu fassen.
Wohl und Wehe des DAX hängen an der Lösungsfähigkeit der Euro-Politik.
Fundamentale Lage für Gold bleibt glänzend
Unterdessen bleiben die fundamentalen Rahmenbedingungen für Edelmetalle gut. So profitiert insbesondere Gold zunächst von den grundsätzlich unsicheren politischen Rahmenbedingungen und der üppigen Liquiditätsausstattung der Finanzmärkte. Grundsätzlich bleibt die Nachfrage nach physischem Gold unbeirrt erhalten. Alle wesentlichen Goldnachfrager (Schmuck, Industrie, Anlage, Zentralbanken) sind Nettokäufer.
Insofern ist der Terminmarkt verantwortlich für den Preisverfall des Goldes seit Anfang März. Am Terminmarkt haben die Investoren ihre spekulativen Positionen auf einen Goldpreisanstieg auf den niedrigsten Stand seit Dezember 2008 reduziert.
Aus der Sicht eines Euro-Investors zeigt sich der Goldpreis wesentlich unkritischer, da die aktuelle US-Dollar-Stärke für Währungsgewinne sorgt.
„Staatstitel keine Alternative zu Gold“
Primär profitiert Gold auch weiterhin von den viel zu geringen Alternativrenditen am Staatsanleihemarkt, die weder mit Blick auf ihre mangelnde Bonität noch den vorhandenen Inflationsdruck seitens der Notenbanken befriedigend sind. Die Umlaufrendite deutscher bzw. 10-jähriger US-Staatsanleihen befindet sich nach Inflation im negativen Bereich.
„Der Live-Ticker spielt die Hauptrolle“
Und was passiert in der nächsten Woche?
In China weist der komfortabel im expansiven Bereich tendierende Einkaufsmanagerindex auf eine anhaltend brummende Wirtschaft hin. Und in Amerika belegt der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe sowie die wieder etwas stärkeren Daten vom US-Arbeitsmarkt, dass die vergleichsweise langsame aber stetige US-Konjunkturerholung nicht in Gefahr ist.
Und der Live-Ticker zur Euro-Krise wird bis zu den griechischen und französischen Wahlen bzw. zum Euro-Gipfel Ende Juni die Hauptrolle an den Finanzmärkten spielen.
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:
http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/
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