Kommentar
10:44 Uhr, 21.04.2008

Eine Welle des Optimismus überkommt den internationalen Finanzmarkt …

Der Euro eröffnet heute bei 1.5825, nachdem am Freitag im europäischen Handel Tiefstkurse bei 1.5712 markiert wurden. Der USD konnte sich gegenüber dem JPY nachhaltig befestigen und notiert aktuell bei 103.85. Die „Carry-Trades“ legten im Zuge freundlicher Aktienmärkte markant zu. EUR-JPY stellt sich aktuell auf 164,25 und EUR-CHF oszilliert bei 1.6090.
Freitag standen keine Daten zur Veröffentlichung an. Ein enttäuschender Quartalsbericht der Citigroup,

• gekennzeichnet durch Abschreibungen in Höhe von 13,8 Mrd. USD,
• einem unerwartet hohen Nettoverlust von 5,1 Mrd. USD (-1,02 USD pro Aktie, Prognose - 0,96 USD),
• einem Ertragsrückgang gegenüber dem Vorjahresquartal um 48% auf 13,3 Mrd. USD
• und einer Ankündigung weitere 9.000 Mitarbeiter auf die Straße zu setzen,

wirkte sich als Katalysator einer Befestigung der Citigroup Aktie um 4,5% aus und beflügelte die gesamten Finanzmärkte, optimistischer in die Zukunft zu schauen:
Diese Verhaltensweisen ergaben sich bereits mehrfach in den letzten neun Monaten der andauernden Finanzkrise. Regelmäßig stellte sich heraus, dass der Optimismus vollständig unbegründet war. Offensichtlich ergeben sich aus diesen bisherigen Erfahrungen keine Lernkurven bei den Akteuren am Finanzmarkt, die in einem vertretbaren und sinnvollen Verhältnis zu dem Bergriff angemessener Risikoaversion passen. Es kam zu folgenden Entwicklungen:

• Die Aktienmärkte legten massiv zu,
• der USD gewann an Boden,
• edle Metalle wurden mit größtmöglicher Missachtung gestraft,
• Öl kam dagegen relativ ungeschoren davon,
• die Rentenmärkte (AAA) waren nicht en vogue.

Nach diesem Feuerwerk des Optimismus fragt man sich als nüchterner Analyst, was wohl passiert wäre, wenn die Zahlen von Citigroup tatsächlich gut ausgefallen werden? Gäbe es dann keine Aktien mehr? Hätten wir eine Krise AAA gerateter Bonds? Wären edle Metalle dann kollabiert? Würde sich der Markt um MBS Titel und ABS Titel förmlich geschlagen haben? Hätten USVerbraucher dann wieder volle Taschen? Wäre der US-Arbeitsmarkt dann wieder viril? Dürften wir dann wieder „Ninja“ und „Liars“ Kredite vergeben und freundlich im Investmentbankprozess verpacken? In anderen Worten, wäre dann wieder alles gut?
Dem Finanzmarkt scheint nicht in erforderlichem Maße bewusst zu sein, dass die gegenwärtige „Stabilität“ massivsten und vor wenigen Monaten noch unvorstellbaren Interventionen am Markt und im ordnungspolitischen Rahmen geschuldet sind. Der „freie Markt“ mag jede Intervention mit Haussen feiern. Am Ende feiert er damit seine eigene Entmündigung, da jede Intervention schlussendlich eine Entmündigung ist.
Hier stellt sich implizit die Frage, nach dem Charakter der Finanzmarktakteure. Wie ernst nehmen wir das Konzept freier Märkte und den Begriff Selbstverantwortung? ………………………………. Wer Antworten geben will, darf uns hier gerne mit Vorschlägen konfrontieren. Wir sind gespannt auf Ihr Feedback und werden unter Umständen ohne Namensnennung einige Vorschläge in diesem Format unkommentiert veröffentlichen.

Kommen wir zu weiteren Interventionen an den internationalen Finanzmärkten, nun in Großbritannien:
Am Wochenende gab der britische Finanzminister Darling bekannt, dass die Zentralbank den Geschäftsbanken anbieten werde, in der Größenordnung von 50 Mrd. GBP Regierungsanleihen gegen hypothekenbesicherte Anleihen zu tauschen. „What a darling he is …!“
Nach Ansicht des britischen Finanzministers Darling handelt es sich dabei nicht um einen „Bailout“. Gut, dann erwarten unter Umständen auch Millionen von britischen und global tätigen Anlegern, dass sie ihre derzeit wertlosen MBS Papiere der BoE andienen können, und dafür Liquidität zur Verfügung gestellt bekommen. Das ist ja nach Ansicht von Herrn Darling kein „Bailout“, sondern offensichtlich eine übliche Transaktion. Warum sollten nur Banken davon profitieren?
„Bailouts“ mögen notwendig sein, um Funktionsfähigkeit zu erhalten. Dann müsse sie aber auch als solche Maßnahmen ehrlich und offen thematisiert werden. Marktverdummung ist auch immer eine Form von Respektlosigkeit!

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das in der Parität EUR-USD eine neutrale Haltung favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützung bei 1.5700 – 30 eröffnet nachhaltigeren Abwärtsspielraum. Erst ein Überwinden der bisherigen Höchstmarke bei 1.5983 dreht den Bias des Euros erneut auf positiv.

Viel Erfolg!

Folker Hellmeyer

Chefanalyst der Bremer Landesbank

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Rene Berteit
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Über 25 Jahre professioneller Trader und Tradingmentor! Tausende von real durchgeführten Trades in Aktien, Indizes und Währungen! Fast 20 Jahre Mentorin und tausende von zufriedenen Ausbildungsteilnehmern! Diplom Betriebswirt mit Fokus Börse! Das ist unser Trader(mentor) René Berteit, der Ende der 90er die Börse für sich entdeckt hat. Börse, Trading und die Trader-Ausbildung sind für Ihn keine Berufe, sondern seine Berufung und Leidenschaft.

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