Kommentar
09:15 Uhr, 19.02.2016

Ein unerwarteter Outperformer?

Ende 2015 hieß es in den meisten Jahresausblicken: 2016 wird ein langweiliges Jahr. Das Gegenteil wurde inzwischen bewiesen.

Ursprünglich sollte das Jahr 2016 zwar von erhöhter Volatilität geprägt sein, doch unterm Strich von stabilen Kursen. Wenn es so kommt, sind die meisten nach den ersten Wochen des Jahres wohl froh. An Outperformance denken derzeit die wenigsten.

Eine Wiederholung des Jahres 2015, wovon die meisten Analysten ausgingen, halte ich persönlich für unwahrscheinlich. Der Jahresauftakt bestätigt das bisher. 2016 wird sich vielmehr als „Make or Break“ Jahr herausstellen. In diesem Jahr wird klar werden, ob der Markt auch ohne die Notenbanken kann. Kommen Marktteilnehmer zu dem Schluss, dass es auch ohne immer neue QE Programme geht, dann steht uns eine massive Rallye bevor. Das setzt die Erkenntnis von Anlegern voraus, dass die Wirtschaft tatsächlich stark genug ist. Das ist das favorisierte Szenario.

Das Alternativszenario ist weitaus weniger freundlich. Der Markt kann sich einfach nicht mit einer QE-losen Welt anfreunden. Vor lauter Nervosität und Angst vor der Angst kommt es zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Zuerst kommt es auf dem Markt für Unternehmensanleihen zu einem Zusammenbruch, der später Banken erfasst, dann auf den Immobilienmarkt ausstrahlt und letztlich die ganze US Wirtschaft in die Rezession drängt. Die Notenbank muss erneut eingreifen. Es fehlen ihr jedoch die Mittel und vor allem das Vertrauen des Marktes.

Das Alternativszenario ist ganz klar ein Worst-Case-Szenario. Die Wahrscheinlichkeit für eine solche Entwicklung ist gering. Dennoch sehen nicht wenige genau dieses Szenario hinaufziehen und warnen. Die Warnzeichen sind deutlich zu erkennen – und zwar auf dem Markt für Unternehmensanleihen. Es geht dabei nicht nur um Ramschanleihen, sondern Unternehmensanleihen allgemein. Die Zinsspreads erhöhen sich über alle Ratingkategorien hinweg. Besonders betroffen sind aber natürlich die Ramschanleihen.

Ramschanleihen sind per Definition risikoreich. Die Kursrückgänge im vergangenen Jahr sind also eigentlich vollkommen normal. Es entspräche reiner Finanzalchemie, wenn in einer risikoreichen Anlageform niemals Korrekturen zu verzeichnen wären. Aus einer Korrektur gleich den Zusammenbruch unseres Finanzsystems herzuleiten, ist gewagt.

Nichtsdestotrotz kann man eine Tatsache nicht ignorieren: die Ausfallquoten im Ramschanleihenbereich steigen an. Per Ende 2015 lag die Ausfallquote bei 2,9 %. Grafik 1 zeigt die Ausfallquoten seit 1920, wobei die Daten natürlich umso unsicherer werden, je weiter sie zurückreichen. Vertraut man diesen Daten, dann befinden wir uns mit den derzeitigen Ausfallquoten in guter Gesellschaft. An 2,9 % ist absolut nichts beunruhigend.

Die durchschnittliche Ausfallquote lag in den vergangenen 95 Jahren bei 2,65 %. Betrachtet man lediglich die vergangenen 30 Jahre, dann lag der Durchschnitt bei 4,2 %. Trotz aller Unkenrufe befindet sich der Markt derzeit in keiner Krise. Die aktuellen Ausfallquoten müssten sich um fast 50 % erhöhen, um den historischen Durchschnitt der letzten 30 Jahre zu erreichen!

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Die Grafik zeigt sehr schön die Zyklen der Ausfallquoten. Sie sind stark von den Konjunkturzyklen abhängig. Ramschanleihen verhalten sich tendenziell wie Aktien und weniger wie Anleihen. Die Zinsen, die Unternehmen zahlen müssen, richten sich in diesem Bereich mehr nach dem Rating als nach dem Leitzins.

Da sich Ramschanleihen wie Aktien verhalten und ihnen eine gewisse Vorlaufindikatorfunktion zugeschrieben wird, sind einige Beobachter alarmiert. Grafik 2 zeigt den Dow Jones und die Ausfallquoten seit 1920. Jedes Mal, bevor ein großer Bärenmarkt begann, stiegen auch die Ausfallquoten an. In den meisten Fällen lag der Vorlauf bei mehreren Quartalen. Derzeit sinken die Preise von Ramschanleihen und die Ausfallquoten steigen bereits seit Jahren an. Nicht jeder Anstieg der Ausfallquoten zeigte jedoch mit absoluter Zuverlässigkeit einen Bärenmarkt an.

Die Zyklen der Ausfallquoten müssen nicht zwangsläufig in Quoten von 10-15 % enden. Die 70er Jahre sind ein gutes Gegenbeispiel. Persönlich halte ich eine Marktphase wie in den 70ern für möglich. Der aktuelle Anstieg der Ausfallquoten ist ausschließlich auf die Misere der Rohstoffunternehmen zurückzuführen. In allen anderen Sektoren liegen die Ausfallquoten nach wie vor in unterdurchschnittlichen Bereichen.

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Der Markt für Ramschanleihen kann auf fundamentaler Sicht nur kippen, wenn sich die Konjunktur abkühlt und Unternehmen der Umsatz wegbricht. Das ist derzeit nicht absehbar. Es ist auch unwahrscheinlich, dass die ansteigenden Ausfallquoten im Rohstoffsektor die Konjunktur in Bedrängnis bringen. Viele vermuten ja in der Misere des Sektors das Potential einer Ansteckung der Gesamtwirtschaft.

Eine Ansteckung halte ich für unwahrscheinlich. Der Durchschnittsamerikaner hält nur geringe Summen in Finanzanlagen. Von dieser geringen Summe steckt noch weniger in Ramschanleihen. Fallen Unternehmensanleihen aus, dann trifft das den Durchschnittsamerikaner nicht. Es gibt demnach auch keinen Grund, weshalb Amerikaner aufgrund steigender Ausfallquoten weniger Geld ausgeben sollten – und auf das Konsumverhalten der Amerikaner kommt es letztlich an. 70 % der Wirtschaftsleistung stammt aus Konsum.

Einige Analysten sehen Parallelen zu 2007/08 als sich die Immobilienkrise auf die Gesamtwirtschaft übertrug. Ein solcher Vergleich ist unisinnig. Während viele Amerikaner eine Immobilie besitzen, halten sie kaum Finanzanlagen und schon gar keine Ramschanleihen. Ein Großteil des Vermögens der Amerikaner steckt in Immobilien. Wenn deren Preise also sinken, dann wird der Durchschnittsamerikaner schlagartig um 15 bis 25 % ärmer. Nachdem sich de facto das ganze Vermögen der Bürger rund um Immobilien dreht, ist eine Immobilienkrise katastrophal. Eine Krise des Ramschanleihenmarktes geht wahrscheinlich an 99,5 % der Bürger vorüber. Die übrigen 0,5 % sind Anleger und Investoren, die tendenziell so viel Geld haben, dass sie ohnehin nicht wissen wohin damit.

Der Wert der US-Immobilien wird derzeit auf knapp 30 Billionen Dollar geschätzt. Im Vergleich dazu liegt der Wert des gesamten Ramschanleihenmarktes bei ca. 1,5 Billionen. Selbst wenn alle Anleihen zu 100 % ausfallen würden wäre das weniger als ein Preisrückgang bei Immobilien von 5 %. Das setzt die Dramatik in Perspektive.

Um zum Thema zurückzukehren: Eine Eintrübung der Aussichten für die gesamte US Wirtschaft ist aufgrund des Preisrückgangs von Ramschanleihen und steigenden Ausfallquoten unwahrscheinlich. Die Ausfallquoten sind zudem noch immer historisch niedrig. Berücksichtigt man den bisherigen Preisrückgang der Anleihen, dann hat der Markt bereits Ausfallquoten von 10 % eingepreist. Sofern die USA nicht auf eine Rezession zusteuern, wäre es das erste Mal in der Geschichte des Marktes, dass die Ausfallquoten 10 % ohne eine Rezession überschreiten. Selbst wenn 50 % aller Anleihen des Rohstoffsektors ausfallen bleibt die gesamte Ausfallquote noch unter 10 %.

Meiner ganz persönlichen Einschätzung nach hat der Markt beim Abverkauf von Ramschanleihen jeglichen Bezug zu den Fakten verloren. Ich halte es für möglich, dass der Markt die Fehleinschätzung in diesem Jahr erkennt. In der Folge sollten Ramschanleihenfonds oder ETFs ungefähr 15 % Kursanstieg verzeichnen können. Hinzu kommt eine Rendite von 6 % über Kuponzahlungen. Der Total Return läge bei über 20 %.

Grafik 3 zeigt den S&P 500 Total Return Index sowie den Prudential High Yield Fonds seit 1990. Seit 1990 hat der Fonds eine durchschnittliche Jahresrendite von 7,5 % erzielt, der S&P 500 inkl. Dividenden 9,5 %. Aktien sind deutlich volatiler als High Yield Anlagen, bringen dafür aber auch eine höhere Rendite. 2016 könnte das anders sein. Es dürfte für Aktien schwierig werden eine Performance von 20 % zu schlagen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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