Kommentar
09:28 Uhr, 02.11.2011

Euroland – Zwischen Suppenküche und Sterne-Restaurant

Es geht also doch noch was in der politischen Großküche Eurolands. Viele Anleger haben sich wohl am Morgen nach dem EU-Gipfel die Augen verwundert gerieben. Die euro-politische Küche ist doch noch fähig, Köstlichkeiten herzuzaubern. Natürlich liegt der Teufel jetzt im Finanz-Detail. So fordert die konkrete Ausgestaltung des gehebelten Rettungsschirms die ganz hohe Kochkunst. Aber immerhin, von der Vorspeise waren viele Marktteilnehmer positiv angetan. Diebisch freue ich mich insbesondere über die verwirrten Reaktionen der angelsächsischen Finanzwelt, aber auch meiner amerikanischen Freunde, die ihre Belustigung und Schadenfreude über den auf den EU-Gipfeln bislang kredenzten, wenig schmackhaften Einheitsbrei nicht verbargen.

Die euroländische Suppenküche muss schließen

Ist die euroländische Staatsschuldenkrise damit beendet? Nun, man muss Wasser in den guten Wein gießen. Die Krise ist so wenig beendet wie der weltweite Siegeszug amerikanischer Schnellimbissketten. Es ist entscheidend, den Schwung dieses EU-Gipfels zu nutzen, sonst sind wir für die Finanzmärkte wieder ruck zuck auf dem kulinarischen Niveau einer Suppenküche. Wie nach der Ouvertüre einer formidablen Vorspeise in einem Sterne-Restaurant darf anschließend nicht die Enttäuschung einer in der Mikrowelle erhitzten Erbsensuppe aus der Dose folgen.

Die bislang ergriffenen Rettungsmaßnahmen können die prekären Länder der Eurozone lediglich sättigen. Wir brauchen aber eine nachhaltige kulinarische Mobilmachung. Es muss wieder Genuss in die euroländischen Finanzmärkte kommen.

In Griechenland gibt es keine wundersame Brotvermehrung

Zur Gesundung Griechenlands gehört neben dem Schuldenschnitt auch eine Auszeit von der Euro-Mitgliedschaft, sozusagen eine Euro-Diät, von etwa 10 Jahren damit das Land - ähnlich wie damals Argentinien - über Abwertungen seine Wettbewerbsposition verbessert und Wirtschaftsstrukturen außerhalb des Euro-Korsetts reformiert. Für mich ist es unlogisch bis zum Anschlag, in der Vergangenheit bei überschuldeten Ländern selbstverständlich immer auch eine Währungsabwertung als Instrument der Sanierung der Volkswirtschaft zu nutzen und im Falle Griechenlands auf die wundersame Brotvermehrung zu hoffen. Ohne Währungsabwertung wird Griechenland genau ab der Sekunde, in der der Schuldenschnitt stattgefunden hat, wieder anfangen, neue Schulden aufzubauen, die nach einigen Jahren erneut geschnitten werden müssen. Auf diese Weise kommt das Land niemals aus der Suppenküche heraus.

Keine italienischen Schaumspeisen mehr!

Aber auch die anderen EU-Länder - allen voran Italien - müssen jetzt schnellstmöglich begreifen, dass der gehebelte Rettungsschirm kein Freitisch ist, die von der Mühsal nationaler Fastenkuren befreit. Und lügen wir uns bitte nicht in die Taschen. Dass der Rettungsschirm Italien kulinarisch befriedigen kann, ist so wahrscheinlich wie die Transformation einer Knackwurstbude zum Feinschmeckerlokal. Chefkoch Berlusconi aus Italien muss das politische Niveau, das einer Pizza Margarita entspricht, dringend erhöhen. Berlusconi ließ den Teilnehmern des EU-Gipfels zwar mit der Ankündigung eines gigantischen und harten Wirtschaftsreformprogramms das Wasser im Munde zusammen laufen. Dies darf jedoch nicht zur Träumerei verkommen. Nur locker leicht geschlagene Zabaglione wird die hungrigen Finanzmärkte nicht mehr überzeugen. Das Problem ist, dass Italien zur Schicksals-Küche Eurolands geworden ist. Es geht also um Bella Italia und zeitgleich um Bella Europa. Es geht nicht um Bello Silvio, der sich mehr und mehr die Finger am Herd verbrennt.

Euroland hat auf dem EU-Gipfel zwar mit der Vorspeise brillieren können. Letztlich geht es aber um Hauptspeise und Dessert. Es ist sicherlich eine große Herausforderung, mit dem bestehenden euroländischen Küchenpersonal die Finanzmärkte in Genießerlaune zu versetzen. Mit viel Anstrengung sollte es uns dennoch gelingen, gegenüber den Angelsachsen mindestens relativ bestehen zu können. Angesichts ihrer massiven Versorgungsprobleme sind sie auch nur zu Hamburger und Fish and Chips fähig.

Rechtshinweis am Ende einfügen:

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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