Kommentar
08:25 Uhr, 08.06.2011

Euroland - Es begann als Liebesbeziehung…

Was für eine Traumhochzeit: Die Staaten in Europa verbandelten sich 2002 zu einer wohlstandsmehrenden Währungsunion. Und als Mitgift wurde den südlichen Euro-Mitgliedern über drastisch verringerte Zinsen auch noch eine künstliche Konjunkturbefruchtung gewährt. Insofern war die Vereinigungsstimmung euphorisiert. Ich erinnere mich noch an einen sehr heiteren Polterabend in Berlin Sylvester 2001. Vor dem Brandenburger Tor war alles in euro-blau gefärbt wie 12 Jahre zuvor in Schwarz-Rot-Gold. Man kannte keine Deutschen mehr, man kannte nur noch Euroländer.

Die Mitgift wurde gut angelegt, denn nachfolgend erfuhren Länder wie Spanien einen nicht enden wollenden, konjunkturellen Honeymoon, den es seit dem Sonderwirtschaftsprogramm „Bau der spanischen Armada“ im 16. Jahrhundert nicht mehr gegeben hatte. Sogar Überschüsse in Staatshaushalten - in südlichen Ländern eher schwarze Schwäne - gerieten zur Normalität.

Das verflixte siebte Euro-Jahr

Im verflixten siebten Jahr 2008 erlebte die Euro-Verbindung jedoch ihre Beziehungskrise. Denn die schwachen Wirtschaftsstrukturen der Südländer hatten der Immobilienkrise nichts entgegenzusetzen. Auch nicht die Mitgift, die war aufgebraucht. Die Politiker, die bislang neue Einkaufszentren und Neubaugebiete mit viel Tamtam zur Prime Time eröffneten, fanden anschließend noch nicht einmal Zeit für ein Interview im Landfunk.

Leider fungieren die Politiker kaum als Beziehungstherapeuten, sie sind eher Krisenbeschleuniger. Auf ihren euroländischen Konsilien spielen sie auf Zeit, diagnostizieren bis zum Abwinken und verabreichen Happy Pills, halten sich ansonsten bei der Therapie jedoch bedeckt. „Heile, heile Gänschen, es ist bald wieder gut“ kommt auf den Straße in Griechenland und Spanien aber nicht mehr an. So sieht man in Spanien bei Protesten immer mehr Schilder mit der Aufschrift „Sin Trabajo, Sin Dinero, Sin Miedo“. Auf Deutsch: Keine Arbeit, kein Geld, keine Angst. Insbesondere die letzte Verneinung sollte der Politik zu denken geben. Man muss der europäischen Beziehung ein klares Ziel vorgeben. Denn wer kein Ziel hat, kann auch keines erreichen. Und wer sein Volk nicht führt, riskiert, dass das Volk von geneigten Kreisen verführt wird.

Bei Beziehungskrisen sollte die Therapie nicht vergessen werden

Wie wollen wir die Beziehung kitten? Wird es eine Transferunion, kommt eine Umschuldung? Welche Rolle spielt dabei die reiche Tante EZB? Wo stehen wir, wollen wir hin? Ein klarer, transparenter Plan muss her. Das lernt man schon in einem drittklassigen Managementseminar in der Provinz. Ende Juni beim Treffen der Euro-Cheftherapeuten muss Farbe bekannt werden. Da müssen wir jetzt durch. Im Übrigen müssen wir uns nicht als Schmuddelkinder fühlen. Selbst in den USA entwickelt sich der amerikanische Traum zum Trauma. Und - oh Wunder, oh Wunder - selbst US-Ratingagenturen drohen ihrem Land mittlerweile mit Liebesentzug.

Als Kind habe ich mich immer gefragt, warum die Märchen mit der Hochzeit von Prinz und Prinzessin enden. Heute weiß ich es: Weil dann die Probleme erst anfangen. Das sollte uns aber nicht daran hindern, die euroländische Verbindung zumindest zu einer funktionierenden Zweckehe zu machen. Denn die euroländische Hochzeit kennt keinen Ehevertrag. Bei einer Scheidung tut es finanziell richtig weh. Selbst wenn die Liebe vergangen ist, müsste man mit der Muffe gepufft sein, wenn man auch noch die wirtschaftlichen Reize aufgeben würde.

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

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